Rohstoffe wie Mais und Weizen werden weniger in Futtertrögen für Schweine landen oder zu Diesel versprittet werden dürfen.

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Wladimir Putin rüttelt mit dem Überfall auf die Ukraine an der Stabilität Europas. Dafür muss Russlands Präsident gar nicht erst mit Atombomben drohen. Die mit dem Krieg einhergehende Verknappung und Verteuerung von Nahrungsmitteln wird bis zu 100 Millionen Menschen in den Hunger treiben. In vielen Schwellenländern vom Nahen Osten bis nach Afrika zeichnen sich schwere humanitäre Krisen ab, die wiederum politische Revolten und neue Flüchtlingswellen auslösen werden. Darin steckt Sprengstoff, den die EU auch mit Milliardenausgaben für eine militärische Aufrüstung nicht entschärfen kann.

Auf Krieg folgt Hunger. Russlands Angriff auf die Ukraine zeigt die Verletzlichkeit der internationalen Rohstoffversorgung. Die Ukraine und Russland sorgten bisher gemeinsam für gut ein Drittel des weltweit gehandelten Weizens.

Kein Ersatz für Brot

Doch die Äcker der Ukraine sind mittlerweile ein Schlachtfeld, die Häfen sind vermint, die Aussaat für neue Ernten ist illusorisch. Nicht nur, dass der Ukraine Nahrungsmittel ausgehen werden – weltweit sind 50 Länder auf das Getreide aus der Schwarzmeerregion angewiesen. Ersatz für Brot gibt es dort keinen.

Staaten wie Jemen und der Libanon konnten Weizen schon bisher kaum finanzieren und kürzten Lebensmittelrationen. Der Krieg heizt die Preise zusätzlich an. Wo bereits jetzt erdrückende Armut herrscht, wird die Zahl an unterernährten Menschen weiter steigen.

Putin mag dies als Waffe gegen die EU einsetzen. In jedem Fall zwingt er Europäer dazu, an einem Strang zu ziehen. Sie müssen die von der Krise unmittelbar betroffenen Länder mitversorgen, Angst vor Inflation und Druck aus den eigenen Rohstoffmärkten nehmen. Aus Sorge vor Engpässen stürmten erst jüngst Italiener den Lebensmittelhandel und räumten die Nudelregale leer.

Nerven liegen blank

Akut unter Zugzwang steht die Agrarpolitik, die in den kommenden zwei Wochen den Getreideanbau für die nächste Ernte festlegen muss. Die Nerven liegen blank. Harte Konflikte um Sinn und Unsinn der ökologischen Wende der Landwirtschaft sind neu entbrannt.

Denn Europa muss seinen Anbau von Getreide erhöhen, um Lücken zu füllen, die der Krieg aufreißt. Die EU sollte dieses daher, wie Impfstoff, akkordiert aufkaufen und es der Ukraine und Ländern, die ihre Bevölkerung nicht länger ernähren können, zur Verfügung stellen. Doch das erfordert neue Spielregeln.

Rohstoffe wie Mais und Weizen werden weniger in Futtertrögen für Schweine landen oder zu Diesel versprittet werden dürfen. Fleischkonsum, der Ackerflächen bindet, wird sinken müssen. Die Zeiten, in denen es sich viele Haushalte in Österreich erlauben konnten, Lebensmittel im Wert von 400 Euro jährlich im Müll zu entsorgen, sind vorbei.

Gefährlicher Bumerang

Vor allem aber muss die EU dafür sorgen, ihre Märkte offen und den Welthandel am Laufen zu halten. Nationale Exportstopps könnten sich als gefährlicher Bumerang erweisen. Ebenso fatal ist es, die Verknappung von Getreide als Anlass dafür zu nehmen, den Green Deal der EU, der auf mehr Klimaschutz abzielt, voreilig über Bord zu werfen.

Auch die Stilllegung von Ackerland darf nur temporär ausgesetzt werden; zu viel steht mit dem Verlust an Biodiversität auf dem Spiel. Eine Abkehr von Biolandbau wäre ein Schuss ins Knie, reduziert doch gerade dieser die Abhängigkeit von teurem Kunstdünger. Viel Zeit für Lösungen bleibt nicht. An ihnen hängt die Ernährung von Millionen Menschen. (Verena Kainrath, 14.3.2022)