Ein Kinderkonto dient auch den Eltern. Das weiß Mediator und Jurist Ulrich Wanderer im Gastblog.

Hat man sich einmal grundsätzlich auf das Modell der gleichteiligen Betreuung geeinigt, so beginnt der Bedarf an Regelungen erst: Neben einer haltbaren Vereinbarung hinsichtlich des Wechsels von einem Wohnsitz zum anderen müssen vor allem die Finanzen geklärt werden.

Um den "Regelbedarf" geht es in diesem Blogbeitrag nicht. So einfach macht es einem das Thema der Doppelresidenz nicht. Hier geht es einerseits um die Überlegung, wie der erhöhte (auch finanzielle) Betreuungsbedarf gestemmt werden soll, andererseits aber auch um eine Lösung des Problems, das die derzeit noch nötige Hauptmeldung des Kindes an einem der beiden Haushalte bedeutet.

Im besten Fall

Aber versuchen wir dem Grundsatz "Keep it short and simple" zu folgen. Wir haben also ein Paar, das übereingekommen ist, die Beziehung auf das Elterndasein zu reduzieren. Idealerweise haben sie es geschafft, auch die Paarkonflikte zu klären, und schaffen eine gute Kommunikation auf Elternebene, auch begleitet durch diverse Unterstützungsangebote. Sie haben es sogar geschafft, sich (auf Basis des Kindeswohls) auf eine Betreuungsregelung zu einigen, die mehr oder weniger gleichteilige Betreuungszeiten für die gemeinsamen Kinder ermöglicht, haben Urlaubs- und Feiertagsregelungen ebenso eingebaut wie auch für den Fall eines krankheitsbedingten Ausfalls vorgesorgt. Also schlichtweg eine perfekte Doppelresidenzlösung gefunden.

Bei diesem erfundenen Fall handelt es sich um ein finanziell überdurchschnittlich gut gestelltes Paar, die beide in kreativen Berufen selbstständig tätig sind und sich die Zeit mehr oder weniger so einteilen können, dass sie die vereinbarten Zeiten gut einhalten können. Nein, es werden sich wohl nur die wenigsten Leserinnen und Leser in diesem Setting wiederfinden, doch ist es so möglich, sich auf den Aspekt der Unterhaltsregelung zu fokussieren.

Kinder haben Anspruch auf Unterhalt

Ohne jene Punkte zu wiederholen, die der letzte Blogbeitrag zur Doppelresidenz breitgetreten hat, geht es dieses Mal um Kinderkontos. Ja, Kinder haben Anspruch auf Unterhalt. Dieser richtet sich grundsätzlich gegen beide Eltern und ist (zumindest bis zu einer Reform des Unterhaltsrechts) auch nicht wirklich abdingbar. Zwar ist es eben möglich, im Rahmen des Ergänzungsunterhalts die Leistungen auf ein Minimum zu reduzieren, doch bietet das Kinderkonto eine Möglichkeit, den Kuchen nicht zu verkleinern, sondern vielmehr zu maximieren.

Die grundsätzliche Annahme des Kinderkontos ist es, einen möglichst hohen Betrag zur Verfügung gestellt zu bekommen, um in weiterer Folge nach einem klaren System die davon abgehenden Zahlungen tätigen zu können. Beispielsweise können auf der Einnahmenseite neben dem Unterhalt auch die Familienbeihilfe, der Familienbonus, allfällige Förderungen, Beihilfen oder sogar auch Geldgeschenke der Verwandtschaft landen. Vieles kann, aber so gut wie nichts muss hier vereinbart werden. Wichtig ist primär, dass unter dem vielzitierten Strich eine möglichst brauchbar hohe Summe zu finden ist. Warum? Nun, weil diese auch wieder auf beide Elternteile im Sinne der Kinder aufgeteilt werden kann. So ist es möglich, neben den Kosten für Schule, Kleidung, Hobbys, Einkauf, Urlaub, Versicherungen und/oder Geschenke sogar auch die durch den erhöhten Bedarf gestiegenen Miet-/Heiz-/Stromkosten anteilig einzuberechnen. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. So können dann beide Eltern wieder auf den gemeinsam geschaffenen Geldkuchen zugreifen, um die durch die Betreuung des Kindes / der Kinder entstehenden Kosten bestmöglich zu finanzieren.

