Petra Kleinert ist Heike Schäffer, auch in den neuen Folgen von "Mord mit Aussicht", ab Dienstag, 20.15 Uhr, ARD.

Foto: ARD/Frank Dick

Neue und alte Truppe: Marie Gabler (Katharina Wackernagel, li.) bespricht mit Heino Fuß (Sebastian Schwarz, Mi.) und Jenny Dickel (Eva Bühnen, re.) den aktuellen Fall. Heike Schäffer (Petra Kleinert) und Hans Zielonka (Michael Hanemann) sind ganz Ohr.

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Ein Bild aus längst vergangenen Tagen: Muschi und Bär (Bjarne Mädel) in "Mord mit Aussicht".

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Dietmar Schäffer (Bjarne Mädel) und Sophie Haas (Caroline Peters) im Einsatz um Land und Leben: "Mord mit Aussicht".

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39 Folgen lang war Petra Kleinert in "Mord mit Aussicht" "die Muschi". So genannt von ihrem Gatten Dietmar Schäffer, Polizeiobermeister von Hengasch, Kreis Liebern, und dargestellt von Bjarne Mädel. Muschi sagte zu Dietmar "Bär", und zusammen führten sie eine gefestigte und – solange Bär Muschis striktes Regelwerk befolgte – auch freudvolle Beziehung.

In diesem Gespann waren Kleinert und Mädel zwischen 2008 und 2014 vor allem aber Teil einer Kultserie, die mit Caroline Peters als ins Eiffel-Kaff strafversetzter Kommissarin auf selbstironische Weise deutsche Eigenheiten, einschließlich deren Krimileidenschaft, auf spitze Art verarschte und damit zu Recht als erfreulichste Satireproduktion seit "Kir Royal" gilt. Acht Jahre später kommt die ARD-Serie am Dienstag mit neuen Folgen. Geändert hat sich praktisch alles. Katharina Wackernagel ist die neue Kommissarin. Von der Originalbesetzung ist bis auf wenige Ausnahmen nur Kleinert geblieben.

STANDARD: Caroline Peters sagte, Komödie ist das Schwerste. Stimmen Sie ihr zu?

Kleinert: Ich habe das auch immer so empfunden, ja. Das Publikum auf etwas Ernstes einzustimmen ist einfacher, weil moralische Aspekte eine Rolle spielen. Wie bringt man jemanden zum Lachen? Es funktioniert, wenn etwas passiert, was für denjenigen oder diejenige in dem Moment nicht so gut ist, und da sind wir auch schon bei der Bananenschale. Eine gute Komödie muss außerdem tragisch unterfüttert sein.

STANDARD: Muschi ohne Bär, das hat eine Tragik von fast unvorstellbarem Ausmaß. Wie schwer war es für Sie?

Kleinert: Erstens ist viel Zeit dazwischen vergangen, weshalb es mir möglich war, die Serie komplett neu zu betrachten. Mir war wichtig, dass diese Figur andere Töne dazubekommt. Sie hat eine andere Tragik, andere Lebensspuren. Die Welt hat sich weitergedreht, Heike ist immer noch ein sehr starker Mensch, der nichts anderes kann, als im Leben zu stehen. Unser Regisseur sagte bei der Maskenprobe, Heike ist etwas verblasst, sie tritt ein Stück zurück. Mit diesem Bild kann ich viel anfangen. Das heißt nicht, dass sie sich nicht mehr in alles einmischt und überall ihren Senf dazugibt, aber vielleicht tut sie das in einer erwachseneren, ihrem Alter entsprechenden Weise.

STANDARD: Wieso hat man sich entschieden, eine Fortsetzung zu machen – obwohl doch maßgebliche Personen wie Bjarne Mädel, Caroline Peters und Meike Drosten nicht zur Disposition standen?

Kleinert: Ein langer Prozess: 2014 war es so, dass ich – und wahrscheinlich wir alle – erschöpft war. Es waren 39 Folgen und ein Film. Ich kann nur für mich sprechen, aber ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn sie die Serie neu besetzt hätten. Der Wunsch des Senders nach einer Neubelebung war immer da, die Fans wollten auch, dass es weitergeht; es gab viele Wiederholungen. Vor zweieinhalb Jahren gab es neue Bücher, ich wurde gefragt, las sie – und sie überzeugten mich.

STANDARD: Was hat Sie überzeugt?

Kleinert: Wie alle Figuren neu aufgestellt sind, wie die Nebencharaktere ein eigenes, ganz anderes Leben haben. Einzelne haben sich verändert, davor waren es liebenswerte Eigenbrötler, jetzt sind sie oft etwas unfreundlicher und abweisender.

