Vor mehr als 150 Jahren verkaufte die Familie Greiner Sodaflaschen und Korken. Mittlerweile ist das Familienunternehmen ein Mischkonzern für Kunst- und Schaumstoff mit 11.500 Angestellten, zwei Milliarden Euro Umsatz und 139 Standorten weltweit. Greiner produziert Joghurtbecher, Matratzen, Flugzeugsitze oder auch die Ampullen für Corona-Gurgeltests. Firmenchef Axel Kühner im Gespräch mit dem STANDARD.

STANDARD: Täglich ziehen westliche Konzerne ihr Geschäft aus Russland ab. Greiner nicht. Warum?

Kühner: Wir lehnen den Krieg vehement ab, aber ziehen uns nicht aus Russland zurück. Wir beschäftigen an drei Standorten knapp 500 Menschen, ihnen wollen wir nicht die Lebensgrundlage entziehen, für einen Krieg, den eine politische Elite zu verantworten hat. Außerdem produzieren wir für die Bevölkerung essenzielle medizinische Produkte und Lebensmittelverpackungen.

STANDARD: Wie unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter in der Ukraine?

Kühner: In der Ukraine beschäftigen wir 15 Menschen, zudem 250 ukrainische Leiharbeitskräfte in Polen und Tschechien. Unsere Leute unterstützen wir bei der Ausreise aus der Ukraine und Familiennachholung, mit Geld für Lebensmittel, Bustickets etc. Wir wollen aber auch anderen helfen, über unsere Schaumstoffsparte Neveon haben wir 20.000 Matratzen in die Grenzregion zu Rumänien und Polen für Geflüchtete gebracht.

Die Greiner AG befindet sich seit fünf Generationen in Familienbesitz. Kühner ist der erste Geschäftsführer, der kein Familienmitglied ist.
Foto: Greiner

STANDARD: Themenwechsel. Plastik genießt zurzeit keinen guten Ruf. Wie fühlt man sich als Produzent eines "bösen" Produktes?

Kühner: Es gibt weder gutes noch böses Plastik, der Mensch macht es zu dem einen oder dem anderen. Eine Kunststoffverpackung hat Sinn, sie schützt das Produkt. Plastik erzeugt in Herstellung und Transport weniger CO2 als die Alternativen. Böse wird Plastik erst, wenn es in die Umwelt gelangt. In der Entsorgung haben Konsument und Produzent Verantwortung.

STANDARD: Sie sehen also in Einwegplastik kein Problem?

Kühner: Ein Beispiel: Wäre es uns egal, wie eine Gurke im Regal aussieht, könnten wir uns die dünne Folie sparen. So sind aber Menschen nicht, eine weniger schöne Gurke bleibt liegen. Das führt zu höherer Verderblichkeit und Lebensmittelverschwendung und verschlechtert die Ökobilanz noch mehr. 90 Prozent des CO2-Abdrucks kommen vom Produkt selbst. Wichtig ist die richtige Entsorgung, in Österreich ist das einfach. In großen Teilen der Welt muss aber noch viel passieren.

STANDARD: Geben Sie als Produzent damit nicht einfach die Entsorgungsaufgabe ab?

Kühner: Wir versuchen, unsere Produkte zu optimieren, um den Konsumenten zu entlasten. Jene Joghurtbecher, die mit Karton umhüllt sind, haben wir entwickelt. Der Karton stabilisiert den Becher, und man braucht weniger Plastik. Außerdem bleibt der Becher einfärbig und lässt sich besser wiederverwerten. Bisher musste der Konsument das Papier vom Plastik trennen. Mit unserem neuen System passiert das automatisch.

STANDARD: Das klingt, als sollte es noch mehr Plastikverpackung geben?

Kühner: Es heißt nicht, je mehr Plastik, desto besser. Aber wo es sinnvoll ist, sollte es zum Einsatz kommen.

"Wäre es egal, wie eine Gurke aussieht, braucht es keine Plastikfolie. So sind Menschen aber nicht."

STANDARD: Welche Nachhaltigkeitsanforderungen kommen vom Markt?

Kühner: Vom Konsument geht viel Druck aus. Eine Kunststofffirma hat langfristig nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie eine Antwort auf das Ende des Produktzyklus hat. Unser lineares Geschäftsmodell läuft aus und geht hin zur Kreislaufwirtschaft.

STANDARD: Solche Slogans sind weit verbreitet ...

Kühner: Greenwashing ist weit verbreitet. Aber es funktioniert nur kurzfristig, es fliegt immer auf. Das würden mir die Eigentümer auch nicht durchgehen lassen.

STANDARD: Apropos. Greiner ist ein Familienunternehmen ohne Familienmitglied im Betrieb. Wie viel Einfluss kommt dennoch?

Kühner: Keiner. Es ist abgemacht, dass Familienmitglieder maximal drei Jahre nach dem Studium mitarbeiten dürfen, danach erst wieder im Aufsichtsrat oder im Vorstand.

STANDARD: Warum?

Kühner: Die Eigentümer wollten das so. Familienmitglieder werden automatisch anders behandelt. Diese Samthandschuhe kann man mit externen Besetzungen umgehen.

STANDARD: Sie produzieren die Ampullen für Gurgeltests? Reißt ein Ende der Pandemie ein Loch ins Geschäft?

Kühner: 2020 war das beste Jahr in der Firmengeschichte. Wir hatten in anderen Segmenten wie Automotive große Einbußen, die wurden ausgeglichen. Ohne Pandemie läuft das andere Geschäft wieder, ich mache mir keine Sorgen. Das Ampullen-Konzept entwickeln wir weiter. Es soll eine Plattform entstehen, um mit Gurgeltests auch Influenza testen zu können.

STANDARD: Corona war eine harte Probe für Politik und Wirtschaft. Wie stehen Sie generell zum Standort Österreich?

Kühner: Österreich ist unternehmungsfreundlich. Firmen sind hoch angesehen und genießen mehr Vertrauen als staatliche Institutionen. Es gibt jedoch eine gesellschaftliche Ablehnung gegen einzelne Personen, die Erfolg haben und Geld verdienen. Anderswo ist es heroisch, nach Reichtum zu streben und dafür eine Firma gründen zu wollen. Hier ist es verpönt, das hemmt den Fortschritt. Es hat etwas von 'Was der Nachbar nicht hat, muss ich auch nicht haben'.

STANDARD: Was sollte sich ändern?

Kühner: Es wäre wichtig, dass die Gesellschaft wieder Vertrauen in die Politik aufbauen kann. U-Ausschüsse, Chats und die sonstige Nachrichtenlage machen das aber schwer. Was gerade aufgearbeitet wird, darf einfach nicht mehr stattfinden, das behindert den Standort massiv. Einer unzuverlässigen Führung vertraut man nicht, da kann nicht viel weitergehen. Ein Unternehmen ließe sich so auch nicht führen. (Andreas Danzer, 12.3.2022)