Viele Ukraine-Flüchtlinge kommen in Österreich am Hauptbahnhof in Wien an.

foto: apa/Tobias Steinmaurer

Wien – Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem Krieg nach Österreich geflüchtet sind, erhalten vorerst bis 3. März 2023 Aufenthaltsrecht. Sie werden hier arbeiten dürfen und dazu vollen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erhalten, wie Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Freitag bei einer Pressekonferenz sagte.

Auch werden sie im Fall der Bedürftigkeit sozial abgesichert sein; eine Krankheitsbehandlung wird ihnen ja bereits seit einigen Tagen nach Vorlage ihres Passes gewährt.

Höherer Tagsatz

Wie DER STANDARD aus dem Büro von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erfuhr, einigten sich Bund und Länder am Freitag zudem auf eine Erhöhung des Tagsatzes für Erwachsene in der Grundversorgung, die bedürftigen Flüchtlingen offensteht. Statt wie bisher 21 Euro erhalten Quartiergeber nun 25 Euro.

Das Plus war von Hilfsorganisationen dringend gefordert worden, um kostendeckende Quartiere für die Flüchtlinge zur Verfügung stellen zu können. Über höhere Tagsätze für andere, etwa für unbegleitete Minderjährige, werde noch verhandelt, hieß es aus dem Ministerbüro

Für die ersten Tage der derzeit anschwellenden Fluchtbewegung stellt der Bund den Ländern zudem finanzielle Extraunterstützung in Gestalt einer vollen Übernahme der Kosten in Aussicht – "in Form eines Pauschalbetrags", wie es im Ministerratsvortrag während des Hauptausschusses hieß, der dem STANDARD schriftlich vorliegt.

Ausweis ohne Extraantrag

Dem STANDARD liegt auch die "Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene" vor. Sie wurde im parlamentarischen Hauptausschuss am Freitag vom Ministerrat abgesegnet.

Rechtliche Grundlage des temporären Schutzes in Österreich ist laut der Richtlinie Paragraf 62 des Asylgesetzes, der das "Aufenthaltsrecht für Vertriebene" regelt. Das Inkraftsetzen der EU-Massenzustrom-Richtlinie hat diese Bestimmung sozusagen aktiviert.

Der Paragraf regelt unter anderem, dass die Ukraine-Flüchtlinge von Amts wegen, also ohne weiteren Antrag, einen Ausweis erhalten sollen, dessen Form und Inhalt in einer weiteren Verordnung festgehalten werden sollen. Auch Beschäftigungsbewilligungen sollen den Flüchtlingen von Amts wegen erteilt werden. Bürokratische Wege sollen für die Vertriebenen kurz gehalten werden, sagte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und kündigte dafür zentrale Servicestellen an.

Härtere Regeln für Drittstaatsangehörige

In den vergangenen Tagen hatte es Kritik am geplanten Ausschluss drittstaatsangehöriger Kriegsflüchtlinge von dem großzügigen Schutz gegeben. Im Vergleich zu den vielen Ukrainerinnen und Ukrainern auf der Flucht handle es sich bei ihnen um eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen, was den Ausschluss unverständlich mache, wurde vorgebracht.

Nun tritt dieser tatsächlich ein. Während ukrainische Staatsangehörige laut der am Donnerstag vor einer Woche aktivierten EU-Massenzustrom-Richtlinie abgesichert werden, gilt das für Drittstaatsangehörige nur dann, wenn sie mit Ukrainerinnen oder Ukrainern verwandt oder familiär verbunden sind oder wenn sie in der Ukraine Asyl bekommen hatten.

Gemeinsam mit Visegrád

Ex-Auslandsstudierende oder auch Gastarbeiter in der Ukraine hingegen, die auf der Flucht vor den russischen Bomben nach Österreich kommen, unterliegen weit strengeren Regeln. Im Ministerratsvortrag wird das mit dem Durchführungsbeschluss des EU-Rats zur Massenzustrom-Richtlinie von Donnerstag vor einer Woche begründet.

Tatsächlich stellt es dieser den Mitgliedsstaaten frei, ob auch die besagte Personengruppe unter den Richtlinienschutz fällt – oder ob bei ihr nationales Recht angewandt wird. Beim EU-Rat hatten das Österreich und Vertreter der Visegrád-Staaten in den Durchführungsbeschluss hineinreklamiert. Die meisten anderen EU-Staaten sind hier großzügiger.

Einreise "aus humanitären Gründen"

Österreich hingegen wähle "die zweite Variante", steht im Text für den Ministerratsvortrag. Die aus dem Richtlinienschutz ausgeschlossenen Personen könnten aber in Österreich einen Asylantrag stellen. Im Zuge dessen werde "eine individuelle Prüfung durchgeführt".

Einreisen darf indes auch, wer keinen Asylantrag stellt – obwohl er oder sie ohne entsprechendes Visum an der Grenze abgewiesen werden müsste. Hier gewährt die Republik "Einreise aus humanitären Gründen" mit der Option, die Betreffenden "bei der Weiterreise in ihr Heimatland zu unterstützen" – oder aber ihnen "im Rahmen der rechtlichen Möglichkeit nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im Einzelfall" Aufenthalt zu erteilen.

Furcht vor Härtefällen

Bei Herbert Langthaler von der Asylkoordination wecken diese detaillierten, aber komplexen Regelungen praxisbezogene Vorbehalte. Unter den betroffenen Drittstaatsangehörigen werde es zu einer Reihe von Härtefällen kommen, befürchtet er. (Irene Brickner, 11.3.2022)