Anouk Lamm Anouk (re.) und ihre Frau Marleen Roubik sowie Hundedame Sirius Grace Anouk in ihrem runden Salon, wo es wie fast überall viele Bilder von Anouk zu sehen gibt.

Foto: Mafalda Rakoš

Sirius hat andere Talente. Sirius, Pardon: Sirius Grace Anouk, wird wohl nie das Zeug zur zähnefletschenden Wachhündin haben. Mit ihren 1,3 Kilo Kampfgewicht taugt sie eher zur lebenden Wärmflasche in der Armbeuge ihres Fraulis Anouk Lamm Anouk. Dort verschwindet die Hündin aus der Sippschaft der Yorkshire-Terrier, nachdem sie eine Runde durch die 180 Quadratmeter große Wohnung getrappelt ist.

Katze Moon Fawn Anouk – in der Namensgebung verhält es sich in diesem Haushalt ein wenig exotisch – ist eine bulgarische Straßenkatze, die sich ins Schlafzimmer verzogen hat. Die Türe zu diesem darf der Besucher nicht mal einen Spalt weit öffnen – aus Gründen der Privatsphäre. In den restlichen Räumen und Salons ist es sehr wohl erlaubt, sich umzusehen.

Im Bild ist der sogenannte schwedische Salon zu sehen, der seinen Namen dem Holztisch zu verdanken hat.
Foto: Mafalda Rakoš

Doch spulen wir ein wenig zurück. Die Wohnung von Anouk Lamm Anouk und Marleen Roubik, die sie seit eineinhalb Jahren ihr Zuhause nennen, liegt irgendwie eingeklemmt zwischen dem 1. und 8. Wiener Bezirk. Das Gebäude, das Teil eines ganzen Blockes gründerzeitlicher Bauwerke ist, liegt einen Steinwurf vom Justizpalast und vom Parlament entfernt – vorausgesetzt, man ist in der Lage, einen Stein weit zu werfen.

Vom Ring kommend passiert der Besucher den Grete-Rehor-Park, an dem lediglich ein Chow-Chow samt Herrchen beim Äußerln zugegen ist. Übrigens: Grete Rehor war die erste Ministerin Österreichs, und zwar für soziale Verwaltung. Man schrieb das Jahr 1966. Dem Hund dürfte das einerlei sein. Schnuppernd hält er seine Nase in den grauen Himmel, aus dem ein steifer Wind pfeift.

Repräsentativer Charakter

Beim Parlament sind großen Bauklötzen ähnlich, mehrstöckige Quader aus blauen Containern zu sehen. Der Justizpalast wirkt verwaist, und das Palais Auersperg gleicht einem Geisterpalais, das die Fantasie anregt, an schaurige Geschichten von Edgar Allan Poe zu denken. Lediglich die roten Rücklichter der Autos zeigen ein paar kleine Farbtupfer in der großen, grauen Suppe.

Man betritt ihn von diesem Flur oder aus der danebenliegenden Wohnküche.
Foto: Mafalda Rakoš

Nachdem es ein wenig Zores mit der Türglocke gab, erreicht man also das Zuhause von Anouk und Roubik auf der Beletage eines Hauses, das noch immer vom stattlichen, glattgebügelten Charme des alten Großbürgertums geprägt ist. Den repräsentativen Charakter jener Zeit hat auch die Wohnung der beiden nicht verloren, trotzdem hat es das Paar geschafft, der großzügigen und tipptopp renovierten Bleibe eine dezente Lässigkeit zu verleihen.

Vier Meter hohe Räume, Stuckdecken, ein in Quadraten verlegter Parkettboden, massive Türstöcke und imperial-ornamentale Ledertapeten, die laut Mietvertrag nicht abgetragen werden dürfen, könnten auch eine Großbürger-Bleibe in Paris schmücken.

Vor dem Kamin

Mittendrin, im sogenannten runden Salon, nehmen Anouk und Roubik vor einem Kamin mit beachtlich großem Maul auf einem kleinen grünen Samtsofa Platz. Im besten Falle könnte sich noch Sirius, Pardon Sirius Grace Anouk, dazuquetschen. Die ist gerade neben dem Sofa mit dem Beschnuppern eines Pandabären auf vier Rädern beschäftigt. Zieht man an einer Schnur an seinem Rücken, gibt das Stofftier, eine Art "Muuuuh" von sich. Die beiden stehen auf Teddybären, vor allem Anouk Lamm Anouk.

