Für die einen ist er fast zur Plage geworden, andere sehen in ihm ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche Wiederansiedlung. Der Biber, bis in die 1960er-Jahre in weiten Teilen Europas ausgestorben, hat sich hierzulande prächtig erholt und sorgt zunehmend für Unmut in Wiener Naherholungsgebieten in Gewässernähe. Denn sein Werk ist nicht zu übersehen: Um im Winter über die Runden zu kommen, fällt der Nager Bäume – etwa 50 Stück im Jahr benötigt eine mehrköpfige Biberfamilie.

Verzehrt werden von den Nagern zwar nur Zweige und Bast, aber dazu fällen Biber im Winter viele ufernahe Bäume.
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Bei einem geschätzten Bestand von derzeit 370 bis 400 Exemplaren in Wien führt das gerade im Spätwinter in Ufernähe zu erheblichen Schäden am Baumbestand. Was für Erholungsuchende ein Ärgernis darstellt, nimmt Günther Annerl, Leiter des Wildtierservice der Stadt Wien, gelassen: "Das ist ein anfälliger Bereich", sagt er auf der Donauinsel über den allerorts sichtbaren Biberverbiss. "Aber ich würde es als normal bezeichnen."

An untypischen Stellen

Auf lange Sicht entwickelt sich Annerl zufolge der Bestand des geschützten Tiers in Wien konstant, da alle Reviere besetzt seien. Für erhöhten Populationsdruck sorge der Klimawandel. Die Serie an milden Wintern hat die Sterblichkeit während der kalten Jahreszeit, wie bei anderen Wildtieren auch, gering gehalten. Zu stärker wahrnehmbaren Biberverbiss führt Annerl zufolge, dass sich daher auch mehr erwachsene Jungtiere eigene Reviere suchen müssen: "Dann kommt es vor, dass sie es auch an für Biber untypischen Stellen versuchen."

Dass der Nager dabei auch "Chaos bis zum lokalen Kahlfraß" hinterlässt, berichtet Konrad Fiedler, Leiter des Departments für Botanik und Biodiversitätsforschung an der Uni Wien. Vier Monate pro Jahr ernähre sich der Pflanzenfresser von fünf bis 20 Jahre alten Bäumen, Nahrung sind Zweige und der unter der Rinde gelegene Bast. Übrig bleiben Stämme als sichtbare Folgen einer erfreulichen Bilanz: "Biber haben sich gut angesiedelt."

Aber warum wurde das Nagetier ab Mitte des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen des Kontinents ausgerottet? Aus Fiedlers Sicht gibt es drei Gründe: einerseits wegen des sehr dichten Fells, andererseits wegen des sogenannten Bibergeils, ein fettiges Sekret zur Herstellung von Ölen. "Aber man hat Biber auch sehr gerne gegessen", ergänzt er unter Verweis auf den angeblich guten Geschmack.

Fastenspeise Biberfleisch

Besonders als Fastenspeise sei der Biber von mehr oder weniger frommen Christen einst gerne verzehrt worden, berichtet Fiedler weiter. Nach kirchlicher Auslegung zählte das Fleisch von Tieren mit Schuppen als Fisch und durfte auch während der damals ausgeprägteren Fastenperioden verzehrt werden – mit diabolischen Auswirkungen auf den Biber, dessen Schwanz schuppig ist. "Die Skurrilität ist aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar", meint der Biologe.

Ein Jahrhundert nach der Ausrottung begann in den 1960er-Jahren hierzulande die Wiederansiedlung von Tieren aus Nordeuropa – die immer größere Erfolge aufweist. Mittlerweile hat sich dem Experten der Uni Wien zufolge sogar ein durchgehender genetischer Austausch zwischen den Beständen in Österreich und Süddeutschland gebildet: "Wenn man sich die Biberpopulation ansieht, muss man sagen, wirklich gefährdet ist er nicht mehr."

Zunehmende Ausbreitung

Und das kam so: Pro Jahr setzt ein Biberpärchen zwei bis drei Jungtiere in die Welt, die zwei Jahre lang – also drei Generationen – unter einem Dach im Elternbau zusammenleben. Danach werden sie vor dessen Zugang gesetzt, der zum Schutz vor Räubern stets unter Wasser liegt, und müssen ein eigenes Revier in Besitz nehmen. Im Lauf eines bis zu 20-jährigen Biberlebens kommt also viel Nachwuchs zusammen. Ist in der Nähe kein Revier frei, begeben sich die Jungtiere auf Wanderschaft.

Geknickte Bäume sind an ufernahen Wegen auf der Donauinsel oft zu sehen. Der Biber war’s, der Zweige als Nahrung braucht – Hündin Aza gilt als entlastet.

Dass sie dann gern Dämme bauen, um Wasser aufzustauen, ist eher unüblich. Dies sei Spezialität ihrer nordamerikanischen Verwandten, sagt Fiedler, der europäische Biber bevorzuge vorhandene Gewässer. "Biberdämme sieht man in Österreich eher selten." Wenn doch, dann oft im Oberlauf von Flüssen, was dem Hochwasserschutz zugutekommt. Der Nager bilde Reservestauräume, deren Schaffung durch Menschenhand viel Geld koste. "Der Biber macht es gratis", ergänzt Fiedler.

Können die bis zu 30 Kilo schweren Tiere Menschen oder Hunden gefährlich werden? "Man sollte einen Biber nicht in die Enge treiben, denn er beißt mit Zähnen zu, die Pappeln fällen können", sagt Fiedler – fügt aber hinzu, dass Zwischenfälle mit dem nachtaktiven Nager sehr selten seien. Dafür bestehen Konfliktherde mit gewässernahen Nutzpflanzen, wobei Mais Bibergaumen anscheinend besonders schmeichelt. Andere Probleme würden in Klosterneuburg auftreten, berichtet Fiedler. Näheres dazu weiß die zuständige Bezirkshauptmannschaft Tulln.

Auf der sicheren Seite

Die Reviere an der Donau seien "übervoll", was dazu führe, dass Biber auch den menschlichen Hochwasserschutz bedrohen. Was dann passiert? Laut niederösterreichischer Biberverordnung werden Dämme entfernt, Abflüsse gebaut oder Bäume mit Gittern vor Verbiss geschützt. Bei Gefahr im Verzug dürfen die Tiere umgesiedelt oder sogar getötet werden, was aber bisher nicht nötig gewesen sei.

Zurück zur Donauinsel, wo dieses Schicksal keinem Biber droht, bestätigt Experte Annerl von der Stadt Wien. Vielmehr werden bei Revierkämpfen verletzte Tiere gefangen, gepflegt und wieder ausgesetzt. Sonst müssen sich Erholungsuchende mit den Nagern arrangieren, zumal etliche gefällte Bäume ohnedies wieder austreiben. "Wir können stolz sein, in einer Stadt zu sein, in der es so eine Vielfalt gibt", sagt Annerl. Daher wird man auch künftig auf der Insel Leute sehen, die an ihren Lieblingsplätzen schattenspendende Bäume in Eigenregie mit Gittern schützen. Denn der nächste Sommer kommt bestimmt. (Alexander Hahn, 8.3.2022)