Das Web hat Firefox viel zu verdanken. Der Mozilla-Browser war es, der Anfang der 2000er-Jahre etwas vollbrachte, was zu dem Zeitpunkt viele schon nicht mehr für möglich hielten: dem zu diesem Zeitpunkt praktisch im Alleingang dominierenden Internet Explorer nicht nur Paroli zu bieten, sondern nach und nach sogar Marktanteile abzuluchsen.

Eine echte Erfolgsgeschichte

Auf Basis des aus der Konkursmasse von Netscape hervorgegangenen Mozilla-Projekts wurde ein für die Zeit vergleichsweise schlanker und moderner Browser geschaffen, dem es gelang eine leidenschaftliche Community um sich zu scharen. Legendär ist etwa eine Spendenkampagne, mittels derer zur Veröffentlichung von Firefox 1.0 eine doppelseitige Werbung in der "New York Times" finanziert wurde.

Sympathien allein werden für eine langfristige Zukunft von Firefox nicht reichen.
Grafik: Mozilla

Der folgende Aufstieg war nicht minder beeindruckend: Seinen Höhepunkt erreichte Firefox im Jahr 2008. Stolz verkündete Mozilla Ende des betreffenden Jahres, dass der eigene Browser gleich in mehreren Ländern einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent erreicht habe. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Saat für die Trendumkehr bei den Marktanteilen bereits gesät.

Chrome

Wenige Monate zuvor hatte Google mit Chrome seinen eigenen Browser vorgestellt – das noch dazu mit Unterstützung einiger ehemaliger Firefox-Entwickler und einem sehr ähnlichen Erfolgsrezept. Noch schlanker, noch schneller war Chrome.

Ein Neuzugang, der im Mozilla-Lager zunächst gar nicht so negativ aufgenommen wurde. Immerhin war Chrome von Anfang an ebenfalls in weiten Teilen Open Source, der Quellcode also im Gegenteil zum Microsoft-Browser offen verfügbar. Vor allem aber sah man darin einen Verbündeten im Bestreben für ein modernes Web, dem der hoffnungslos veraltete Internet Explorer immer stärker im Weg stand

Also wurden zunächst im Tandem die Marktanteile des Internet Explorers regelrecht zertrümmert. Doch nachdem Chrome mit dem Microsoft-Browser fertig war, war Firefox an der Reihe. Seitdem gab es bei den Nutzungszahlen des Firefox eigentlich nur mehr eine Richtung: nach unten.

Smartphones komplett verpasst

Firefox OS war ein kostspieliger Reinfall.
Foto: Pichler / STANDARD

Doch es waren auch größere Markentwicklungen, die Mozilla zusetzten, allen voran: Firefox konnte niemals im boomenden Smartphone-Markt Fuß fassen. Das lag nicht zuletzt daran, dass die von Google und Apple zu diesem Zeitpunkt noch gemeinsam – auf Basis des KHTML-Projekts – entwickelte Rendering-Engine Webkit deutlich besser für Geräte mit stark begrenzten Ressourcen geeignet war als Mozillas Gecko mit seiner langen Vorgeschichte.

Zudem hatten die beiden Konkurrenten auch noch den Vorteil, dass sie in diesem Bereich jeweils eigene Betriebssysteme hatten – also Android und iOS. Ein Versuch Mozillas, es ihnen mit Firefox OS gleichzutun, stellte sich als Flop von geradezu epischen Ausmaßen heraus – aber erst nachdem Unsummen an Geld in die Entwicklung verpulvert worden waren. Spätestens im Jahr 2015 zeigten sich dann die strukturellen Probleme immer offensichtlicher, wie damals auch in einer Analyse des STANDARD attestiert wurde.

Alle Versuche bisher gescheitert

Seitdem sind einige Jahre und vor allem zahlreiche Versuche, das Ruder herumzureißen, vergangen. Das Fazit ist leider wenig erfreulich: All diese Bemühungen blieben fruchtlos, Firefox hat gerade in der jüngeren Vergangenheit deutlich an Usern eingebüßt.