Die Wohnung der beiden Frauen fungiert ebenso als Atelier und Galerie, in der Sammler empfangen werden. Vom Fenster aus blickt man auf das Palais Auersperg und Richtung Mariahilfer Straße – und auf viel Himmel. Die kugelige Lampe in diesem Raum spielt unzählige Lichtstimmungen.
Foto: Mafalda Rakoš

Hier auf diesem Sofa, das wie der Mittelpunkt der Wohnung wirkt, erzählen die beiden von ihrer Wohnung. Davon, wie sehr sie sich in der Wahl ihrer Möbel und der Gestaltung der Räume einig waren und davon, wie sie in wärmeren Jahreszeen auf dem Balkon ihren Morgenkaffee trinken, abends einen Sundowner schlürfen und viel Himmel sehen. Der tut sich hier in zwei Richtungen großzügig auf und zeigt immer wieder so manches Lichtspiel – heute nicht.

Eigener Lichtton

Licht hat es den beiden auch anderweitig angetan. Mit beinahe kindlicher Freude spielt Anouk per Handy mit den fünf Leuchten, die kugelförmig in verschiedenen Größen über dem Sofa von der kreisrunden Stuckdecke baumeln. "Tausende Lichtfarben lassen sich mit dem Ding kreieren", erzählt Anouk. "Savanne" sei einer ihrer Lieblingstöne, ehe sie zu einem eher puffigen weiterdreht und bei einem Rotton landet, bei dem sie von "Mutterleibsstimmung" spricht. "Die lässt einen gut herunterkommen", sagt sie. "Haben wir Besuch, darf jede und jeder einen eigenen Lichtton wählen, dem wir infolge auch einen Namen verleihen", erzählt Marleen Roubik.

Hier kann man bis zur Wohnküche durchblicken.
Foto: Mafalda Rakoš

Licht spielt an diesem Ort aber noch eine Rolle, und die dürfte wohl die Hauptrolle sein, denn Anouk, die in dieser Wohnung auch an ihren Bildern arbeitet, tut dies zu 95 Prozent bei Tageslicht. Ihr Arbeitspensum dürfte also mit länger werdenden Tagen wieder zunehmen.

"Ich kann Wohnen und Kunst nicht trennen. Das ist eine energetische Frage, auch eine der Work-Life-Balance", mein Anouk.

Wie im Urlaub

Wie ein Atelier wirkt die lässig-bürgerliche und sehr ordentliche Wohnung jedoch keineswegs, eher schon wie eine Galerie. Trotz zahlreicher Groß- und Kleinformate, die fast überall zu finden sind, lassen sich Farbflecken lange und letztendlich vergeblich suchen. Das gilt ebenso für Kittel, Pinsel oder Paletten. Alles picobello. Selbst bei genauem Hinschnuppern ortet die Nase keinen auch noch so feinen Geruch von Farbe. "Das liegt daran, dass ich mit Acryl und Vinyl arbeite, nicht mit Ölfarben", erklärt Anouk, während jazzige Musik aus einem Bluetooth-Lautsprecher auf einem kleinen Schreibtisch am Fenster dudelt.

Auf diesem Bild ist das Bad zu sehen.
Foto: Mafalda Rakoš

Die Bilder, die zum Teil von anderen verdeckt werden, stammen unter anderem aus Anouks Serien Lesbian Jazz oder post/pre. Im vergangenen Jahr wurde die Künstlerin mit dem "Strabag Artaward International" ausgezeichnet, studiert hat sie an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Für Marleen Roubik entspricht die Seele des Wohnens einer Art Urlaubsgefühl. "Und wir fühlen uns hier definitiv auch immer wieder wie im Urlaub", sagt sie.

In der Tat wirken die beiden jungen Frauen in ihrem grünen Wittmann-Sofa glücklich wie ein altes Ehepärchen auf einem Bänkchen in den Strahlen der Abendsonne auf irgendeiner Insel. In ihrem Fall strahlt ein zackiger Heiligenschein, der um die Figur einer Taube strahlt, die Marleen Anouk zum Geschenk gemacht hat.

