Die Wiener Frauenstadträtin Kathrin Gaál hat Wienerinnen befragen lassen, wie sie durch die Pandemie gekommen sind – und das Ergebnis kann man durchaus als repräsentativ für ganz Österreich ansehen: Die Pandemie hat die alten Rollenbilder verfestigt. Frauen managten die Mehrfachbelastung durch Homeoffice, Homeschooling, Krankenpflege hauptsächlich allein – selbst wenn sie Vollzeit arbeiten. Junge Frauen belasten zusätzlich die zunehmenden Spannungen in Familien. Ältere zogen sich zurück, wurden nahezu unsichtbar. Gleichzeitig haben sich Frauen besonders gründlich an die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gehalten und waren auch mehrheitlich sehr gewissenhaft beim Impfen. Das ist die eine Seite.

Frauen fühlten sich in der Pandemie oft allein.
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Auf der anderen Seite beobachtet der Staatsschutz, dass auffallend viele Frauen an den teils verstörenden Demonstrationen gegen die Impf- und Corona-Maßnahmen teilnehmen, auch an vorderster Front. Diese Widersprüchlichkeit ist nicht so absurd, wie sie auf den ersten Blick aussehen mag. Einerseits sind Frauen immer noch hauptsächlich für die Gesundheit und das Wohl ihrer Familien "zuständig" – oder empfinden das zumindest so. Andererseits fühlten sie sich gerade in dieser Pandemie bei dieser Aufgabe alleingelassen und überfordert. Für Omar Haijawi-Pirchner, den Leiter der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), lässt sich der Grund für die relativ hohe Zahl an Demonstrantinnen in einem Satz zusammenfassen: "Die Frauen sind verzweifelt."

Nicht ernst genommen

Das darf jetzt niemanden verwundern. Jahrzehntelang hat die evidenzbasierte Medizin Frauen als Patientinnen nicht ernst genommen – bis heute. Etwa Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen sowie Schlaganfälle äußern sich bei Frauen symptomatisch anders als bei Männern – und werden, oft von männlichen Ärzten, häufig übersehen. Ganz zu schweigen von der Tendenz, weibliche Beschwerden als "psychosomatisch" abzutun. Da ist es keine Überraschung, dass sich Frauen in den vergangenen Jahren zunehmend nach Alternativen – und alternativer Medizin – umsahen.

Dazu kommen chronisch-systemische Benachteiligungen bei Einkommen und Karrieremöglichkeiten, durch den Mangel an ganztägiger Kinderbetreuung und so weiter und so fort: All das trat in der Pandemie noch verschärft zutage.

Es sind, wie der Staatsschutz-Chef betont, in den allerwenigsten Fällen Frauen, die bei Corona-Demos gewalttätig auftreten und aggressiven Hass im Internet verbreiten. Aber das ist sicherlich kein Grund, untätig zu bleiben.

In der Aufarbeitung der Pandemiefolgen sind daher alle gesellschaftlich relevanten Bereiche gefordert, ihre Lehren daraus zu ziehen: das Gesundheitssystem genauso wie die Arbeitsmarktpolitik, die Schule ebenso wie die elementare Kinderbetreuung – und nicht zuletzt den Gewaltschutz. Allen gemeinsam muss ein Hauptanliegen sein, dass Frauen nie wieder in Krisensituationen so an den Rand gedrängt und marginalisiert werden wie in dieser Pandemie. (Petra Stuiber, 7.3.2022)