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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht einem Verwundeten Mut zu.

Foto: AP / Ukrainian Presidential Press Office

Zum ersten Mal hat ein hochrangiger russischer Beamter am Montag eingeräumt, was im Westen schon seit Tagen beobachtet wird: Der Vorstoß der russischen Armee in der Ukraine kommt langsamer voran als geplant. "Ich möchte sagen, ja, nicht alles geht so schnell, wie wir es gern hätten", erklärte Wiktor Solotow, Chef der russischen Nationalgarde und enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin. Solotow hat auch gleich eine Erklärung parat: Rechtsextreme Kräfte in der Ukraine, deren Ausschaltung eines der von Putin proklamierten Kriegsziele ist, missbrauchten die Zivilbevölkerung als Schutzschilde.

Andere russische Spitzenvertreter wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatten dagegen stets betont, dass der Einsatz nach Plan laufe. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow widersprach Solotow noch am Montag: "Alle Pläne der russischen Führung werden pünktlich und vollständig umgesetzt."

Neue Verhandlungen

Während sich die Kämpfe am Montag auch rund um die Hauptstadt Kiew intensivierten, legten beide Seiten, also die russische und die ukrainische Delegation, bei der vierten Verhandlungsrunde ihre "spezifischen Positionen" dar. Nach ukrainischen Angaben wolle man sich auf einen Waffenstillstand, den Abzug der russischen Truppen und Sicherheitsgarantieren für die Ukraine konzentrieren. Am Nachmittag wurde bei den Gesprächen allerdings "eine technische Pause" bis Dienstag eingelegt, erklärte der Unterhändler und Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, in den sozialen Medien.

Selenskyj selbst fordert indes in einer Videobotschaft ein Gipfeltreffen mit Putin: Das Ziel sei es, "alles zu tun, um ein Treffen der Präsidenten zu ermöglichen. Ein Treffen, auf das die Menschen sicher warten."

Krim und Donbass durch Landbrücke verbunden

Die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim im Süden der Ukraine und der von Separatisten beherrschte Donbass im Osten sollen seit Montag durch einen Landkorridor verbunden sein. "Die Autostraße von der Krim bis Mariupol wurde unter Kontrolle genommen", zitiert die russische staatliche Agentur Ria Nowosti am Montag den Vize-Ministerpräsidenten der Regierung der Krim, Georgi Muradow. Ihm zufolge könne dies dabei helfen, Menschen in der Region Donezk mit humanitären Gütern zu versorgen.

In der gleichnamigen Großstadt seien nach Angaben prorussischer Separatisten mindestens 20 Menschen durch Trümmer einer ukrainischen Rakete getötet worden. Kiew wies den Vorwurf zurück und sprach von einer russischen Rakete. Bei einem Raketenangriff Montagfrüh auf ein Hochhaus in Kiew seien indes mindestens zwei Menschen getötet worden, berichtete das ukrainische Fernsehen. Neun Tote soll es bei einem Angriff auf einen TV-Turm nahe der westukrainischen Stadt Antopil gegeben haben.

2.500 Tote in Mariupol

In der unter russischem Beschuss liegenden Hafenstadt Mariupol am Asow'schen Meer im Südosten der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben bisher mehr als 2.500 Bewohnerinnen und Bewohner getötet worden. Das teilt der Präsidentenberater Olexij Arestowytsch am Montag mit. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell sprach von 2.400 getöteten Zivilistinnen und Zivilisten in Mariupol seit Beginn der russischen Invasion vor etwas weniger als drei Wochen.

Humanitäre Korridore waren dort wiederholt gescheitert, auch am Montag konnten keine Hilfsgüter die eingekesselte Stadt erreichen. Am Montag berichteten Agenturen aber, dass am Nachmittag 160 Privatautos Mariupol in Richtung der von russischen Truppen kontrollierten Stadt Berdiansk verlassen hätten.

Kampf um Großstädte

Das russische Militär könnte nach Angaben von Kreml-Sprecher Peskow sehr wohl die volle Kontrolle über ukrainische Großstädte übernehmen. Präsident Putin habe die Armee aber am Anfang ausdrücklich angewiesen, auf die Erstürmung von Großstädten wie Kiew zu verzichten. Ausgeschlossen sei dies aber nicht. Seit Beginn der Invasion sind mehr als 2,8 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. (Florian Niederndorfer, 14.3.2022)