Auf dem Kinderkonto können die verschiedensten Beihilfen und Zahlungen eingehen.
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Wichtig ist freilich auch, dass das Konto ohne die Möglichkeit eines Überziehungsrahmens eröffnet wird. Hiermit kann dem gelegentlich geäußerten Vorwurf entgegengewirkt werden, demzufolge sich der hauptbetreuende Elternteil durch den Geldunterhalt des anderen persönlich bereichern würde. Wobei gesagt werden muss, dass im Fall einer Doppelresidenzvereinbarung das Vertrauen zwischen den Eltern einen solchen Vorwurf bereits im Vorfeld ausschließen sollte.

Die Ecksäulen dieses Modells sind einerseits der Wunsch des geldunterhaltspflichtigen Elternteils, den durch die Doppelresidenz doch eindeutig erhöhten finanziellen Aufwand anerkannt zu bekommen. Die schlichte Berechnung des sogenannten Ergänzungsunterhalts greift hier etwas kurz, da sie zwar vordergründig dem Bedürfnis nach einer herabgesetzten Geldunterhaltspflicht entspricht, andererseits aber bei einem allfälligen Scheitern der gleichteiligen Betreuungsregelung eine völlige Neuberechnung der Unterhaltsverpflichtung erforderlich machen würde. Auch hat sich gezeigt, dass die in diesem Modell nötige finanzielle Transparenz eine wichtige Basis für eine im Sinne des Kindeswohls gelebte Elternschaft darstellt.

Nicht in Stein gemeißelt

In einem Punkt möchte ich einen Hinweis auf den letzten Blogbeitrag zu den Möglichkeiten der Doppelresidenzvereinbarung wiederholen: Nichts, was die Kinder betrifft, ist juristisch in Stein gemeißelt. Sowohl die Fragen der Obsorge als auch der Betreuung, aber eben insbesondere auch des Unterhalts und dessen genauer Ausformung können und sollen auch regelmäßig an die Bedürfnisse der Kinder angepasst werden. Wenngleich hier gelegentlich Verwechslungen vorliegen und das Kindeswohl recht weit interpretiert wird, so bedeutet dies jedenfalls, dass alle Angelegenheiten der Kinder bis zu deren Volljährigkeit bereits nach wenigen Monaten erneut korrigiert und adaptiert werden können. Natürlich stellt eine solche Unsicherheit nicht die beste Grundlage für ein funktionierendes Wechselmodell dar, doch unterstreicht diese Tatsache nur erneut die Wichtigkeit einer guten Gesprächsbasis zwischen den Eltern.

Weit mehr als eine finanzielle Regelung

Schaffen es die Eltern, sich auf ein Modell zu einigen, in dem sowohl dem Recht des Kindes auf Unterhalt als auch den Bedürfnissen der Eltern nach wechselseitiger Anerkennung der Betreuungsleistung Rechnung getragen wird, so haben sie im Kinderkonto weit mehr als nur die Regelung der finanziellen Verantwortung geschafft. Sie haben in einer erfahrungsgemäß sehr heiklen Materie – dem Geld – eine gemeinsame, dem Kindeswohl dienliche Lösung gefunden. Natürlich muss diese Vereinbarung laufend evaluiert werden, Verbesserungsmöglichkeiten, die sich automatisch mit der Zeit ergeben, können, ja sollen eingebaut werden. So bleibt auch die elterliche Verantwortung im Sinne des Kindeswohls gewahrt und mehr als ein juristischer Terminus. Sie kann so in die gelebte Elternschaft übertragen werden. (Ulrich Wanderer, 16.3.2022)