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Wasserkraftwerke im Gebirge könnten bald anders aussehen: Statt die Höhenenergie des Wassers von Sammelbecken und Flüssen in einem Kraftwerk vor Ort in Strom umzuwandeln, könnten E-Lkws das Wasser bergab fahren und so Akkus aufladen.
Foto: Alfred Buellesbach / Visum / picturedesk

Auf der Suche nach Möglichkeiten, effizient und nachhaltig Strom zu erzeugen, kommen kreative Köpfe auf interessante Ideen. Eine davon analysierte ein Forschungsteam des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA): Es schlägt selbstfahrende elektrische Lastkraftwagen vor, die auf steilen Bergstraßen Wasserkraft in Strom umwandeln könnten. Am Berg würden sie in Containern gesammeltes Wasser einladen, bei der Abfahrt mit dessen potenzieller Energie Akkus aufladen und den gewonnenen Strom im Tal ins Netz speisen, schreibt das Team im Fachmagazin "Energy".

Dies wäre umweltfreundlicher als Speicherkraftwerke mit riesigen Staumauern, Rohrleitungen und Turbinen. Man würde ganz ohne große Bauwerke auskommen, erläutert die Forschungsgruppe um Julian Hunt vom IIASA in Laxenburg bei Wien. Es bräuchte in der Höhe bloß eine relativ kleine Anlage, um das Wasser aus Bächen und Flüssen in Container zu füllen.

Akkus und Wassertanks im Laderaum

Wie genau könnte das prinzipiell funktionieren? Dem vorgestellten Konzept zufolge laden die Lkws die wassergefüllten Container am Berg auf und fahren damit ins Tal. Die Bremsenergie wird dabei in elektrischen Strom umgewandelt und in Akkus gespeichert. Im Tal leitet man das Wasser wieder langsam in die Gewässer.

Unten werden vollen Wassertanks gegen leere eingetauscht, ebenso ersetzt man die vollen Akkus durch nahezu leere. Immerhin brauchen die Lkw noch genug Strom, um wieder die Bergstation zu erreichen. Und um den gewonnenen Strom einzuspeisen, ist freilich auch ein Anschluss an das Elektrizitätsnetz nötig. Die Lkw könnten bereits bestehende Straßen nutzen und sollten im Optimalfall einmal autonom fahren.

Fünf Prozent des Stromverbrauchs gedeckt

Somit wird die potenzielle Energie des Wassers in Strom umgewandelt, wie bei einem Staukraftwerk. Wo auch immer genügend Wasser zur Verfügung steht und Bergstraßen mehr als 15 Prozent Steigung aufweisen, wäre es sinnvoll, auf diese Art Strom zu erzeugen, schreibt das Forschungsteam. Die Lkw könnten auch flexibel unterschiedliche Berge ansteuern, je nachdem, wo es gerade viel Wasser gibt, heißt es in einer Aussendung des IIASA.

Das System wäre nicht nur in den Alpen anwendbar, sondern auch im Himalaya und den Anden. Weltweit könnte man damit jährlich sogar 1,2 Billiarden Wattstunden (also Petawattstunden, PWh) Strom erzeugen. Das entspricht etwa fünf Prozent des globalen Stromverbrauchs, wie er für das Jahr 2019 berechnet wurde.

Der Strom aus Bergstraßen-Lkw-Kraftwerken wäre nicht nur "signifikant umweltfreundlicher" als von Staukraftwerken. Er wäre den Rechnungen der Forschungsgruppe auch rund um die Hälfte günstiger, mit 30 bis 100 Dollar (umgerechnet 27 bis 91 Euro) pro Megawattstunde (MWh). Inwiefern sich das Konzept konkret umsetzen lässt, wird sich zeigen. (APA, red, 16.3.2022)