Bevor es auf die Straße geht, kann am Simulator in den Lehrräumen der Wiener-Linien-Hauptwerkstätte geübt werden.

Foto: Christian Fischer

"Es trauen sich immer mehr Frauen den Job zu", sagt Susanne Pechhacker. Die 48-Jährige ist seit 20 Jahren als Instruktorin bei den Wiener Linien tätig. Begonnen hat sie ihre Laufbahn vor rund 27 Jahren im Fahrtendienst. Von den zwölf Auszubildenden, die aktuell die Straßenbahnschule in der Wiener-Linien-Hauptwerkstätte besuchen, stellen mit acht Köpfen Frauen die Mehrheit. In der Regel seien rund ein Drittel der Ausbildungsplätze von Frauen belegt, sagt Pechhacker.

Unter ihnen seien sowohl alleinerziehende Mütter als auch Studentinnen, die den Job wegen der flexiblen Arbeitszeiten in Betracht ziehen. "Statt acht bis neun Stunden pro Dienst ist es in Teilzeit auch möglich, nur vier Stunden unterwegs zu sein. Da bleibt dann auch Zeit für Vorlesungen oder die Familie", erzählt sie. Durch die vielen Pensionierungen, die heuer anstehen, würden aktuell aber nur Beschäftigte in Vollzeit gesucht und eingestellt.

Jedes Jahr bewerben sich rund tausend Interessierte für einen Platz in einer der 25 Straßenbahnschulen. Die Ausbildung dauert drei Monate und wird mit rund 1900 Euro brutto pro Monat vergütet. In dieser Zeit lernen die Auszubildenden den theoretischen und praktischen Umgang mit der Straßenbahn, jedoch noch ohne Fahrgäste und teilweise an Straßenbahnsimulatoren. Nach Abschluss aller Ausbildungen liegt das Gehalt dann bei etwa 2300 Euro brutto inklusive Zulagen. Die Entlohnung sei auch ein Grund gewesen, warum Susanne Pechhacker sich damals für den Beruf entschieden habe: "Man bekommt als Straßenbahnfahrerin dasselbe Gehalt für dieselbe Arbeit. Das ist leider nicht in jedem Job selbstverständlich."

Außerdem sei es ein sicherer Arbeitsplatz. Das habe man nicht nur in der Pandemie gemerkt, sagt sie, sondern auch in Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit des Jobs. Im Oberflächenverkehr seien selbstfahrende Züge ihrer Einschätzung nach nicht denkbar: "Schließlich tragen die Fahrerinnen sowohl die Verantwortung für die Fahrgäste als auch für die anderen Verkehrsteilnehmer und ihr eigenes Fahrzeug."

Die drei angehenden Straßenbahnfahrerinnen Kalsoom Ahmad, Kerstin Sandra Höfling und Snezana Oprija (v. li.) stehen kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung.
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Kalsoom Ahmad (21): Jobsicherheit und Klima

Nach meiner Matura wollte ich eigentlich studieren. Aber ich habe einfach kein passendes Studium für mich gefunden. Nach langem Überlegen habe ich dann gemerkt, dass ich lieber eine Ausbildung machen möchte, mit der ich direkt ins Berufsleben einsteigen kann. Über die Initiative FIT (Frauen in die Technik) bin ich dann auf das Berufsbild Straßenbahnfahrerin gestoßen.

Mein Bruder hatte auch schon mal überlegt, die Ausbildung zu machen. Er hat sich dann aber doch dagegen entschieden, weil er gehört hat, dass der Job schon sehr herausfordernd sein kann. Die unterschiedlichen Dienstzeiten und die große Verantwortung, die man trägt, sind wahrscheinlich nichts für jeden. Ich wollte mir aber selbst ein Bild machen und habe festgestellt: Für mich sind die wechselnden Arbeitszeiten und Einsatzorte überhaupt kein Problem, und ich mag die verantwortungsvolle Tätigkeit. Besonders gut gefällt mir, dass ich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Außerdem ist es ein krisensicherer Job. Vor allem in der Pandemie habe ich gemerkt, wie wichtig mir das ist.

Kerstin Sandra Höfling (32): Berufliche Neuorientierung

Vor der Ausbildung zur Straßenbahnfahrerin habe ich als Zahnarztassistentin gearbeitet. Ich war nicht mehr wirklich zufrieden in dem Job und wollte deshalb beruflich einen neuen Weg einschlagen. Durch Zufall bin ich auf ein Stelleninserat der Wiener Linien gestoßen und habe mich beworben. Besonders spannend finde ich den Gedanken, künftig so viel unterwegs zu sein. Das ist eigentlich kein Vergleich zu meinem Arbeitsalltag davor.

Mir war es außerdem wichtig, selbstständiger arbeiten zu können und mehr Verantwortung zu übernehmen. Das war eine ganz schöne Umstellung, schließlich ist man für die Sicherheit von bis zu 200 Fahrgästen verantwortlich. Aber genau das gibt mir auch ein gutes Gefühl: einen Job zu machen, der für viele Menschen enorm wichtig ist und auch geschätzt wird.

In meinem Umfeld haben eigentlich alle sehr positiv reagiert, als ich mich für die Ausbildung entschieden habe. Ich persönlich finde es gut, dass sich immer mehr Frauen für solche Berufe interessieren und das nichts Ungewöhnliches mehr ist.

Snezana Oprija (22): Kein "Männerjob"

Schon als Jugendliche fand ich es immer spannend zu sehen, wie die Straßenbahnen aus dem Expedit fahren und dann den ganzen Tag in der Stadt unterwegs sind. Ich habe mir immer vorgestellt, wie es wäre, wenn ich das eines Tages machen kann. Als ich 21 geworden bin, habe ich mich dann direkt bei den Wiener Linien beworben.

Wenn ich anderen von meinem Berufswunsch erzählt habe, waren sie anfangs überrascht. Für viele gilt Straßenbahnfahren nach wie vor als "Männerjob". In der Ausbildung habe ich aber gemerkt, dass sich auch viele Frauen für den Beruf interessieren.

Besonders gut gefällt mir, dass ich so Orte in Wien kennenlerne, an denen ich zuvor noch nicht war. Eine der schönsten Strecken ist bestimmt die Runde um den Ring im ersten Bezirk. Wenn man hier unterwegs ist, sollte man sich aber auch gut auskennen, wenn Fahrgäste zum Beispiel Fragen zu Sehenswürdigkeiten haben. Abgesehen davon ist es vor allem ein Job für Technikinteressierte. Daran denken viele vielleicht nicht gleich, aber man muss sich schon gut mit dem Wagen auskennen. (Anika Dang, 14.3.2022)