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Eine Zuckersteuer soll vor allem Softdrinks in einigen Ländern teurer machen.

Foto: REUTERS/Arnd Wiegmann

Sie sind ebenso überlebenswichtig wie lebensgefährdend: Zucker, Fett und Salz. Allen voran die Menge entscheidet über deren Auswirkung auf die Gesundheit – und für einige Experten deutet viel darauf hin, dass sie seit längerem zu hoch ist, was zu Übergewicht beitragen könnte. Laut Eurostat sind rund 53 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der EU übergewichtig, auch in Österreich ist es jeder und jede Zweite. 18 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen sind laut Statistik Austria hierzulande sogar stark übergewichtig. Gleichzeitig fließen jedes Jahr rund acht Prozent der Gesundheitsausgaben, umgerechnet circa 3,5 Milliarden Euro, in die Behandlung von Adipositas und den Folgeerkrankungen.

Um den Konsum von extrem zucker-, fett- und salzhaltigen Lebensmitteln zu reduzieren, experimentieren einige Länder seit Jahren mit unterschiedlichen Anreizen und Regeln: von einer Zucker- oder Fettsteuer bis hin zu einem neuen Ampelsystem für Lebensmittel. Wie sinnvoll sind diese Instrumente? Und helfen oder entmündigen sie uns?

"Ungesund" wird teuer

Großbritannien hat sie, ebenso Irland, Frankreich und bald wohl auch Italien: die sogenannte Zuckersteuer. Mit ihr sollen zuckerhaltige Lebensmittel teurer – und damit am Ende unattraktiver werden. In Großbritannien wird bei Getränken, die mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter enthalten, ein Aufpreis von umgerechnet 22 Cent pro Liter fällig. Bei Softdrinks mit mehr als acht Gramm Zucker sind es rund 30 Cent. Das Geld soll in den Ausbau von Sportanlagen und -programmen in Schulen fließen.

Einen Effekt hatte die Steuer bereits – allerdings mehr auf das Verhalten der Unternehmen als auf jenes der Konsumenten: Letztere kauften laut einer britischen Studie auch nach der Zuckersteuer noch dieselbe Menge an Softdrinks ein. Getränkehersteller hingegen reduzierten in den vergangenen Jahren den Zuckergehalt ihrer Softdrinks um zehn bis 15 Prozent. Das führte dazu, dass britische Haushalte um rund zehn Prozent weniger Zucker aus Softdrinks konsumierten, heißt es in der Studie.

Kostenlose gesündere Mahlzeiten

Im vergangenen Jahr schlug der britische Ernährungsbericht deshalb vor, auch auf Lebensmittel mit viel Salz und Zucker eine zusätzliche Gebühr zu erheben. Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen sollten Kinder aus ärmeren Familien, die im Schnitt häufiger übergewichtig sind, kostenlos gesündere Schulmahlzeiten erhalten. Letztlich scheiterte der Vorschlag jedoch am politischen Widerstand.

Einen anderen Weg hat vor einigen Jahren Dänemark eingeschlagen: Ein Jahr lang wurde dort pro Kilogramm gesättigter Fettsäuren eine Steuer von circa 2,15 Euro fällig, was Lebensmittel wie Butter oder Schlagobers um rund 20 Prozent teurer machte. Laut Studien hat die Fettsteuer dazu beigetragen, den Pro-Kopf-Konsum von Fett um 43 Gramm in der Woche zu reduzieren. Wirklich wissenschaftlich bewiesen ist die Wirksamkeit der Steuer allerdings nicht. Zudem kritisierten Produzenten den Bürokratieaufwand und die Folge der Steuer, wonach viele Dänen einfach über die Grenze im benachbarten Deutschland einkauften.

Kein Thema in Österreich

In Österreich ist eine Zuckersteuer derzeit kein Thema. "Ich halte auch nicht viel davon, so etwas einzuführen", sagt Jürgen König, Ernährungswissenschafter an der Uni Wien, dem STANDARD. Erstens sei eine solche Steuer ein Eingriff in die Entscheidungsfreiheit jedes Einzelnen. Zweitens sei der Effekt der Steuern auf das Konsumverhalten oft gering.

Ist die Steuer wiederum höher, betreffe das vor allem ärmere Menschen, die sich viele Produkte dann nur noch schwer leisten können. Und drittens weichen Menschen bei einer Zuckersteuer auf Softdrinks einfach auf Alternativprodukte wie etwa Fruchtsäfte aus, die denselben Zuckergehalt und negativen Effekt haben können.

Information statt höherer Preis

Statt einer Zuckersteuer wird seit einiger Zeit in der EU und einigen Mitgliedsstaaten deshalb über eine andere "Lenkungsmaßnahme" diskutiert: die Lebensmittelampel beziehungsweise den "Nutri-Score". Entwickelt wurde dieser 2017 in Frankreich mit dem Ziel, Verbrauchern verständlichere Informationen über die Nährstoffe in Lebensmitteln zu liefern. Es gibt dabei fünf Kategorien von der Höchstnote A bis zur schlechtesten Note E, die von Grün bis Rot farblich hinterlegt sind und auf der Verpackung dargestellt werden.

Der Nutri-Score soll schnell Auskunft über die Nährwerte der Produkte geben.
Foto: Danone Österreich/Julia Hosch

Produkte mit viel Salz, gesättigten Fetten oder Zucker landen eher in den roten Kategorien, jene mit höherem Eiweiß- und Ballaststoffgehalt und mehr Obst und Gemüse schneiden besser ab. Die Informationen finden sich zwar schon jetzt in den Nährwerttabellen der Produkte, das Label soll sie für Konsumenten aber noch verständlicher machen, heißt es vom Verein Foodwatch, der sich für die Nutzung des Scores einsetzt.

Käse- und Wursthersteller kritisieren allerdings das System, da sie schlechte Noten für ihre Produkte befürchten. Käse würde beispielsweise eher in den "ungesunden" Kategorien landen, ohne die Menge beim Konsum zu berücksichtigen. Auch hochverarbeitete Produkte und solche mit Süßungsmitteln würden besser abschneiden.

Kein großer Effekt

Der Nutri-Score werde das Ernährungsverhalten aber ohnehin nicht stark beeinflussen, sagt König. Die, die sich kaum mit den Inhaltsstoffen von Lebensmitteln beschäftigen, würden auch dem Label kaum Beachtung schenken. Der Score könne zwar helfen, Produkte innerhalb einer Kategorie, wie zum Beispiel Joghurts, miteinander zu vergleichen. Aber es sei schwierig, Lebensmittel plakativ als gesund oder ungesund zu bezeichnen.

Stattdessen plädiert der Experte für eine bessere Ernährungsbildung an den Schulen, aber auch in der Erwachsenenbildung, um beispielsweise Inhaltsstoffe in Lebensmitteln besser verstehen zu lernen. Gleichzeitig brauche es mehr Angebote an gesünderen und leistbaren Lebensmitteln, etwa in Schulkantinen, sagt König. Denn letztlich gehe es beim Thema Ernährung nicht nur um einzelne Inhaltsstoffe, sondern darum, Gesundheit als Gesamtkonzept zu sehen. (Jakob Pallinger, 14.3.2022)