Bild nicht mehr verfügbar.

Laut Fachleuten wären breite Testungen grundsätzlich weiter sinnvoll – nicht aber, wenn man politisch ohnehin auf Durchseuchung setzt.

Foto: Reuters / Allison Dinner

Seit knapp einem Monat steht das Vorhaben der türkis-grünen Bundesregierung fest: Corona-Tests werden ab Ende März nicht mehr für alle kostenlos sein. Wie die künftige Teststrategie aber konkret aussehen wird, darüber gibt es vonseiten des Bundes noch immer keine Auskunft.

Wird es weiterhin kostenlose Schultests geben? Wie sieht es mit Gratistests für Risikogruppen aus, für Spitalsbesuche – oder für jene, die sich vor einem Kontakt mit Personen einer Risikogruppe testen lassen wollen? Dazu gibt es noch keine Antwort. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es zur Strategie ab April: "Hierzu finden kommende Woche weitere Gespräche statt."

Ein Sprecher verweist in einer Stellungnahme für den STANDARD aber auch darauf, dass es keine völlige Abschaffung der Gratistestmöglichkeiten geben wird. "Alle Tests laut Epidemiegesetz für symptomatische Personen, Verdachtsfälle und Kontaktpersonen werden auch weiterhin kostenlos zur Verfügung stehen." Mögliche Änderungen der Teststrategie würden "ausschließlich Screeningprogramme" – sprich großflächige Tests für alle, wie die Wiener Gurgeltests – betreffen.

Höchststand bei aktiv Infizierten

Der Plan, kostenlose Testmöglichkeiten zurückzufahren, fällt just in eine Zeit mit massiv steigenden Fallzahlen. Am Freitag wurden erneut fast 50.000 Neuinfektionen registriert. Es gab 358.629 aktiv Infizierte – so viele wie noch nie. Das sind bemerkenswerte vier Prozent der österreichischen Bevölkerung. Und die Zahl der neuen Fälle wird laut dem Covid-Prognosekonsortium weiter steigen.

Lassen sich weniger Personen testen, weil sie einen Kostenbeitrag leisten müssen, wird es zumindest kurzfristig auch weniger registrierte Corona-Fälle geben. Das Ziel der Regierung könnte also auch sein, dass weniger Personen in Quarantäne müssen. Weil dann aber vermehrt Symptomlose andere Menschen anstecken, wird freilich die Durchseuchung schneller vorangetrieben. Von Donnerstag auf Freitag wurden österreichweit übrigens 435.083 PCR-Tests und 35.449 Antigentests gemeldet. Elf von 100 PCR-Tests fielen positiv aus.

Kosten der Tests

Großes Thema bei der Änderung der Teststrategie sind auch die Kosten der Tests, die bisher der Bund übernommen hat: Laut Finanzministerium wurden für 2020 und 2021 bislang 2,6 Milliarden Euro ausgewiesen. Einige private Anbieter haben, auch das steht fest, ein großes Geschäft gemacht.

In den Schulen etwa werden erst seit wenigen Wochen österreichweit zumindest zwei PCR- und eine Antigen-Testrunde pro Woche durchgeführt. Ob sie ab Anfang April der Vergangenheit angehören, ist noch offen. "Wenn die Entscheidung da ist, schauen wir uns das an", sagt eine Ministeriumssprecherin. Einer gewissen Schullogik folgend könnten mögliche Änderungen aber auch erst nach den Osterferien Mitte April schlagend werden.

In Wien, wo mit "Alles gurgelt" mit Abstand die meisten PCR-Tests durchgeführt werden, weiß man nicht, wohin die Reise führt. "Es hat bis heute weder Arbeitsgespräche mit dem Bund gegeben noch irgendein Schriftstück, wie es mit dem Testen weitergehen soll", heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Fachleute kritisieren Strategie

Expertinnen und Experten sehen einen Strategiewechsel bei den Testungen differenziert. Die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck kritisiert das Ende der Gratistests: "PCR-Tests sind wichtig, um eine Ansteckung frühzeitig zu erkennen und so Infektionsketten zu unterbrechen." In Schulen und Krankenhäusern müsse deshalb unbedingt weitergetestet werden – vor allem, solange die Zahlen so hoch sind, was "wohl noch etwas länger" so sein werde.

Mit einem Wechsel hin zu kostenpflichtigen Tests würden außerdem gesellschaftliche Ungleichheiten spürbarer, glaubt die Expertin: "Dadurch werden wohlhabendere Menschen, die ohnehin besser durch die Pandemie gekommen sind, weiter privilegiert."

DER STANDARD

Sie plädiert für eine gewisse Anzahl von Gratistests. "Etwa sechs Tests pro Monat pro Person wären ein Kompromiss. So können sich die Menschen zumindest dann testen, wenn sie Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatten oder etwa ihre Großmutter besuchen wollen", schlägt von Laer vor. Die begrenzte Anzahl würde "unnötige Test-Exzesse" verhindern.

Der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sieht das ob der politischen Strategie anders: "Es bringt nichts, gleichzeitig auf dem Gas und auf der Bremse zu stehen. Wenn die Politik auf Durchseuchung setzt, braucht man auch keine Gratistests anzubieten. Massentesten beeinflusst das Infektionsgeschehen kaum, wenn es nicht von Contact-Tracing und Quarantänebestimmungen begleitet wird."

Neue Virusvariante bestätigt

Ob Durchseuchung die richtige Strategie sei, sei eine andere Frage. Die Maskenpflicht müsse wiedereingeführt werden, betont Elling. Zudem brauche man weiter zumindest Stichproben, um einen Überblick zu behalten. Massentests hingegen machten zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn mehr. "Ich bin aber dafür, die Infrastruktur für Massentests aufrechtzuerhalten oder aufzubauen", plädiert der Experte. "Das ist ein wichtiges Sicherheitsnetz für die Zukunft, wenn eine neue Variante wie Deltakron kommt."

Mit Deltrakron spricht Elling von der durch die WHO neu bestätigten Covid-19-Virusvariante. Für Österreich ist die in Frankreich sequenzierte Variante bisher irrelevant, aber man müsse sie genau beobachten: "Deltakron ist eine Mischung der Omikron-BA.1-Variante und einer besonders infektiösen Delta-Untervariante", erklärt der Molekularbiologe.

Daher sei anzunehmen, dass die neue Variante den Immunschutz wieder besser umgehe. Ob eine Infektion mit Deltakron wieder zu schwereren Verläufen als eine Erkrankung durch Omikron führe, sei noch offen: "Das wäre im schlimmsten Fall möglich." Umso wichtiger sei ein breites Testangebot: "Wir brauchen das als Option für die Krise." (David Krutzler, Magdalena Pötsch, 12.3.2022)