30 Millionen Dollar und Talent, das auch bei Ferrari geschult wurde, bringt Zhou "Joe" Guanyu in die Formel 1 mit.

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Der kleine Zhou Guanyu klammerte sich an den Zaun. Mit großen Augen sah er 2004 zu Hause in Schanghai seinen Helden zu. Michael Schumacher, Fernando Alonso und Kimi Räikkönen drehten beim allerersten Großen Preis von China ihre Runden. Zhou sah den Brasilianer Rubens Barrichello im Ferrari triumphieren und träumte davon, eines Tages mitzurasen. "Es war immer mehr ein Traum als ein Ziel", sagt der nun 22-Jährige. "Weil es zu weit weg war."

Doch der Traum ist Realität geworden. Alfa Romeo hat Zhou unter Vertrag genommen, er hat als erster Chinese in der Geschichte der Formel 1 ein Stammcockpit. Für beide Seiten ein Gewinn. China ist für die in der Königsklasse vertretenen Hersteller schließlich ein riesiger Markt, auf dem noch mehr Geld umgesetzt werden kann. Zuletzt wurde der Vertrag mit dem Grand Prix in Zhous Heimatstadt Schanghai bis ins Jahr 2025 verlängert. 2023 soll nach dreijähriger Pandemiepause wieder in China gefahren werden.

Angeblich bringt der neue Fahrer, dessen familiärer Hintergrund im Dunkeln liegt – von schwerreichen, im Automobilgeschäft tätigen Eltern wird gemunkelt –, ein Sponsorenvolumen in Höhe von bis zu 30 Millionen Dollar mit zu Alfa Romeo. Die Formel-1-Begeisterung in China soll durch seine Verpflichtung einen Schub erhalten. Sein Aufstieg sei "ein großer Schritt für die Formel 1 in China", sagt der weltgewandte Rookie selbst.

Geld gibt Gas

Das Team lobt natürlich seine Fähigkeiten, sein Talent – das Geld überzeugte vermutlich aber noch mehr. Schließlich ist die Formel 1 trotz der Budgetobergrenze ein kostspieliges Geschäft. Wenn es ums Geld gehe, könne die Formel 1 "rücksichtslos sein", twitterte Antonio Giovinazzi, nachdem er für Zhou weichen musste. Drei Punkte fuhr der Italiener in der vergangenen Saison für Alfa Romeo ein.

Zhou, die Nummer zwei hinter dem Finnen Valtteri Bottas, der seinen finnischen Landsmann Räikkönen im Team ersetzt, wird das auch zugetraut. Er wird schließlich seit Jahren gezielt gefördert und auf die Formel 1 vorbereitet. 2007 begann er mit dem Kartsport, sechs Jahre später übersiedelte er zur weiteren Ausbildung nach London. Von 2014 bis 2018 gehörte "Joe", so sein naheliegender Spitzname, der Fahrerakademie von Ferrari an. 2019 wechselte er in die Renault Sport Academy. Zur vergangenen Saison benannte sich Renault in Alpine um, Zhou durfte im Training zum Großen Preis von Österreich in Spielberg das Auto seines Idols Fernando Alonso fahren. In der Formel 2 wurde er nach vier Rennsiegen Dritter hinter dem Australier Oscar Piastri, der bei Alpine als Ersatzfahrer wirkt, und dem Russen Robert Schwarzman.

Zu Beginn der Testfahrten in Bahrain lief es nicht wirklich rund, Alfa Romeo hatte einige Probleme. Immerhin war der Neue zeitmäßig im Mittelfeld unterwegs. "Das war ein Schritt vorwärts im Vergleich zu Barcelona", sagte Zhou nun nach seinen ersten Kilometern auf dem Bahrain International Circuit, wo am 20. März die Saison eröffnet wird. "Jetzt können wir uns an die Abstimmungsarbeit machen."

Silberpfeil überrascht

Zu tun hatten in dieser Hinsicht alle Teams. Im Vergleich zu den vorhergehenden Testfahrten in Barcelona, die Mercedes beherrschte, waren viele Updates an den Boliden zu sehen. Und wieder ist es der Mercedes von Rekordchampion Lewis Hamilton, der für Aufsehen sorgt. Am Silberpfeil waren nicht nur Unterboden sowie Frontflügel neu, sondern auch der Seitenkasten auffällig anders konstruiert als zuletzt in Spanien.

Weltmeister entspannt

Bei der Konkurrenz von Red Bull Racing sorgte dieser Ansatz unter dem in diesem Jahr komplett neuen Reglement umgehend für Wirbel, Teamchef Christian Horner ließ über seine Presseabteilung allerdings ein kritisches Zitat zurückziehen. "Es gibt einige sehr extreme Auslegungen der Vorschriften, die zu vielen Diskussionen führen könnten", sagte Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn.

Weltmeister Max Verstappen gab sich entspannt. "Alle Autos sehen unterschiedlich aus. Keiner von uns versteht sie gut genug, um sagen zu können, was funktioniert und was nicht", sagte der 24-Jährige: "Wir können uns nur auf uns selbst konzentrieren." Die Formel 1 testet noch bis Samstag in Bahrain – und Zhou Guanyu ist auf der anderen Seite des Zauns. (sid, red, 11.3.2022)