STANDARD: Auch Heike tritt mit nicht gekannter Härte auf. Wieso hat es diesen ernsteren Ton gebraucht?

Kleinert: Die Figuren werden insgesamt ernsthafter geführt. Wir wollten uns weiterentwickeln, heutiger sein und mehr Tiefgang haben. Ich finde das sehr gelungen.

STANDARD: Ein mutiger Schritt. Die Zuschauer erwarten mehr vom Humor von damals. Das ist es nicht. Es geht stärker um die Fälle und weniger um die Schrullen der Landbewohner.

Kleinert: Das finde ich gut. Eine Fortsetzung ist immer schwer, irgendwann ging es nur noch ums Privatleben, und auf einmal waren die Figuren ohne Halteseil, sie waren nirgendwo verankert. Der Kriminalfall strukturiert das Privatleben, die Figuren und deren Schrulligkeit. Spannung aufzubauen ist wichtig, ansonsten machen wir Kabarett.

STANDARD: Die Stärke der Serie war eine gewisse Überzeichnung des deutschen Wesens und deutschen Landlebens. Gibt es ein Vorbild zu Heike?

Kleinert: Nein. Aber ich weiß, dass die Serienerfinderin Marie Reiners sehr wohl Vorbilder hatte. Natürlich ist die deutsche Spießigkeit wunderbar zu persiflieren, wobei ich spezielle Figuren aus Österreich auch kenne. Frauen, die überall sind, sich überall einmischen und alles wissen, die gibt’s überall.

STANDARD: Sie sind doch mehrheitlich im komischen Fach zu Hause. Wollten Sie da hin?

Kleinert: Das hat sich im Leben so entwickelt. Es begann vor ungefähr 20 Jahren, nachdem ich für das ZDF die Serie "Jetzt erst Recht" drehte, in der ich eine Schöffenrichterin spielte. Danach kamen immer mehr komische Rollen. Und weil ich nicht dem Schönheitsideal des deutschen Fernsehens entspreche, spielte ich nicht die Verführerin, sondern wechselte zur Komödie. Das ist so, wie es ist, und hat mir nicht geschadet. Ich mag das Komische, und als junger Mensch war das für mich die besondere Herausforderung: Was ist, wenn keiner lacht? Dadurch habe ich unglaublich viel gelernt und versucht, aus allem etwas zu machen.

STANDARD: Hört sich anstrengend an.

Kleinert: Es gab tatsächlich eine Phase, in der man mir Rollen angeboten hat, die gar nicht so klein waren, aber so langweilig! Und ein ums andere Mal hörte ich den Satz: Können Sie nicht was draus machen? Das ist auf der einen Seite eine schöne Erwartung, aber auf der anderen Seite hätte ich gerne auch einmal eine Rolle, bei der das Buch stimmt und ich mir nicht irgendwie noch ein Gebrechen oder einen Tick oder irgendein anderes Defizit ausdenken muss, damit das Ganze einen Witz bekommt. Aber darüber lernt man so wahnsinnig viel. Das Allerwichtigste bei der Komödie ist komplette Uneitelkeit. Äußerlich wie innerlich.

STANDARD: Uneitle Schauspieler – gibt’s die?

Kleinert: Es hat mit einer Demut zu tun. Man steht vorne, und man steht als Figur. Zum Teil ist das eine große Überwindung, deshalb leiden wir alle an Lampenfieber. Wären wir nur eitel und würden alles cool finden, würden wir auf die Bühne rausgehen und sagen: Was kostet die Welt! Es ist eine heikle Angelegenheit, die wir hier machen, und wir dürfen das Publikum niemals unterschätzen.

STANDARD: Und dann muss man es auch aushalten, wenn man beim Einkaufen Muschi gerufen wird. Wie oft ist Ihnen das passiert?

Kleinert: Ein einziges Mal, bei Ikea mit meiner Mutter. Da rief einer von hinten ganz laut "Muschi!". Ich nehme an, sich das zu trauen kostete ihn auch eine gewisse Überwindung.

STANDARD: Die Staffel hat in gewisser Weise einen Abschluss. Ist das nun das definitive Ende?

Kleinert: Überhaupt nicht. Ich glaube, die Produktionsfirma denkt schon sehr eifrig darüber nach, wie es weitergehen könnte.

STANDARD: Sie sind bereit?

Kleinert: Ja klar, aber in allererster Linie müssen uns die Leute wollen.

STANDARD: Wo ist Bär?

Kleinert: Das klärt sich im Laufe der Folgen. (Doris Priesching, 8.3.2022)