Behaglichkeit sei nicht unbedingt Sache des Humors, zumindest vertrage er sie nur bis zu einem bestimmten Maß, meint Marleen Stoessel. Er braucht die Reibung und verabscheut alles, was zu aufgebläht, zu selbstgefällig daherkommt, gar zur Hybris neigt. Ich schau dich an, Wladimir Wladimirowitsch.

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Die Siebenjährige kann manchmal anstrengend sein. Kurz vor Weihnachten reicht’s mir. "Heuer gibt’s keinen Christbaum", drohe ich. "Ich kauf stattdessen Bitcoin." Nach einer kurzen Erklärung, was Bitcoins sind und dass die irgendwas mit Computern zu tun haben, meint sie fröhlich: "Na gut, dann legen wir die Geschenke halt unter den Laptop." Das hat mich zum Schmunzeln gebracht. Sie hat meine boshafte Stichelei mit dieser kindlich-pragmatischen und humorvollen Antwort einfach ins Leere laufen lassen. Mein Ärger war verflogen.

Mir fällt ein, was Eva Menasse festgestellt hat. Sie sei, sagte die Schriftstellerin, "fast" davon überzeugt, dass Humor wie eine Muttersprache sei, in die man hineingeboren sein muss: "Man kann sie später nie mehr richtig lernen." So gesehen bist du auf einem guten Weg, mein Kind. Natürlich klopf ich mir dabei auch ein bisschen auf die Schulter. Von nix kommt nix.

Es geht nicht um Pointen

Es wäre an dieser Stelle gar zu billig, mit einem zünftigen Witz weiterzumachen. Etwa jenem, wo herauskommt, warum sich der Opa am Kachelofen die Zunge verbrannt hat. Ich habe den einmal in der Redaktion erzählt. Fanden nicht alle witzig. Aber hier geht’s gar nicht um meinen Geschmack oder um Gags, Gags, Gags oder einen missglückten Cunnilingus. Es geht nicht um Pointen, sondern um Humor.

Sich diesen zu bewahren ist angesichts der dichten Folge von Krisen, die wir gerade erleben, alles andere als leicht. Corona ist noch nicht einmal vorbei, da bricht Russland einen Krieg vom Zaun. Vom Klimawandel und dem Zustand unserer Gesellschaft ganz zu schweigen. Hinzu kommen die kleinen und großen persönlichen Katastrophen, mit denen wir uns alle täglich auseinandersetzen müssen. Man möchte eher heulen vor Wut, vor Ohnmacht.

Sowieso und überhaupt

Aber lachen? Auf jeden Fall! Wie sonst als mit Humor soll/kann man auf den ganzen Wahnsinn in der Welt reagieren? Gerade in Situationen zugespitzter Betroffenheit ist Humor unbestritten eine besondere Leistung. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Abgenudelt dieser Satz, zugegeben, aber auch von bestechender Wahrheit. Zugespitzt könnte man, nach Heinrich Böll, auch sagen: Humor ist, wenn man überhaupt lacht. Denn so lassen sich die kleinen wie die großen Niederlagen des Lebens leichter bewältigen.

Er sorgt für die nötige Distanz zu der Unbill, die uns trifft. Humor hilft uns im besten Fall aus unserer Opferrolle heraus, sorgt für heitere Gelassenheit gegenüber den Volten des Alltags, der Geschichte. Oder trägt dazu bei, den einen oder anderen, sagen wir: unqualifizierten, Kommentar im STANDARD-Forum erträglicher zu machen. Kurz: Wie anders als durch Humor könnten wir uns gegenseitig vermitteln, dass wir alle in derselben Situation sind?

Der Humor habe nicht nur etwas Befreiendes, sondern auch etwas Großartiges und Erhebendes, schrieb Sigmund Freud. Er hat sich wie viele andere – Anthropologen, Psychologen, Philosophen, Soziologen – daran versucht, Humor zu definieren. Kluge Ansätze gibt es daher vielerlei. Aber wie meinte der Satiriker Ephraim Kishon: "Seit die Menschheit existiert, hat man versucht, zu definieren, was Humor ist. Es ist nicht gelungen."

Den Durchblick bekommen

Man kann sich folglich nur an ihn heranpirschen, ihn umkreisen, man wird aber zwangsläufig daran scheitern, ihn einzufangen. Man kann versuchen, ihn abzugrenzen, etwa zum Sarkasmus, zum Zynismus oder zur Ironie. Letztere sei objektiv, der Humor subjektiv, meinte Arthur Schopenhauer, und Jean Paul erklärte: Wenn der Scherz sich hinter dem Ernst verstecke, so entstehe Ironie. Verstecke sich der Ernst hinter dem Scherz, so sei dies Humor. Wir bekommen den Durchblick, sehen den Ernst, im besten Fall die Wahrheit.

Ohne Zweifel kommt dem jüdischen Humor eine besondere Rolle in diesem weiten und breiten Feld zu. Es wurden vermutlich mehrere Regalmeter Literatur dazu verfasst. Marleen Stoessel erläutert in ihrem Buch "Lob des Lachens", dass beim jüdischen Humor, der aus jahrhundertelanger Ghettoisierung und Unterdrückung der eigenen Kulturwelt entstanden sei, "sich die Wesenszüge des Humors am klarsten ausgeprägt haben und offenbar werden".

Der tief in Geschichte und Tradition des Judentums verwurzelte Humor erhalte im Dritten Reich angesichts der Vernichtung einen neuen Abgrund. Er färbte sich tiefschwarz. Und hat bei aller Unbehaglichkeit doch helle Seiten, etwas Lehrreiches: die schon anfangs angerissene Ablehnung jeglicher Opferhaltung.

Keine Behaglichkeit

Überhaupt: Behaglichkeit sei nicht unbedingt Sache des Humors, zumindest vertrage er sie nur bis zu einem bestimmten Maß, meint Marleen Stoessel. Er braucht die Reibung und verabscheut alles, was zu aufgebläht, zu selbstgefällig daherkommt, gar zur Hybris neigt. Ich schau dich an, Wladimir Wladimirowitsch. Dann kann er schnell subversiv werden, rebellisch.

Guter Humor sei böse, guter Humor sei schwarz, er taste sich an die Grenzen heran und überschreite sie gelegentlich spielerisch, erklärt dazu Eva Menasse. Um dann zu relativieren: "Und ich fürchte, dass genau deswegen Österreich jenes Land ist, in dem dauernd jemand mit einem degoutanten Rülpser, mit dem im Wortsinn Unsäglichen auffällt." Wie recht sie hat. Und das meine ich nicht nur, weil ich mich zur Berufsgruppe der "größten Huren überhaupt" zähle.

Das Lachen des Weisen

Und dennoch, meint Marleen Stoessel, sei er die "geistvollste und zugleich humanste Waffe, die wir besitzen". Ebenso stimmt nach wie vor, was der Kritiker und deutsche Emigrant Rudolph Arnheim 1940 zu Papier brachte. Tief beeindruckt von Charlie Chaplins "Der große Diktator", schrieb er: "Das Lachen ist eine tödliche Geheimwaffe. Nicht das Lachen des oberflächlichen Spöttelns, das den Feind unterschätzt, sondern das tiefe Lachen des Weisen, der physische Gewalt verabscheut." (Markus Böhm, RONDO exklusiv, 24.3.2022)