Agrana betreibt 55 Werke in 26 Ländern.

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Wien –Die durch den Ukraine-Krieg drohende Knappheit an Getreide ist eine Zeitbombe, sagt Markus Mühleisen, CEO des Nahrungsmittelkonzerns Agrana. In vielen Schwellenländern sind Menschen gezwungen, mehr als 80 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel auszugeben. Die ohnehin hohe Inflation setze ihren Problemen noch eines drauf. Gelinge es nicht, diese Länder mit leistbarem Weizen zu versorgen, berge dies sozialen Sprengstoff.

Die ukrainische Regierung versuche derzeit alles, um die Landwirtschaft im eigenen Land zu stabilisieren, die Aussaat zu ermöglichen, Arbeiter dafür vom Militärdienst freizustellen und Exportware aus dem Land zu bekommen, erzählt Mühleisen. Die Seehäfen sind zu, Transporte mit Zügen und LKW riskant.

Die Agrana selbst erzeugt rund um Winnyzja südwestlich von Kiew in drei Werken mit 600 Mitarbeitern Saftkonzentrat und Fruchtzubereitungen. Dazu kommen 950 Hektar an Obstplantagen. Der örtliche Flughafen sei zerbombt, die Stadt bisher ansonsten jedoch von Kampfhandlungen verschont.

"Auf Sicht fahren"

Agrana produziere aus Sicherheitsgründen nur tageweise, um die lokale Bevölkerung zu versorgen. Alle Exporte wurden eingestellt, sagt Mühleisen. "Wir fahren nur noch auf Sicht." Gerade erst sei die Fabrik eines Kunden zerstört worden. 40 Familien holte Agrana aus der Ukraine und brachte sie an anderen Niederlassungen unter.

Aus Russland zieht sich der österreichische Frucht-, Stärke- und Zuckerriese anders als viele internationale Konzerne nicht zurück. Agrana beschäftigt in der Fruchtzubereitung 100 Kilometer außerhalb Moskaus hunderte Mitarbeiter und beliefert unter anderen den Milchverarbeiter Danone. Die Lebensmittelversorgung müsse aufrecht erhalten bleiben, sagt Mühleisen.

In Summe erzielt Agrana in beiden Ländern vier Prozent ihres Gesamtumsatzes von 2,55 Milliarden Euro. Ob es für die vom Krieg betroffene Fabriken Abschreibungsbedarf gibt, steht auf dem Prüfstand.

Heizöl statt Gas?

Wie sich die hohen Ausgaben für Energie, Sprit und Düngemittel aufs Geschäft und infolge auf die Lebensmittelpreise für Konsumenten auswirken, wagt Mühleisen nicht abzuschätzen. Agrana ist Weltmarktführer für Fruchtzubereitungen und zählt zu den drei größten Herstellern von Saftkonzentrat. Die Stärkeproduktion dient zunehmend technischen Anwendungen in der Kosmetik- und Baustoffbranche.

Teurer Treibstoff belastet Mühleisen zufolge vor allem das Zuckergeschäft. Patentlösung, um von russischem Gas unabhängiger zu werden, gebe es keine. Für die Zuckerfabrik Tulln werden Investitionen überlegt, um kurzfristig auf Heizöl ausweichen zu können. "Für den Klimaschutz eine Katastrophe. Aber wir müssen abwägen." (Verena Kainrath, 16.3.2022)