Von Salon zu Salon

Doch es gibt noch Weiteres zu berichten, aus dem "Urlaubsort" der beiden: Der Grundriss der Wohnung, die das Paar auf Willhaben entdeckt hat, wirkt kreisrund, mit ein paar eckigen Ausreißern. Startet man den Rundgang in der geräumigen Wohnküche, in der sich ein Ledersofa findet, auf dem gut und gern acht Leute Platz finden, führt die zweite Station in den schwedischen Salon. Das Paar nennt so gut wie jedes Zimmer Salon.

Die Figur einer Taube mit zackigem Heiligenschein hat Marleen Anouk zum Geschenk gemacht.
Foto: Mafalda Rakoš

Der schwedische wird deshalb schwedischer genannt, weil ein alter Holztisch sein Zentrum bildet. Um ihn herum stehen Sessel mit Sitzflächen und Lehnen aus Leder auf filigranen Stahlbeinen, ein Entwurf von Giovanni Carini. Daneben gibt’s die LC 4 Liege von Le Corbusier in Schwarz und ein rundes, nestartiges Schaukelmöbel von Ikea. Nicht zu vergessen der prächtige, grüne alte Kachelofen in der Ecke des Raumes – und die Kerzenständer von Entwerfer Fritz Nagel.

Durch den bereits beschriebenen runden Salon gelangt man in den reduzierten Gelben. Der verdankt seinen Namen einem sehr gelben, sehr großen Sofa der Marke Poltrona-Frau, das hier wie ein riesiges Nest den Ton angibt, farblich wie räumlich. Hier ist auch Sirius, Pardon Sirius Grace Anouk, mit zu finden. Schweifchenwedelnd lugt sie aus dem Fenster Richtung Volkstheater.

Als bürgerlich, aber nicht unlässig lässt sich die Atmosphäre dieses Zuhauses beschreiben.
Foto: Mafalda Rakoš

Geschätzte 100 ihrer Art fänden auf dem Möbel Platz, über dem eine Stehleuchte einen Bogen spannt, der an Achille Castiglionis weltberühmte Lampe Arco denken lässt. Die beiden sind sich aber nicht sicher, ob sie aus seiner Feder stammt. Sie können sich allerdings gut daran erinnern, wie sie den 50-Kilo-Sockel des Licht-Möbels aus Marmor mithilfe von Badetüchern in die Wohnung hievten.

Durchgangsbad

Von diesem Zimmer, in dem ebenfalls zahlreiche Großformate an der Wand lehnen, gelangt man in eines der beiden Badezimmer. Dieses erstrahlt derart sauber, dass man meinen könnte, die Fliesenleger hätten gerade erst ihre Arbeit beendet. Von der Optik erinnert es an ein Fünf-Sterne-Hotel im New York der 30er-Jahre. Die zwei Waschbecken, die reliefartigen Fliesen rund um die Spiegel hätten auch Clark Gable und Carole Lombard gut zu Gesicht gestanden.

Hier ist der sogenannte gelbe Salon samt Riesensofa aus Leder zu sehen.
Foto: Mafalda Rakoš

Das Durchgangsbad führt weiter in den Flur, vorbei an Wäschekammer und weiter zu einer Abzweigung, die zu einem kleinen Abstellraum, dem zweiten Bad und der verbotenen Zone des Schlafgemachs führt. Die Tür bleibt noch immer zu. Die Katze drin – auch gut. So schließt sich der Kreis des Rundgangs, und der Besucher landet samt Bewohnerinnen wieder in der Küche.

Einen Wohntraum hegen die beiden nicht wirklich. Warum wundert einen das nicht? "Obwohl", legen sie nach, "ein bisschen Land wäre gut, vielleicht an einem See, eventuell am Achensee, ein Haus aus viel Beton und Glas. Wobei wir die Stadt schon brauchen. Mal sehen, was das Leben so bringt", meinen die beiden. Einstweilen scheint das Urlaubsgefühl in der Nachbarschaft zu Parlament und Justizpalast aber noch nicht verflogen zu sein. Und Sirius, Pardon: Sirius Grace Anouk? Die wedelt zum Abschied mit dem Schwänzchen, ehe sie wieder durch die Weiten seiner Salons trappelt. (Michael Hausenblas, RONDO exklusiv, 27.3.2022)

Foto: Mafalda Rakoš