Viktor Orbán bei der Kundgebung am Dienstag in Budapest.

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ist im Wahlkampfmodus, denn die Parlamentswahl am 3. April könnte für ihn gefährlich werden. Zum ersten Mal in den zwölf Jahren seiner Amtszeit sieht sich der Rechtspopulist von einer geeinten Opposition herausgefordert. Am Dienstag, 15. März, ließ er einen sogenannten Friedensmarsch mit mehreren zehntausend Anhängern aus dem ganzen Land durch Budapest ziehen, dem Nationalfeiertag für die von Österreichern und Russen niedergeschlagene Revolution von 1848.

Es lag ihm daran, ihnen Zuversicht einzuflößen. "Unsere Kräfte und Chancen steigen von Tag zu Tag", tönte er. "Unsere Gegner taumeln im Zustand größter Ratlosigkeit und am Rande des Zerfalls." Doch Orbán hat ein Problem. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine beschädigt seine Glaubwürdigkeit und isoliert sein Land in Europa, das seit 1999 der Nato und seit 2004 der EU angehört.

Anbiederung an Russland

Denn wie kein anderer Regierungschef eines westlichen Bündnislandes hat sich Orbán in den vergangenen Jahren dem russischen Präsidenten Wladimir Putin als Partner angedient. Gemeinsame Geschäfte mit russischen Oligarchen, russische Kredite für die Erweiterung des Atomkraftwerks Paks um zwei Reaktoren und die Übernahme russischer Machttechniken – wie etwa die Knebelung unabhängiger Medien oder die Hetze gegen die LGBTIQ-Community – begründeten eine unheimlich anmutende politische und ideologische Freundschaft.

Das fällt Orbán jetzt auf den Kopf. Die russische Aggression gegen die Ukraine verurteilte er nur halbherzig. Die EU-Beschlüsse zu den Sanktionen gegen Russland und zu den Waffenlieferungen an die Ukraine trug er nur widerwillig mit, um nicht völlig isoliert dazustehen. Ungarns Außenminister Péter Szijjártó weigert sich, einen hohen russischen Freundschaftsorden zurückzugeben. Er ist der einzige Chefdiplomat in der EU, der solch einen erhalten hat.

Orbán: Ungarn ist eine Schachfigur

Vor seinen Anhängern machte Orbán klar, wie sehr sich seine Politik dem nunmehr ungewöhnlich einigen Westen entfremdet hat. "Aus diesem Krieg müssen wir uns heraushalten", sagte er. "Die Kriege werden nicht für uns und nicht in unserem Interesse geführt", als hätte die Aggression gegen die Ukraine nichts mit Europa als Wertebündnis zu tun. "Ungarn ist nur eine Figur auf dem Schachbrett der Weltmächte. Mal will uns der eine, mal der andere an die Front schieben. Wenn es ihre Ziele erfordern, opfern sie uns auf." Er hofft damit zu punkten, dass seine scheinneutralen Friedenslosungen dem Bedürfnis der Bürger nach Sicherheit und Geborgenheit entgegenkommen.

Die Opposition hielt am selben Tag am anderen Donauufer ihre eigene Kundgebung ab, zu der ebenfalls Zehntausende strömten. Ihr Spitzenkandidat Péter Márki-Zay, der als konservativer Außenseiter aus einer von der Opposition organisierten Vorwahl hervorging, versprach, im Falle eines Wahlsieges das Land wieder an die Seite seiner westlichen Bündnispartner zu führen. "Am 3. April wählen wir zwischen Europa und dem Osten." (Gregor Mayer aus Budapest, 16.3.2022)