Was Gleichstellung betrifft, stehen die Frauen in Österreich vor völlig unterschiedlichen Situationen. Aktuelle Zahlen zeigen ganz deutlich: Je kleiner eine Gemeinde ist, desto niedriger ist der Grad an Gleichberechtigung, sprich: Die Lohnschere ist größer, Kindergärten machen früher zu, und Gemeinderäte sind männlicher. Trotzdem schaffen auch kleinere Orte Infrastrukturen, von denen Frauen profitieren.

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Ernüchterung in Weerberg

Frauen haben es in der Tiroler Lokalpolitik schwer. Die Liste "Neues für Weerberg" hat es versucht. Von links: Patricia Bonapace, Jacqueline Pedrotti, Beatrix Szloboda und Elisabet Braun.
Foto: Neues für Weerberg

Am Ende waren es zwölf Stimmen zu wenig. Dieses Dutzend Kreuzerln fehlte Beatrix Szloboda und ihren drei Mitstreiterinnen von der SPÖ-Liste "Neues für Weerberg" auf ein Mandat im Gemeinderat. Die vier Frauen waren angetreten, um in der 2500-Seelen-Gemeinde Weerberg dem Männerüberschuss im Rathaus etwas entgegenzusetzen. "Wir haben nur 20 Prozent Frauenanteil im Gemeinderat, darum traten wir als rein weibliche Liste an", erklärt Spitzenkandidatin Szloboda. Sie ließ sich auch als Bürgermeisterin-Kandidatin aufstellen und forderte den Amtsinhaber heraus. In dieser getrennten Direktwahl schaffte sie knapp 30 Prozent der Stimmen – ein Achtungserfolg. Der Bürgermeister wurde mit satter Mehrheit von 70 Prozent im Amt bestätigt.

"Davon haben wir als Liste wenig, diese Stimmen hätten wir für den Gemeinderat benötigt", ist Szloboda enttäuscht. Sie habe gehofft, "dass Frauen Frauen mehr unterstützen". Zumindest habe der Zuspruch, den sie und ihre Kolleginnen im Zuge des Wahlkampfs erhalten hatten, diese Hoffnung genährt. "Dem war leider nicht so. Man sieht halt, wo wir daheim sind: in Tirol, auf dem Land, im Dorf", zählt die erfahrene Regionalpolitikerin die vermeintlichen Gründe für das Scheitern auf.

Feministischer Kulturschock in Tirol

Seit 20 Jahren engagiert sich Szloboda politisch. Von der Betriebsrätin hat sie es bis zur Bezirkssprecherin der SPÖ-Frauen in Schwaz gebracht. Nur die Sache mit dem Gemeinderat will nicht klappen: "Vor sechs Jahren hatten wir elf Stimmen zu wenig. Damals aber noch nicht als reine Frauenliste." Dass die vier, die heuer kandidierten, zudem nicht das Label "Ur-Weerbergerinnen" tragen, habe die Sache zusätzlich verkompliziert, glaubt Szloboda.

Jacqueline Pedrotti nickt zustimmend. Sie stammt aus Ostdeutschland und kandidierte auf Szlobodas Liste, um in ihrer Wahlheimat Tirol feministische Entwicklungshilfe zu leisten: "Für mich als Ostfrau war das Hierherkommen ein Kulturschock. Brandenburg ist viel weiter, was Gleichstellung angeht." Fehlende und viel zu teure Kinderbetreuungsangebote sind für Pedrotti das drängendste Thema: "Frauen sind hier viel zu oft von ihren Männern abhängig. Und wenn sie selbst arbeiten gehen, bleibt vom Gehalt kaum was übrig, weil sie alles für die Kinderbetreuung ausgeben müssen."

Daneben ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs für die Frauenliste ein Hauptthema. Denn Mobilität an den Besitz eines Autos zu knüpfen erschwere auf dem Land vor allem Frauen die Unabhängigkeit im Alltag. Das dritte große Anliegen ist den vieren die Versorgung der Alten und mehr Angebote für die Jugend. "Weil all das sonst wieder bei den Frauen hängenbleibt", erklärt Szloboda.

