Der Richter sah bei der früheren Ministerin Sophie Karmasin Tatbegehungsgefahr. Es gilt die Unschuldsvermutung

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Vergangene Woche hat die Meinungsforscherin und Ex-Ministerin Sophie Karmasin mindestens zweimal ihren nächtlichen Aufenthaltsort gewechselt – unfreiwillig. Nach ihrer Einvernahme vor den Ermittlern wurde sie am Mittwoch vorübergehend festgenommen, am Donnerstag übersiedelte sie dann in die Justizanstalt Josefstadt. Dort sitzt die Beschuldigte in der Causa Studien seit Freitag in Untersuchungshaft.

Der zuständige Haft- und Rechtsschutzrichter, der einst schon Sebastian Kurz wegen des Verdachts auf Falschaussage einvernommen hatte, folgte somit dem Antrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

"Langer Deliktszeitraum"

Als Grund für die Untersuchungshaft hat sie Tatbegehungsgefahr ins Treffen geführt. Die WKStA erhebt den Vorwurf der Untreue, der Bestechlichkeit, der Geldwäscherei und der Preisabsprache bei Vergabeverfahren und sieht eben die Gefahr, dass Karmasin auf freiem Fuß weitere strafbare Handlungen setzen könnte. Das sieht auch der Richter so: Karmasin soll die ihr vorgeworfenen Taten über fünf Jahre hinweg begangen haben, und zwar mindestens "bis in den Sommer 2021 hinein". Die Tatbegehungsgefahr, also der Grund für die Verhängung der U-Haft, kann laut Haft- und Rechtsschutzrichter "hauptsächlich auf den langen Deliktszeitraum gestützt werden".

Dass Karmasin selbst ins Treffen führt, sich seit der Hausdurchsuchung im Oktober 2021 wohlverhalten zu haben, könne diesen Umstand nicht entkräften. Dasselbe gilt für ihre Argumentation, wonach sie unbescholten und sozial integriert sei; auch da beruft sich das Gericht auf die "schwere Vermögenskriminalität während eines längeren Zeitraums".

Auch die Darstellung ihres Anwalts, dass Karmasin "angeblich ohnehin keine öffentlichen Aufträge mehr abwickelt" und sich deshalb sogar beruflich in Richtung Psychiaterin und Lebens- und Sozialberaterin umorientiere, konnte die 55-Jährige nicht vor der U-Haft retten. Sie habe wiederholt "neue Ideen" für strafrechtlich relevante Geschäftsmodelle gehabt und "durchaus kreative Verschleierungsgeschäfte zum eigenen Vorteil entwickelt", heißt es in dem Beschluss zur Verhängung der Untersuchungshaft. Ebenso wenig hat ihr das Argument genützt, dass sie "keinen dringenden Bedarf habe, finanzielle Mittel aufzustellen", weil sie "einen Mann und keine Schulden" habe. Das sei während der inkriminierten Zeiträume auch nicht anders gewesen.

"Kryptische" Aussagen

Was ihr auch angelastet wird: Nicht einmal die Tatsache, dass ein Strafverfahren gegen den ebenfalls in der Sache beschuldigten Thomas Schmid eröffnet wurde und seine Chats ausgewertet wurden, habe sie von einschlägigen Tathandlungen abgehalten.

Damit ist der Ermittlungsstrang rund um Auftragsvergaben an Karmasin gemeint, die sie sich durch Scheinangebote zweier mit ihr bekannten Meinungsforscherinnen organisiert haben soll. Die beiden haben die Ex-Ministerin schwer belastet und eigenes Fehlverhalten eingeräumt, für sie alle gilt die Unschuldsvermutung.

Vor dem Haft- und Rechtsschutzrichter meinte Karmasin, zu diesem Vorwurf der Preisabsprachen wolle sie Verantwortung übernehmen. Sie "müsse sich aber noch überlegen, in welcher Form", schreibt der Richter dazu und bezeichnet diese Formulierung als "kryptisch".

Die übrigen Vorwürfe rund um Studien ihrer früheren Mitarbeiterin Sabine B., die Scheinrechnungen ans Finanzministerium gelegt haben soll, bestritt Karmasin.

So warf sie ihrer früheren Assistentin B. in dem Konnex vor, "einiges völlig missverstanden", "historische Zusammenhänge falsch" aneinandergereiht und "falsche bzw. haltlose unsubstantiierte Behauptungen" angestellt zu haben. Das wiederum wertet das Gericht als "Schutzbehauptung" Karmasins und führt an, dass zahlreiche Dokumente und Chats B.s Darstellung untermauerten.

Die nächste Haftprüfungsverhandlung steht für Karmasin am 18. März an. Sie hat zudem die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen. (gra, fsc, 8.3.2022)