Ein russischer Panzer rückt in der Ukraine vor.

Foto: Imago

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine rollt der Rubel erst so richtig. Die Gas- und Ölpreise sind in den vergangenen Tagen als Folge des Krieges gestiegen, und damit auch die Einnahmen Russlands aus dem Rohstoffverkauf. Der Ökonom Giovanni Sgaravatti hat für den Brüsseler Thinktank Bruegel ausgewertet, wie hoch die Zahlungen aus der EU an den russischen Energiekonzern Gazprom zuletzt waren. Am 22. Februar, zwei Tage vor Kriegsbeginn, wurden 200 Millionen Euro überwiesen. Vergangenen Freitag waren es 800 Millionen.

Diese Zahlen lassen bei vielen Menschen in Europa Unbehagen aufkommen. Ermöglichen wir mit unserem Energiekonsum den russischen Krieg, sorgen unsere beheizten Wohn- und Schlafzimmer erst dafür, dass Putin seine Raketen und Panzer kaufen und einsetzen kann?

Die Deviseneinnahmen Russlands aus dem Verkauf von Rohstoffen sind enorm. Fast 40 Prozent des russischen Staatsbudgets kommen zustande, weil der Kreml die Gewinne der Energieerzeuger abschöpfen kann. Beachtlich ist auch, wie sehr Russlands Exporte auf einige wenige Bereiche konzentriert sind: Das Land exportierte zuletzt Waren im Wert von 407 Milliarden Dollar (370 Milliarden Euro), auf Öl, Gas und Kohle entfallen 60 Prozent davon.

Russland baut die Waffen selbst

Doch mit den Euro und Dollar, die der Kreml da einnimmt, zahlt er keine Raketen. Russland ist nämlich militärisch weitgehend autark. Laut dem Observatory of Economic Complexity, einer Handelsdatenbank, importiert Russland so gut wie keine Waffen. Die Einfuhren in dieser Kategorie beliefen sich zuletzt pro Jahr auf umgerechnet gerade 49 Millionen Euro. Der Großteil davon Faustfeuerwaffen, kein Kriegsgerät.

Das hat einen Grund: Russland ist hinter den USA der weltweit größte Waffenproduzent. Der militärisch-industrielle Komplex beschäftigt mehrere Millionen Menschen. Das Land versorgt nicht nur sich selbst. Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri kamen in den vergangenen fünf Jahren gut 20 Prozent der weltweiten Rüstungsexporte aus Russland. Verkauft werden vor allem Kampfflugzeuge, aber auch Panzer, Raketen, Raketenwerfer und Artillerie. Die meisten Waffen werden laut Sipri nach China, Indien, Algerien und Ägypten exportiert. Die Rüstungsindustrie ist unter der staatlichen Gesellschaft Rostec gebündelt, den Waffenverkauf wickelt eines von deren Tochterunternehmen, die Rosoboronexport, ab.

Hightech, keine Raketen

Was Russland tatsächlich importiert, sind Hightech-Produkte für den zivilen Gebrauch, die auch militärisch genützt werden, wie etwa Mikrochips. Laut einem aktuellen Bericht des Congressional Research Service, des Thinktanks der US-Parlamentarier, hat sich Russland in den vergangenen Jahren allerdings "einigermaßen erfolgreich" unabhängig von diesen Importen gemacht. Dazu gab es auch keine Alternative, infolge eines Embargos für Waffen und bestimmte Dual-Use-Güter, also Produkte, die militärische und zivile Verwendung finden. Verhängt wurde dieses Embargo von den USA und der EU 2014, nach der Annexion der Krim.

Die wenigen Hightech-Komponenten, die Russland noch braucht, importiert es demnach vor allem aus China, Taiwan und Malaysia.

Wenn wir also nicht Putins Panzer zahlen, bezahlen wir dann mit den Devisen für Energielieferungen seine Soldaten? Nein. Die russische Armee zahlt den Sold in Rubel aus, ebenso wie die Rüstungsindustrie die Arbeiter in Rubel bezahlt. Um an die eigene Landeswährung zu kommen, braucht Moskau keine Devisen. Die Nationalbank kann unbegrenzt Rubel zur Verfügung stellen. Dazu kommt, dass Russland jene Rohstoffe, die es für den Krieg braucht, allen voran Öl, selbst produziert. "Der Gedanke, dass ausländische Währungen das Militär finanzieren, ist fast gänzlich falsch", sagt der Ökonom Andrew Watt von der deutschen Hans-Böckler-Stiftung.

Was allerdings stimmt, ist, dass die westlichen Zahlungen für Energie dem russischen Staatschef Wladimir Putin dabei helfen, die Kriegsfolgen vor der eigenen Bevölkerung zu kaschieren. Eine große Rüstungsindustrie bedeutet, dass Russland weniger zivile Güter herstellt und diese importieren muss. Dafür braucht es Euro und Dollar. Neben Automobilen und Maschinen zählen Medikamente zu den wichtigsten Importgütern. Ohne Devisen könnte der Staat das nicht leisten.

Dazu kommt, dass der Staat zwar Rubel beliebig ausgeben kann, damit steigt aber das Inflationsrisiko. Ein weiteres Problem spricht der Ökonom Mario Holzner vom Osteuropainstitut Wiiw an. Wenn Russland das Inflationsproblem nicht ignorieren will, müsste das Land den Entfall von Deviseneinnahmen aus dem Ausland im Inland kompensieren. Durch neue Steuern wäre das möglich. Doch diese einzuheben, während die Wirtschaft durch die Sanktionen schon in der Krise steckt, wäre schwierig. Noch braucht der Kreml das nicht zu befürchten: Europa importiert weiter Öl- und Gas. (András Szigetvari, 10.3.2022)