Warum es dennoch nicht für die nötigen 92 Stimmen gereicht hat, um wenigstens ein Mandat zu erringen? "Vielleicht sind die Frauen so zufrieden, dass sie gern Männer über sich bestimmen lassen?", sagt Szloboda und macht keinen Hehl daraus, dass "diese Niederlage deprimierend" sei. Tirolweit sank die Zahl der Gemeinderätinnen nach dem Urnengang am 27. Februar sogar wieder. "Vielleicht sind wir einfach die falschen vier gewesen", grübelt die Listenführerin. Zumindest habe ihr Beispiel aber jungen Frauen und Mädchen im Ort gezeigt, dass die Wahlplakate nicht allein den Männern vorbehalten sind und auch Frauen mitbestimmen wollen. Diese Hoffnung haben die vier, denn sie "überlegen ernsthaft, ob wir uns das in sechs Jahren noch einmal antun wollen. (ars)

Vorbildwirkung in Krieglach

Seit 19 Jahren Bürgermeisterin: Regina Schrittwieser.
Foto: Alexander Danner

Eine Ikone der feministischen Linken wird Bürgermeister Regina Schrittwieser wohl nicht. "Bürgermeister": So steht es auf ihrem Türschild im Krieglacher Rathaus, auf der Website der Gemeinde – und so nennt sie ihren Job auch selbst. "Ich tät mich nicht als Feministin bezeichnen", sagt Schrittwieser. Und dennoch: Laut dem Gleichstellungsindex des Städtebunds ist die kleine Gemeinde in der Obersteiermark gleichauf mit Städten wie Innsbruck oder Eisenstadt. Schrittwieser führt die Gemeinde seit 19 Jahren hin zu mehr Chancen für Frauen, "das ist für mich einfach logisch. Wenn’s den Frauen gutgeht, geht’s den Männern auch gut".

Dafür sorgen im Krieglacher Gemeinderat 14 Frauen und elf Männer. Die Gemeinderätinnen haben also eine solide Mehrheit. "Ich glaube schon, dass viele sagen: Wenn sie das geschafft hat, dann kann ich es auch", sagt Schrittwieser über ihre Vorbildfunktion für andere Kommunalpolitikerinnen. Ihre "Namensliste Schrittwieser" ist mit ihren 20 Mandaten hauptverantwortlich für die ausgesprochen gute Vertretung weiblicher Perspektiven in der Krieglacher Politik. Schrittwieser ist sicher, dass hier mit Frauen in der Gemeindepolitik anders geredet wird als in männlich dominierten Gemeinden. "Vielleicht haben bei mir die Männer ein Problem", sagt die Bürgermeisterin, lacht herzlich und versichert gleich, dass es sicher nicht so sei.

Von der Pflege entlastet

Das merkt man auch. Zum Beispiel bei der Pflege: Seit Jahren hat Krieglach ein Pflegeheim, das über eine eigene Konstruktion allen Gemeinden im Bezirk gehört. Direkt daneben ist schon unter Schrittwiesers Vorgänger ein Zentrum für betreubares Wohnen entstanden, sie hat es auf 72 Einheiten ausgebaut: Ältere Menschen leben dort eigenständig in barrierefreien Wohnungen, bei Bedarf gibt es Pflegeangebote. Und: Wer will, kann im Pflegeheim nebenan zum Essen kommen. Das beseitige oft Berührungsängste, erzählt die Bürgermeisterin: Die Seniorinnen und Senioren kennen schon die Leute und das Personal – und wenn der Pflegebedarf größer wird, fällt der Umzug ins Heim leichter. "Das ist eine riesige Entlastung für die Familien", sagt Schrittwieser – besonders für die Frauen, die sich meist um die Pflege kümmern.

Auch bei der Kinderbetreuung ist Krieglach Vorreitergemeinde. Schon früh habe sie ein Nachmittagsprogramm für die Schulen in der Gemeinde eingerichtet. Und zwar mit einer Pädagogin und einer Betreuungsperson – damit auch wirklich alle Kinder schon die Hausaufgaben erledigt haben können, wenn sie heimkommen. Nur ganz wenige Eltern in Krieglach wünschen sich allerdings eine ganztägige Betreuung, erzählt die Bürgermeisterin – die meisten wollen ihre Kinder am Nachmittag wieder abholen. Und auch diesen Job erledigen die Frauen: Beim Lokalaugenschein warten vor der Volksschule im Ortszentrum fast nur Frauen auf die Kinder.

Seit zwei Jahren gibt es nun auch eine Krippe in Krieglach. Die Kindergärten werden laufend ausgebaut: 135 Plätze gibt es derzeit, im Herbst kommt noch eine Gruppe dazu. So schnell, wie junge Familien nach Krieglach ziehen, lässt sich ein neuer Kindergarten nicht bauen. Deswegen schaut sich Schrittwieser gerade Containerlösungen an. Bei den Kindergärten hat Schrittwieser gemerkt, wie Angebot Nachfrage schaffen kann. Vor einigen Jahren führte sie ein besonders flexibles Modell für Nachmittage im Kindergarten ein: Eltern konnten ihre Kinder tageweise in der Einrichtung lassen, an anderen Tagen schon zu Mittag abholen – wie es für sie eben gepasst hat. "Ich hab nach dem ersten Jahr geglaubt, wir müssen es wieder lassen – teilweise war da nur ein einziges Kind." Aber schon im zweiten Jahr waren die Gruppen auch nachmittags ausgelastet.

