Noch ist es kalt. Oft muss im Außenbereich von Gastwirtschaften mit Heizpilzen nachgeholfen werden. Das verwendete Gas stammt überwiegend aus Russland. Nun wird Ersatz gesucht, nicht zum ersten Mal.

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Da war doch was? Wenn dieser Tage angesichts der starken Abhängigkeit Europas von Energie- und insbesondere Gaslieferungen aus Russland von Diversifizierung der Bezugsquellen gesprochen wird, dämmert dem einen oder der anderen vielleicht, dass es diesen Versuch schon einmal gab. Es ist fast 20 Jahre her, hat mit der Wiener Staatsoper zu tun und mit Nabucco.

Die Verdi-Oper war Namensgeber eines Projekts, mit dem vorgesehen war, Gas aus der kaspischen Region über die Türkei vor die Tore Wiens zu bringen. Einer der Hauptakteure war die OMV mit damals noch Wolfgang Ruttenstorfer an der Spitze. Es war ein schicksalhafter Abend im Oktober des Jahres 2002, als sich höchste Vertreter führender Energiekonzerne Bulgariens, Rumäniens, Ungarns und der Türkei auf Einladung der OMV gemeinsam die berühmte Oper von Giuseppe Verdi im Haus am Ring anhörten.

Verdi-Oper als Namensgeberin

"Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht", sang der Gefangenenchor auf der Bühne. Getragen vom Pathos der Oper über die Befreiung Israels aus der babylonischen Knechtschaft, nannten die Manager ihr am Nachmittag diskutiertes Pipelineprojekt Nabucco. Die Röhre sollte, so der Plan, Europa zumindest ein Stück weit aus der Abhängigkeit von Erdgaslieferungen aus Russland befreien. Eine 3300 Kilometer lange Leitung sollte das im Kaspischen Meer reichlich vorhandene Gas bis zum Erdgasknoten Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze bringen, von wo es hätte weiterverteilt werden sollen. Es kam alles anders.

Eine Aufführung von Verdis "Nabucco" an der Wiener Staatsoper diente als Namensgeber für ein Pipelineprojekt der OMV. Groß im Bild: Opernstar Plácido Domingo.
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Schon damals war der Druck von Gazprom groß, dass aus der Leitung nichts wird. Die Ansage, dass man die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen reduzieren wolle, sorgte beim Gasriesen und den politisch Verantwortlichen in Moskau auch in jener Zeit für Ärger. Präsident Russlands war 2002 schon, erraten, ein gewisser Wladimir Putin.

Druck von Gazprom

"Die Russen haben dazu beigetragen, dass aus der Pipeline nichts geworden ist," erinnert sich Walter Boltz, der damals Chef der Regulierungsbehörde E-Control war. "Die war nicht in ihrem Interesse."

Auch andere Experten, die namentlich nicht genannt werden wollen, wissen von Druck auf Energieunternehmen, keine Kapazitäten auf der Konkurrenzpipeline zu buchen und auch keine verbindlichen Zusagen in diese Richtung zu treffen. Solche wären aber notwendig gewesen für die Investitionsentscheidung. Dazu kam es nie.

Selbst Nabucco-West, eine stark verschlankte Version des ursprünglichen Projekts, war zum Scheitern verurteilt. Letztlich mangelte es auch an der notwendigen Unterstützung aus Brüssel für das Milliardenprojekt. Das Aus kam im Juni 2013, da sich Aserbaidschan für das Konkurrenzprojekt TAP (Transadriatische Pipeline) entschieden hatte.

Konkurrenzprojekt TAP

Die TAP ist Ende 2020 in Betrieb gegangen. Sie leitet Gas aus Aserbaidschan, das zunächst ein türkisches Leitungssystem passiert (Transanatolische Pipeline, Tanap), durch Griechenland, Albanien und das Adriatische Meer nach Süditalien. Nach Österreich kommt davon nichts. Argumentiert wurde, dass Griechenland und Italien mehr Geld für das Gas zahlen würden, als in Zentraleuropa verlangt werden könne.

Boltz relativiert die Bedeutung der Nabucco-Pipeline. Mit zehn Milliarden Kubikmeter Gas wäre nur ein Bruchteil dessen nach Zentraleuropa gekommen, was gebraucht wird.

Suche nach Ersatz

Andererseits gab es bereits damals Überlegungen, irgendwann einmal auch Gas aus dem Iran, sofern es die Umstände zulassen, über das Pipelinenetz quer durch die Türkei und den Balkan nach Zentraleuropa zu bringen, wo die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen besonders groß ist. Während die EU-27 an die 40 Prozent des benötigten Gases zuletzt aus Sibirien bezogen haben, hängt Österreich zu 80 Prozent von russischen Gaslieferungen ab, Länder wie Ungarn, Tschechien und Slowakei fast zu hundert Prozent.

Nun wird allenthalben nach Ersatz Ausschau gehalten. Man will gerüstet sein für den Fall, dass Russland als Retourkutsche für die Sanktionen den Gashahn zudreht. Aus Norwegen, dem zweitwichtigsten Lieferanten von Pipelinegas für Europa, könnte noch mehr, wenn auch nicht viel mehr kommen. Hoffnungen beruhen auch auf verflüssigtem Gas (LNG), das per Schiff transportiert wird. (Günther Strobl, 8.3.2022)