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Zwar werden ein Viertel Liter Wein oder ein halber Liter Bier pro Tag im Verlauf von fünf Tagen noch als "risikoarm" betrachtet, tatsächlich aber haben auch diese Mengen Einfluss auf die Struktur des Gehirns.

Foto: REUTERS/Stefan Wermuth

Die wissenschaftlichen Erfahrungen über den Einfluss von Alkoholkonsum auf unser Gehirn sind eindeutig: Menschen, die viel trinken, müssen mit Veränderungen in der Gehirnstruktur und -größe rechnen – bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen. Nun aber bestätigt eine Studie Ergebnisse aus dem Vorjahr, wonach selbst Alkoholkonsum in vergleichsweise moderatem Ausmaß – ein paar Bier, das eine oder andere Glas Wein pro Woche –, Einfluss auf den Aufbau unsers Gehirns hat: Laut der im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlichten Untersuchung geht mäßiger Alkoholkonsum einher mit einem kleineren Hirnvolumen sowie einer verringerten Masse der grauen und weißen Hirnsubstanz.

Dass chronisch übermäßiger Alkoholmissbrauch der Gesundheit schadet, ist bekannt. Er wird mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, schnellerem Altern und Veränderungen der Gehirnstruktur und -konnektivität in Verbindung gebracht. Allerdings sind die Erkenntnisse darüber bisher widersprüchlich, ob leichter bis mäßiger Alkoholkonsum ähnlich negative Folgen haben können.

Große Stichprobe

Wissenschafter unter Leitung der US-Universitäten Pennsylvania und Wisconsin-Madison untersuchten dies nun in einer riesigen Stichprobe von 36.678 Erwachsenen aus der UK Biobank, einer großen Sammlung von Gesundheitsdaten von rund einer halben Million Menschen aus Großbritannien. "Die Tatsache, dass wir eine so große Stichprobengröße haben, ermöglicht es uns, subtile Muster zu finden, sogar zwischen dem Trinken von einem halben Bier und einem Bier pro Tag", sagt Gideon Nave von der University of Pennsylvania.

Den Daten zufolge seien die negativen Assoziationen zwischen Alkoholkonsum und Gehirnstruktur bei Personen, die durchschnittlich nur ein bis zwei Alkoholeinheiten pro Tag konsumierten, offensichtlich und würden mit steigendem Alkoholkonsum stärker, berichtet das Team von den US-Universitäten Pennsylvania und Wisconsin-Madison. In der Studie galt ein Pint Bier (rund ein halber Liter) oder ein großes Glas Wein (1,75 Deziliter) als zwei Alkoholeinheiten.

Exponentielle Auswirkungen

"Es gibt einige Hinweise darauf, dass die Auswirkungen des Alkoholkonsums auf das Gehirn exponentiell sind", erklärt Erstautor Remi Daviet von der University of Wisconsin-Madison. "Ein zusätzliches Getränk am Tag könnte sich also stärker auswirken als alle vorangegangenen an diesem Tag." Demnach könnte ein Verzicht auf den letzten Drink an einem Abend große Auswirkungen auf die Gehirnalterung haben.

Tatsächlich gehen die Forscher davon aus, dass die Hirnalterung von einer Alkoholeinheit pro Tag im Vergleich zu überhaupt keinem Alkohol rund ein Jahr beträgt. Wenn bei 50-Jährigen der durchschnittliche Alkoholkonsum von einer Alkoholeinheit pro Tag auf zwei Einheiten ansteigt, treten zerebrale Veränderungen auf, die einer Gehirnalterung von zwei Jahren entspricht. Vier Alkoholeinheiten entsprechen bereits einer Alterung von mehr als zehn Jahren.

Die Wissenschafter geben zu bedenken, dass das US-National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism für Frauen, nicht mehr als durchschnittlich ein Getränk pro Tag zu konsumieren. "Bei Männern dagegen sind die empfohlenen Grenzwerte doppelt so hoch. Das sind größere Mengen als jene, die in unserer Studie mit Volumsveränderungen des Gehirns einher gingen", meint Henry Kranzler vom Penn Center for Studies of Addiction.

Weitere Studien zu kausalen Zusammenhängen

Die Autoren betonen allerdings, dass das Studiendesign nicht darauf ausgelegt war, einen kausalen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und der Veränderung der Hirnstruktur nachzuweisen, also eine Ursache-Wirkung-Beziehung zu belegen. In künftigen Untersuchungen und mithilfe von Daten der UK Biobank und anderer großer Datensätze hoffen die Forschenden, diese und weitere Fragen zum Alkoholkonsum zu beantworten.

"Unsere Studie untersuchte den durchschnittlichen Konsum. Wir wollen aber auch mehr über die Folgen erfahren, wenn während der Woche gar kein Bier und dann sieben am Wochenende getrunken werden", sagt Nave. "Es gibt bereits einige Hinweise, dass Alkoholexzesse schlechter für das Gehirn sind, aber wir wollen uns das noch näher ansehen."(red, 9.3.2022)