Wladimir Putin 2010 mit Heinz Fischer bei einem seiner vielen Besuche in Wien.

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Die Szene ist mittlerweile beinahe legendär. 2014, nur vier Monate nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, ist Wladimir Putin in Wien zu Gast und besucht die Wirtschaftskammer. Deren damaliger Präsident Christoph Leitl freut sich in der Begrüßung, Putin bereits das dritte Mal begrüßen zu können – was der russische Präsident mit dem Zwischenruf "Diktatur" kommentiert, der damit für Lacher im Publikum und auf der Bühne – der damalige Bundespräsident Heinz Fischer sitzt neben Putin – sorgt. "Aber gute Diktatur", fügt er wenig später noch hinzu, und spätestens da ist die Stimmung regelrecht gelöst.

Zu einem späteren Zeitpunkt streicht Fischer auch noch lange und liebevoll über Putins Schulter – er hatte wieder für Amüsement gesorgt: Leitl sprach an, dass ein Teil der Ukraine einst zu Österreich gehörte. "Was soll das heißen? Welche Vorschläge haben Sie?", fragte Putin, der wenige Wochen davor russische Soldaten auf der Krim einmarschieren ließ, darauf.

Fischer: Damaliges Verhalten aus damaliger Sicht bewerten

"Es ist mir nicht unangenehm, weil es hat dem damaligen Verhältnis entsprochen", sagte Fischer (SPÖ) am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal". Er stehe dazu, dass Österreich sich während seiner Amtszeit um "gute und sogar freundschaftliche Beziehungen" zu Russland bemüht habe. Er halte das aus der damaligen Perspektive nicht für einen Fehler. "Ob jede einzelne Geste im Lichte der Geschichte heute anders beurteilt wird, das kann natürlich sein. Aber wenn da jetzt der Standpunkt gewechselt wird, dann tu ich nicht mit." Man müsse die damalige Verhaltensweise aus damaliger Sicht und die heutige Verhaltensweise aus heutiger Sicht beurteilen.

Willkommene Stabilität

Zum Thema Abhängigkeit von russischem Gas sagte Fischer: Viele seien froh gewesen, weil die Energielieferungen aus Russland dringend benötigte Stabilität gebracht hätten. "Jetzt entdecken manche, dass das alles falsch war." Über die generelle Russland-Nähe vieler heimischer (Ex-)Politiker und deren Beraterverträge mit russischen (Staats-)Unternehmen sagte das ehemalige Staatsoberhaupt: "Mich hat niemand gefragt ob er einen solchen Beratervertrag annehmen soll. Ich selbst habe das nicht getan. Das muss jeder selbst entscheiden. Ich mache mich nicht zum Richter über Kollegen aus anderen oder aus der eigenen Partei."

Österreich "in guter Gesellschaft"

"Die Wahrheit ist, dass wir jetzt einen Putin kennenlernen, der einen Krieg gegen ein demokratisches Land begonnen hat, was man scharf verurteilen muss", stellte Fischer klar. Von der Kritik von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), man habe Putin den roten Teppich mit Schleimspur in der Wirtschaftskammer ausgerollt, fühlt er sich nicht angesprochen. Kogler habe "einen wichtigen Teil der Wahrheit" vergessen, sagt Fischer zu dessen Statement. "Nämlich dass Österreich seit dem Abschluss des Staatsvertrags immer faire, vernünftige und sogar gute Beziehung mit Russland gehabt hat. Und Österreich war damals in guter Gesellschaft." Es habe 2002 im deutschen Bundestag beispielsweise Standing Ovations am Ende seiner Rede gegeben, weil Putin "etliche vernünftige und mutige Sachen" gesagt habe. (Lara Hagen, 8.3.2022)