In der Reinigung sind 68 Prozent der Arbeitskräfte keine österreichischen Staatsbürger.

Wien – Menschen, die auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine in Österreich Schutz und Arbeit suchen, stoßen auf einen Jobmarkt, der ihnen wenig Perspektiven bietet. Wer keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, muss sich mit hoher Wahrscheinlichkeit trotz guter Ausbildung mit prekären und schlecht bezahlten Arbeitsplätzen abfinden.

Das Bild, das eine aktuelle Studie des Sora-Instituts über die Arbeitsbedingungen jener Menschen skizziert, deren Lebensmittelpunkt in Österreich ist, die jedoch eine andere Staatsangehörigkeit haben, hat mit dem Lob der Vielfalt, das Politiker gern anstimmen, nichts zu tun.

800.000 Beschäftigte, ein Fünftel der Arbeitnehmer hierzulande, sind keine Österreicher. Das Risiko, den Job zu verlieren, mit Lohn und Gehalt kein Auslangen zu finden, auf Abruf zu arbeiten, sich unter der eigentlichen Qualifikation zu verdingen und unter starker gesundheitlicher Belastung zu leiden, ist für sie doppelt bis dreifach höher als für österreichische Staatsbürger, zieht Sora-Experte Daniel Schönherr Bilanz.

22 Prozent unter ihnen seien nur geringfügig oder befristet beschäftigt. Unter Österreichern treffe dies auf 15 Prozent der Arbeitnehmer zu. Schönherr weist nach, dass ein Drittel der Diskriminierung auf den fehlenden österreichischen Pass zurückzuführen ist. Andere Faktoren wie Alter, Ausbildung und Branche wurden herausgerechnet.

Isolation

Ein Viertel der Befragten mit Migrationshintergrund gab an, bei der Suche nach Jobs aufgrund persönlicher Merkmale das Nachsehen gehabt zu haben. 20 Prozent sehen sich mit Isolation, Mobbing bis hin zu Drohungen konfrontiert. 15 Prozent verloren Stellen aus nicht nachvollziehbaren Gründen. Zwischen ihren Erfahrungen im Erwerbsleben und jenen der Österreicher klafft auch hier eine tiefe Kluft.

Dabei ist die Leistung von Menschen ohne österreichische Staatsangehörigkeit unverzichtbar. Sie erledigen die Hälfte der Jobs in Gastronomie und Hotellerie. Ohne sie würden 50 Prozent der Arbeiter der Landwirtschaft fehlen. Am Bau stellen sie ein Drittel, im Gesundheitswesen ein Fünftel, in der Reinigung 68 Prozent der Belegschaft. Lebensmittelhandel und Paketzustellung werden zu gut einem Viertel von Dienstnehmern mit anderer Staatsbürgerschaft am Laufen gehalten.

Einbürgerung

Es ist Arbeit, die sich in der Corona-Krise als systemrelevant erwies. Schönherr erinnert daran, dass sich der Staat Österreich das Recht gebe, Menschen aufgrund außerordentlicher Leistungen einzubürgern. 2020 wurde dies in erster Linie Sängern, Unternehmern und Sportlern zuerkannt. Pfleger oder Supermarktverkäufer waren keine darunter.

Die Einbürgerungsrate stagniert. Jährlich darf von 100 Menschen im Schnitt einer damit rechnen.

Einfluss auf Arbeitsbedingungen nehmen kann man ohne österreichische Staatsangehörigkeit kaum. 2019 waren nur 64 Prozent der Menschen hierzulande wahlberechtigt. 1983 lag ihr Anteil bei 88 Prozent.

Ausbildung anerkennen

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl fordert Erleichterungen für den Zugang zur Staatsbürgerschaft. Die Stimme der Arbeitnehmer habe nicht mehr das Gewicht, das ihnen zustehe, sagt sie. Trug die SPÖ nicht einst Verschärfungen im Staatsbürgerschaftsrecht mit? Hier gehe es nicht um Zuwanderung, so Anderl. Sie pocht darauf, Bildungsabschlüsse im Ausland rascher und kostengünstiger anzuerkennen. Im Falle von Lohn- und Sozialdumping brauche es härtere Strafen. (Verena Kainrath, 11.3.2022)