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Markus Salcher hat in Peking seine Medaillensammlung um zwei Silberne erweitert. Sein Servicemann arbeitet auch als Fliesenleger.

Foto: REUTERS/Gonzalo Fuentes

Markus Salcher ist ein Mann mit Ambitionen. Das ist besonders offensichtlich, wenn man die sportliche Vita des 30-jährigen Kärntners betrachtet: sieben Paralympics-Medaillen, zig WM-Medaillen und Weltcuperfolge. Ski alpin ist sein Metier, dort ist Salcher einer der erfolgreichsten Para-Sportler Österreichs. Beschränken sich die Ambitionen aufs Sportliche, sind sie meistens fad, weil austauschbar. "Ich will, dass zumindest jeder den Unterschied zwischen Paralympics und Special Olympics kennt", sagte der Skifahrer im Vorfeld der Wettkämpfe in Peking. An den ersten beiden Tagen holte er zwei Silbermedaillen (Abfahrt und Super-G), im Riesentorlauf will er auch starten.

Vielleicht ist es die Erfahrung, auf die Salchers Offenheit zurückzuführen ist. Vielleicht aber auch nicht. Einen Großteil seines Lebens widmete der Kärntner dem Sport, dem Kampf um die schnellste Zeit und allen Strukturen, die damit verbunden sind. Sein Horizont ist nicht auf Ergebnislisten beschränkt, er ist einer, bei dem der Sport nicht nach dem Wettkampf aufhört.

Man glaubt ihm, wenn er im breiten Kärntner Dialekt über Schwachstellen im Verband spricht, wenn er sich wundert, warum ein chinesischer No-Name fast plötzlich paralympisches Gold in China holt, oder wenn er von seinem Servicemann erzählt, der sich neun Monate ums Material kümmert und den Rest den Jahres Fliesen verlegt. Man glaubt ihm vor allem, dass es Salcher dabei nicht um das Vorankommen, das Scheinwerferlicht geht. Der großgewachsene Speedspezialist eckt an, ohne sich im Krampf zu verlieren, ist kein Nörgler des Nörgelns wegen. "Ich bin ja einer der Erfahrensten im Team", sagt er, wenn er erzählt, welchen Teamkollegen er in China noch zuschauen will. Es wirkt, als wäre Salcher beliebt. Nach den Super-Gs am Sonntag steht er noch länger mit dem 16-jährigen Johannes Aigner neben der Zieleinfahrt.

Nassfeld und China

Salcher ist seit seiner Geburt halbseitig gelähmt. Man sieht, dass es der einen Körperseite an Stabilität fehlt, wenn es im hohen Tempo die Piste runtergeht. Das Spezielle seiner Behinderung bestimmt den Rahmen für die Auswahl der Renndisziplinen: "In den Speeddisziplinen tue ich mir mit meiner Behinderung am leichtesten. Im Slalom ist Schnellkraft gefragt, und die kann ich mit meinem rechten Bein nicht aufbringen. In der Abfahrt kann ich in der Hocke sein, das funktioniert recht gut, im Super-G sind langgezogene Kurven, das geht auch noch. Im Riesentorlauf wird es schon kritisch", sagte er in einem STANDARD-Interview.

Salcher hat zwei Brüder, kommt aus einer Ski-Familie (der Vater Skilehrer und Skitrainer) und aus Tröpolach, dem Kärntner Ort mit dem vielleicht kärntnerischsten Namen. Auf Skiern stand der kleine Markus schon mit zweieinhalb Jahren, das Nassfeld, aufgrund der Nähe, war das Skigebiet der Wahl. Zu Beginn bestreitet er noch Rennen in nicht-behinderten Klassen, ehe er mit 13 Jahren für den Behindertensport entdeckt wird. Die Matura legt er im Oberstufenrealgymnasium für Leistungssport in Klagenfurt ab; etwas Außergewöhnliches für einen Menschen mit Behinderung. Später studiert er Kommunikationswissenschaften in der Kärntner Landeshauptstadt.

Akribie und Diskussion

Jetzt steht Salcher im Zielraum der Speedstrecke in Yanqing, China. Seine Souveränität ist jedenfalls auf seine Erfahrung zurückzuführen: "Ich freue mich sehr über die Silbermedaille. Der Super-G-Lauf war fast besser als die Abfahrt gestern", sagt er. Das Stirnband sitzt, unter der Stoppelfrisur blitzt die Kopfhaut hervor. Salcher ist ein akribischer Skifahrer, keiner, der dem Zufall die Linie überlassen will, keiner, der sich auf seinem Talent ausruht. Die Strecke studierte er im TV schon bei den olympischen Rennen.

Dass es trotz des "besseren Laufs" nur für die Silbermedaille gereicht hat, lag am Chinesen Jingyi Liang. Der Super-G-Sieger qualifizierte sich vorwiegend über Rennen in Asien für die Paralympics. Diskussionen gab es um seine Klassifizierung: "Auf dem Papier haben wir die gleiche Behinderung. Aber er wurde innerhalb kürzester Zeit viermal neu eingestuft", sagte Salcher. Ergänzte aber: "Klar ist es für mich ärgerlich. Aber er ist am Start und ein verdienter Sieger."

Mögliches Cortina

Waren das die letzten Paralympics für den 30-Jährigen? "In Cortina bin ich 34. Wenn die Rückendeckung weiter so gegeben ist, ich verletzungsfrei bleibe und mir das Skifahren weiter so viel Spaß macht, kann ich es mir durchaus vorstellen." Und hoffentlich kennt bis dahin jeder den Unterschied zwischen den Paralympics und den Special Olympics. (Andreas Hagenauer aus Yanqing, 7.3.2022)