Um das in konkrete Zahlen zu fassen: Über alle Gerätekategorien betrachtet, kommt Firefox weltweit nur mehr auf einen Marktanteil von 4,2 Prozent und ist damit weit von den Marktführern Chrome und Safari entfernt. Das liegt vor allem an der kaum existenten (0,48 Prozent) Positionierung bei Smartphones. Doch selbst im Kernbereich, dem Desktop, ist der Mozilla-Browser in die prozentuale Einstelligkeit abgerutscht. Bei 9,46 Prozent lag der Marktanteil dort laut Statcounter im Februar. Das ist gerade einmal noch Platz vier – hinter Chrome, Safari und Microsofts Edge.

Hochburgen fallen

Dabei bröckelt es vor allem in den einstigen Firefox-Hochburgen, wie Österreich einmal eine war. So ist der Mozilla-Browser hierzulande am Desktop mit 14,38 Prozent ebenfalls hinter Edge zurückgefallen. Und damit übrigens hinter einen Browser, der mittlerweile dieselbe technische Basis – Chromium – wie der Marktführer von Google verwendet.

Nun lässt sich natürlich mit gewissem Recht argumentieren, dass das Web noch immer wächst, insofern Marktanteile nicht vollständig akkurat abbilden, wie es mit der Nutzerentwicklung aussieht. Das ist zwar richtig, leider sieht es mit einem Blick auf Mozillas eigene Statistiken aber auch nicht besser aus. Diese zeigen nämlich, dass Firefox seit Anfang 2019 zwischen 15 und 20 Prozent seiner User verloren hat – und zwar kontinuierlich.

Die Nutzerzahl schrumpft auch laut den offiziellen Statistiken von Mozilla selbst.
Grafik: Mozilla

Von Google abhängig

Dazu kommt, dass Mozilla bis heute sein größtes strukturelles Problem nicht bereinigen konnte: die fast vollständige finanzielle Abhängigkeit von Google. Rund 400 Millionen US-Dollar sind es, die der Softwarehersteller jährlich dafür kassiert, dass Google als Suchmaschine im eigenen Browser voreingestellt ist. Versuche, sich davon zu emanzipieren, sind bisher allesamt fehlgeschlagen.

Nach Experimenten mit anderen Anbietern ist man weitgehend in die Arme von Google zurückgekehrt. Ausnahmen dafür machte Mozilla nur für wenige Länder, etwa Russland und die Türkei, wo bis vor kurzem Yandex als Default-Suche eingestellt war. Diese Geldquelle ist nun aber ebenfalls versiegt. Angesichts des Ukraine-Kriegs und der fortschreitenden Nutzung als Propagandaplattform für den russischen Staat hat Mozilla die Partnerschaft beendet – und kehrt auch dort zu Google zurück. Bleibt zumindest noch China, wo Baidu von Haus aus aktiviert ist, die Firefox-Nutzung allerdings noch geringer als in anderen Ländern ist.

Die Suche nach anderen Einnahmequellen, etwa über den Lesedienst Pocket oder das Angebot eines eigenen VPN-Dienstes, ist bislang wenig erfolgreich verlaufen – zumindest aus finanzieller Hinsicht.

Unsicherer Ausblick

Nun läuft der aktuelle Suchmaschinen-Deal zwar noch bis Ende 2023, ob Google angesichts der schwindenden Relevanz von Firefox bereit ist, auf Dauer weiter so viel zu bezahlen, muss sich aber erst zeigen. Zumindest darf Mozilla darauf hoffen, dass der Chrome-Hersteller allein schon aus kartellrechtlicher Hinsicht ein gewisses Interesse daran hat, dass Firefox als eigenständige Alternative bestehen bleibt. Das gibt Hoffnung, ein tragfähiges Geschäftsmodell ist das aber nur sehr begrenzt, immerhin ist man damit vom Goodwill eines anderen Unternehmens abhängig.

Um sich langfristig für eine finanzielle Zukunft fit zu machen, hatte Mozilla im Jahr 2020 bereits 250 Mitarbeiter gekündigt. Sollte sich der aktuelle Abwärtstrend weiter fortsetzen, wird es wohl nicht bei diesen bleiben können. Zumal derzeit einfach kein realistischer Weg in Richtung Trendumkehr erkennbar ist.

