Ein Schauspieler (Sebastian Schindegger) performt das Ende von allem.

Foto: Matthias Heschl

Wien – Frenetischer Applaus vom Band ist schon etwas Herrliches. Unter immer wieder neu aufbrandendem Klatschen und Bravo-Rufen steigt der Schauspieler (Sebastian Schindegger) genüsslich die Treppe herab. Er trägt einen grün-orangen Trainingsanzug, den man selber gerne hätte, und wiegt sich mit Genugtuung in diesem Bad der Zuwendung. Die elektrisierte Menge ist später nur mittels Knopfdruck zu beruhigen. Ein hartes Ende.

Aber ist das jetzt, zu Beginn des Stücks, denn bereits das Finale? Oder fängt es erst an? Und geht das nicht ohnehin immer Hand in Hand? Schon bei Ragnarök, dem Weltuntergang aus der nordischen Mythologie, fällt das Ende mit dem Neuanfang zusammen. Diese philosophischen Fragen kommen bei The End of it all sämtlich aufs Tapet: auch die Lust am Untergang und die Faszination für die astrophysischen Optionen der Apokalypse. Zitiert wird im Schauspielhaus das im Vorjahr auf Deutsch erschienene, titelgebende Sachbuch Das Ende von allem von Katie Mack.

Rückbau des Hotels

Der im Stil von raffinierten Gedankenexperimenten à la Forced Entertainment gebaute Abend handelt nicht von Endzeitstimmungen (Klimakatastrophe oder Rohstoff-Aus), vielmehr ist das Stück von Tomas Schweigen (auch Regie) und dem Ensemble ein Ausloten von Vorstellungen eines generellen faktischen Endes.

Das Stück markiert zudem das Ende des Schauspielhauses als Hotel, jene nun zurückliegende fünfmonatige Phase, in der der Theaterraum als Künstlerhotel fungierte – mit echten Hotelzimmern, aber auch mit Musik-Acts und Performances im umgebauten Saal.

Der Rückbau hat bereits begonnen, einige Treppen und Wände sind schon zerlegt, das Publikum sitzt wieder an gewohnter Stelle mit Blick auf das nunmehrige Pressspandesaster. Alle Schauspieler sind weg, Freizeit! Nur Schindegger macht hier noch seinen ganz persönlichen Kehraus. Zufällig habe er zum Thema Ende auch ein Musikalbum veröffentlicht und schickt sich nun an, dieses zum Besten zu geben. Aber das Keyboard spuckt keinen Ton aus. Er sucht das Ende (!) vom Stromkabel – und wird dieses erst am Ende (!) des Abends gefunden haben.

Erfrieren, verbrennen

Bis es so weit ist, helfen ihm seine doch noch irgendwo in der Nähe sich herumgetrieben habenden Kolleginnen und Kollegen unsanft dabei, seine Ende-Show zu performen. Vera von Gunten, Jesse Inman, Simon Bauer und Sophie Löffler sind ihm allerdings keine große Hilfe. Letztere setzt nach ihrem späten Auftauchen den armen Spieler und sein theoretisches Konzert gar mit der Behauptung unter Druck, sie wäre gerade dabei, selbiges Stück auf der umgekehrten Zeitachse, also rückwärts, zu spielen, und hätte im Unterschied zu ihm zu Beginn ein fulminantes Ende hingelegt.

Ob wir nun irgendwann erfrieren, verbrennen oder in unendlicher Dichte kollabieren, das Ende wird kommen, und es kommt im Schauspielhaus sogar adrett auf zwei Beinen. Der sympathische 75-Minüter hat noch einige andere Überraschungen parat. Er unterwandert Erwartungen, schlägt dramaturgisch Haken, und ist insgesamt ein frischer, kompakter Gedankenaufriss. (Margarete Affenzeller, 13.3.2022)