Um auch die kleinen Krieglacher für die Kommunalpolitik zu begeistern, hat Schrittwieser übrigens einen Kindergemeinderat eingeführt. Neben Ausflügen und Workshops wählen die Kinder auch gleich zwei Führungskräfte aus ihrer Mitte: einen Bürgermeister – und eine Bürgermeisterin. (sefe)

Tweng verliert seine Frauen

Gähnende Leere in Tweng.
Foto: Stefanie Ruep

Twengs Bevölkerung schrumpft. Heute leben nur noch 245 Menschen in der kleinsten Lungauer Gemeinde, vor zehn Jahren waren es noch 488. Besonders Frauen haben dem Ort zuletzt den Rücken gekehrt. Allein im Jahr 2020 hat Tweng laut der Salzburger Landesstatistik 7,6 Prozent seiner Bürgerinnen und somit landesweit den höchsten Anteil an Frauen verloren. Anfang 2020 wohnten noch 131 Frauen in der Tourismusgemeinde. 24 Frauen sind weggezogen, 14 zugezogen – also verlor Tweng im Laufe des Jahres zehn weitere Frauen.

Beim Lokalaugenschein am Vormittag wirkt die Ortsmitte ausgestorben, während sieben Kilometer weiter im Skigebiet Obertauern, das zur Hälfte ebenso zu Tweng gehört, der Ansturm auf die Lifte und Skibars enorm ist. Im Ortszentrum, das neben dem Gemeindeamt aus einer Volksschule, einer Feuerwehr, einer Kirche und zwei Selbstbedienungszapfsäulen besteht, bleiben nur die verwaisten Autos der Skigäste mit Kennzeichen aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden zurück. Es ist eine Durchfahrtsgemeinde. Nur eine Handvoll Hotels und einige Einfamilienhäuser säumen die Katschbergstraße, die direkt durch das Ortszentrum führt. Es gibt keinen Nahversorger, Bäckerei oder Geschäfte im Ort und daher hochgeklappte Gehsteige am Vormittag.

Fehlende Teilhabe

Grundsätzlich gibt es im Bundesland Salzburg um ein Prozent mehr Frauen als Männer. Doch vor allem in den kleinen Gemeinden, wie Tweng oder Thomatal, gibt es einen Männerüberhang. Dass Frauen vor allem aus solch kleinen Gemeinden wegziehen, wundert Ines Fingerlos vom Lungauer Frauennetzwerk nicht. Oft gebe es hier auch eine Binnenwanderung in die nächstgrößeren Gemeinden. "Eine Urbanisierung im Kleinen. Die großen Gemeinden saugen die kleinen auf", sagt die dreifache Mutter und Soziologiestudentin. Im Rahmen einer Summer School hat sie sich im Vorjahr zusammen mit 25 Studierenden aus unterschiedlichen Disziplinen mit den Geschlechterarrangements im Lungau auseinandergesetzt.

Ein Grund für die weibliche Landflucht sei etwa fehlende Teilhabe für junge Menschen abseits des traditionellen Vereinslebens. "Man hat den Eindruck, dass die Frauen im Lungau das meiste schupfen, aber in der ersten Reihe stehen immer die Männer", sagt Fingerlos. Die Frauen leisten vor allem sehr viel ehrenamtlich ohne Bezahlung. Hinzu kämen eine starke Bildungsexpansion und fehlende berufliche Perspektiven sowie eine schlechte Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, erläutert Fingerlos vom Frauennetzwerk. Als Frau müsse man sich auf dem Land bedanken, wenn es einen Kindergarten gibt.

In der Gemeindestube will man der Statistik nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Es habe keinen Zusammenhang, ob in einem Jahr mehr Frauen oder Männer wegziehen in einem so kleinen, touristisch geprägten Ort. Die Jugend wolle eben nicht immer in die Fußstapfen der Eltern treten, heißt es aus dem Gemeindeamt. Im Gemeinderat ist genau eine Frau vertreten.

"Das Problembewusstsein ist nicht da", sagt Ines Fingerlos. Das Frauennetzwerk weise bereits seit zehn Jahren auf das Problem im Lungau hin. "Wenn die Frauen gehen, stirbt das Land", zitiert sie die Raumforscherin Gerlind Weber. Doch Regionalpolitiker hätten das noch nicht verstanden und machen eher Politik für Männer, sagt die Soziologiestudentin. "Das ist kurzsichtig. Am Ende sitzen sie in einem leeren Ort." (ruep, 8.3.2022)