Realitätscheck

Mit Firefox Quantum brachte Mozilla vor einigen Jahren eine Generalüberholung für seinen Browser. In Hinblick auf die Marktanteilsentwicklung hat das aber wenig gebracht.
Foto: imago/Rüdiger Wölk

Das zeigen die Bemühungen der vergangenen Jahre nur allzu deutlich: Selbst eine Rückbesinnung auf alte Stärken – also den Desktop – und signifikante Verbesserungen an der Codebasis konnten keine neuen User anlocken. Und auch mit dem zweiten Schwerpunkt, dem Thema Privatsphäre, konnte man in einem Umfeld, wo zahlreiche Browser mit sehr ähnlichen Versprechen auftreten, nicht punkten.

Stattdessen birgt jedes Redesign, jede größere Änderung das Risiko, wieder einen Teil der User zu verlieren. Und auch der Versuch, finanziell unabhängiger zu werden, ist in dieser Hinsicht nicht ohne Risiko. So hatte Mozilla etwa versucht, Werbung im Browser unterzubringen – und damit einen veritablen Empörungssturm bei alteingesessenen Usern ausgelöst.

Kernthema: Rendering-Engine

Noch schwerer macht es Mozilla eine andere aktuelle Entwicklung, und zwar eine fortschreitende Monopolisierung bei Rendering-Engines, also jenem Bestandteil eines Browsers, der für die Anzeige von Websites zuständig ist und so den Kern entsprechender Programme bildet. Nach dem Wechsel von Microsoft auf Chromium kommt die von Google entwickelte Software mittlerweile als Basis für fast alle Browser zum Einsatz. Ausnahmen sind hier lediglich Firefox mit seinem Gecko und Apples für Safari genutztes Webkit, das allerdings eine gemeinsame Geschichte mit Chromium hat.

Diese Entwicklung birgt die vielleicht größte Gefahr für Firefox: Während Apple allein schon durch die Vorinstallation auf iPhones dafür sorgen kann, dass sich alle Web-Entwickler für Safari und Webkit interessieren müssen, gibt es bei Firefox keinen so klaren Anreiz. Die schwindenden Marktanteile könnten also dazu führen, dass sich Web-Entwickler immer weniger um die Unterstützung des Mozilla-Browsers scheren – und diesen dadurch in eine Abwärtsspirale schicken. Immerhin sehen sich die User erfahrungsgemäß recht bald nach Alternativen um, wenn von ihnen vielgenutzte Seiten nicht mehr korrekt funktionieren.

Plan B

Angesichts dessen könnte mittelfristig etwas kommen, was Fans wohl weniger gern hören werden: ein Wechsel von Firefox auf eine Chromium-Basis. Mit solch einem Schritt würde Mozilla die eigenen Entwicklungskosten auf einen Schlag massiv reduzieren und vor allem auch sämtliche Kompatibilitätsprobleme mit auf Chrome ausgerichteten Websites loswerden. Stattdessen könnte man sich auf gezielte Verbesserungen und einzelne Features konzentrieren – so wie es Edge derzeit durchaus erfolgreich tut.

Für Firefox-Anhänger mag das nach einem Sakrileg klingen, bei Mozilla dürfte man das aber pragmatischer sehen. Bereits vor zwei Jahren wollte Firefox-Entwicklungsleiter Dave Camp einen solchen Schritt im Interview mit dem STANDARD nicht mehr kategorisch ausschließen.

Will niemand, aber ...

Ein Schritt, der die Macht von Google über das Web – und vor allem die Weiterentwicklung der dahinterstehenden Standards – noch einmal deutlich ausbauen würde. Das ist auch der Grund, warum das auch außerhalb von Mozilla eigentlich kaum jemand wirklich will. Gleichzeitig ist es etwas viel vom Firefox-Hersteller verlangt, das eigene Unternehmen zu opfern, nur um der Chromium-Dominanz etwas entgegenzuhalten.

Ob es wirklich so weit kommt, ist natürlich längst nicht klar, derzeit ist das noch eine ferne Option. Zudem hatte selbst Google in der Vergangenheit immer wieder betont, dass es gut für das Web ist, wenn es unterschiedliche Rendering-Engines gibt. Und auch sonst gibt es in der gesamten Branche viele Sympathien für Mozilla und Firefox, gerade was dessen Rolle zur Erhaltung eines freien und offenen Internets anbelangt. Eines, das eben nicht komplett an einzelne Unternehmen gekoppelt ist. Eine Idee, wie das langfristig – und vor allem auch unabhängig – gehen soll, scheint hingegen bisher noch niemand gehabt zu haben. Und das ist ein Problem. (Andreas Proschofsky, 27.3.2022)