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Der iranische Chefverhandler Ali Bagheri-Kani kehrte von Teheran nach Wien zurück.

Foto: Reuters / Foeger

Am Donnerstag erschien der iranische Präsident auf dem Plan: Ebrahim Raisi zeichnete von Teheran aus noch einmal die roten Linien nach, mit denen die iranische Führung – und zwar der religiöse Führer Ali Khamenei, das wurde betont – ihren Chefverhandler Ali Bagheri-Kani am Mittwoch nach Wien zurückgeschickt hatte. Und plötzlich stand wieder das im Vordergrund, was bei der Wiederbelebung des Wiener Atomdeals von 2015 eigentlich verhandelt wurde: die Bedingungen, unter denen einerseits die 2018 ausgetretenen USA wieder eintreten und andererseits der Iran sich wieder an die Atomdeal-Regeln hält.

Zuletzt war alles im Bann neuer Forderungen von russischer Seite im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise gestanden. Auch diese Frage war am Donnerstag noch nicht gelöst.

  • Die iranische Position Die Iraner wiesen am Donnerstag "inakzeptable Vorschläge" der USA zurück, die "einen schnellen Deal unter falschen Voraussetzungen" suchten. Immerhin zeigte die Rückkehr Bagheri-Kanis nach Wien, dass vorerst weiter verhandelt wird.
    Es gibt den Entwurf für ein neues Abkommen, ein Durchbruch war ja schon vergangenes Wochenende im Raum gestanden. Details darüber, was die USA konkret ändern wollten und der Iran ablehnte, waren nicht öffentlich. Neben Garantien, dass die USA nicht wieder austreten, war ein großer Brocken das Ausmaß der Sanktionsaufhebungen – ursprünglich wollte Teheran alle unter US-Präsident Donald Trump verhängten Maßnahmen wieder loswerden, auch jene, die nicht im Zusammenhang mit dem Atomprogramm stehen. Dem Iran geht es stark darum, dass die Revolutionsgarden (ICRG), die in der iranischen Wirtschaft stark engagiert sind, wieder von der Sanktionsliste kommen.
  • Die russischen Querschüsse Russland war ein sehr aktiver Verhandler. Vor allem von Gegnern des Atomdeals wurde Moskau als Anwalt Teherans wahrgenommen, trieb die Verhandlungen aber auch an. Bis am Samstag plötzlich Außenminister Sergej Lawrow mit der Forderung überraschte, dass auch Russland "Garantien" brauche: Die wegen des Kriegs in der Ukraine verhängten westlichen Sanktionen dürften nicht die Zusammenarbeit Russlands mit dem Iran betreffen.
    Tatsächlich spielte Moskau bei der technischen Umsetzung des ersten Atomdeals von 2015 eine große Rolle – und würde das auch diesmal wieder tun. Aber die Russen, die in Wien ihre Forderungen schriftlich präsentiert haben sollen, scheinen darüber hinausgehend alle ihre Iran-Geschäfte zu meinen.
  • Was die USA dazu sagen Zwar nannte US-Außenminister Antony Blinken in einer ersten Reaktion die russische Forderung "irrelevant", was kein freundliches Wort ist. Später jedoch machte Washington klar, dass die Rolle Russlands bei der Umsetzung des Atomdeals tatsächlich nicht beeinträchtigt sein würde. Aber darüber hinaus wird es wohl schwierig. Auf den Iran, der über die neue russische Position ebenfalls leichten Unmut zeigte, machen die USA nun starken zeitlichen Druck. Dass man auch abbrechen könnte – immerhin wird, wenn auch mit einer längeren Unterbrechung, seit fast elf Monaten verhandelt –, steht schon länger im Raum. Dem US-Chefverhandler Robert Malley wurde intern wiederholt vorgeworfen, er sei zu milde mit dem Iran: Das hat sogar zum Rückzug einiger US-Verhandler geführt. US-Präsident Joe Biden hat sich aus den Verhandlungen geflissentlich herausgehalten, das ist ein Versuch, politisch nicht zu viel zu investieren.
  • Und die anderen Verhandler? An den Wiener Atomgesprächen sind außerdem noch die E3 beteiligt: Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Koordiniert werden sie von der EU, namentlich vom Vizegeneralsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Enrique Mora. Den Europäern kam unter anderem die Rolle des Zwischenträgers zwischen der iranischen und der US-Delegation zu, denn da gab es keine direkten Verhandlungen. Auch die fünfte Vetomacht im Uno-Sicherheitsrat, China, gehört zur Verhandlergruppe. Alle Verhandler haben das gemeinsame Interesse, dass das iranische Urananreicherungsprogramm, das zuletzt durch die Decke gegangen ist, wieder unter Kontrolle kommt. Darum haben die Wiener Verhandlungen ja auch zumindest den Beginn der großen russisch-westlichen Krise überlebt.
  • Die möglichen Szenarien Wenn die Gespräche zusammenbrechen, könnte das schnell gehen: Das wird entweder von iranischer oder von US-Seite kommen. Wenn es eine Einigung gibt, wird das wohl auf höherer Ebene – mit Außenministern? – zelebriert werden. Und die russischen Forderungen? Zumindest Beobachter spekulierten, dass ein Deal auch ohne den Sanktus Moskaus möglich wäre. Das ist aber unwahrscheinlich – und vor allem, dass so ein Deal eine gute Chance auf Umsetzung hätte. Die Wahrheit ist wohl: Man braucht die russische Kooperation. (Gudrun Harrer, 10.3.2022)