Bild nicht mehr verfügbar.

Virtuell sprachen die beiden Kirchenfürsten miteinander – allzu viel Nähe entstand auch inhaltlich nicht.

Foto: Vatican Media/Handout via REUTERS

"Papst Franziskus stimmte mit dem Patriarchen darin überein, dass die Kirchen aufgerufen sind, zur Stärkung von Frieden und Gerechtigkeit beizutragen", erklärte Vatikansprecher Matteo Bruni am Mittwochabend nach der Videokonferenz zwischen den beiden christlichen Kirchenoberhäuptern. Papst und Patriarch seien sich einig gewesen, "Hirten desselben heiligen Volkes zu sein, das an Gott, an die Heilige Dreifaltigkeit und an die Heilige Mutter Gottes glaubt: Deshalb müssen wir uns zusammenschließen, um dem Frieden zu helfen, um den Leidenden zu helfen, um Wege des Friedens zu suchen, um das Feuer zu stoppen."

An dem virtuellen Treffen zwischen Rom und Moskau nahmen auch der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen und damit "Ökumene-Minister" des Vatikans, sowie Metropolit Hilarion, Leiter der Abteilung für Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats, teil.

Über die Dauer des Gesprächs wurde nichts bekannt, aber eines steht fest: Es muss sehr schwierig und, zumindest für Papst Franziskus, wohl auch sehr frustrierend gewesen sein. Denn Kyrill I. weigert sich wie der russische Präsident Wladimir Putin weiterhin, die Invasion der Ukraine als das zu bezeichnen, was sie ist: einen Krieg. In einem nach der Videokonferenz vom Moskauer Patriarchat verbreiteten Communiqué war lediglich von einer "kritischen Situation in der Ukraine" die Rede. Ganz anders der Papst: "Als Seelsorger haben wir die Pflicht, allen Menschen, die unter dem Krieg leiden, nahe zu sein und ihnen zu helfen", war der Wortlaut von Franziskus im vatikanischen Communiqué.

Neue Spaltung droht

Nach Jahren der Annäherung und der ökumenischen Bemühungen droht der russische Aggressionskrieg einen neuen und vielleicht für lange Zeit unüberwindlichen Keil zwischen die römisch-katholische und die russisch-orthodoxe Kirche zu treiben. Franziskus hatte Kyrill im Jahr 2016 in Kuba getroffen; und er hoffte auf eine Einladung nach Moskau in diesem Juni oder Juli. Doch dann kam das, was die italienischen Medien als "Kyrills Schockpredigt" bezeichneten: Der Patriarch rechtfertigte die russische Invasion damit, dass den Gläubigen im Donbass in der Ostukraine die Verderbtheit und die Perversionen des Westens aufgezwungen werden sollten. Kyrill erwähnte unter anderem "Gay-Pride-Paraden".

"Was derzeit in den internationalen Beziehungen geschieht, hat nicht nur eine politische Bedeutung", betonte Kyrill. "Es geht um etwas anderes und viel Wichtigeres: Es geht um das Seelenheil der Menschen." Mit anderen Worten: In den Augen von Kyrill führt Putin in der Ukraine einen heiligen Krieg, oder nach russischer Sprachregelung: eine heilige Spezial-Militäraktion. Der Patriarch und Putin: Sie sind vereint in ihrer Homophobie, ihrem Fremdenhass, ihrer Verachtung des säkularen und demokratischen Westens – und auch in ihrem großrussischen Wahn. Kyrill fabuliert genauso von der "Einheit der Rus" wie der Despot im Kreml.

In der Tat ist das Verhältnis zwischen Putin, den seine Mutter unter kommunistischer Herrschaft heimlich hatte taufen lassen, und Kyrill eng. Nach dem Ende der Sowjetunion und ihrer atheistischen Staatsideologie hat die russisch-orthodoxe Kirche dank großzügiger finanzieller Hilfen von Putin eine beeindruckende Renaissance erfahren. Und so ist die Religion in Russland wieder zu einem nicht zu unterschätzenden Machtfaktor geworden – zugunsten Putins. Nicht umsonst forderte Wladimir Klitschko, der Bürgermeister von Kiew, Papst Franziskus und Patriarch Kyrill am Dienstag auf, in die Ukraine zu kommen. "Die Präsenz der religiösen Leader könnte der Schlüssel zur Rettung von Leben und zu einer Friedenslösung sein", sagte Klitschko.

Klartext vom Pontifex

Weder Franziskus noch Kyrill haben sich bisher zur Einladung geäußert – ob diese bei der Videokonferenz vom Mittwoch ein Thema war, blieb offen. Papst Franziskus zeigte sich jedenfalls entsetzt über die Rede Kyrills, den er vor dem Beginn des Kriegs noch freundschaftlich "Bruder" genannt hatte. Während des Gesprächs hielt er Kyrill vor, dass man heutzutage nicht mehr von einem "heiligen" oder einem "gerechten" Krieg reden könne, wie man das früher auch in der katholischen und orthodoxen Kirche gemacht habe. "Es hat sich ein christliches Bewusstsein für die Bedeutung des Friedens entwickelt", sagte der Papst.

Kyrills Weigerung, den Krieg Putins zu kritisieren, war für Papst Franziskus schon vor der Videokonferenz der Anlass für eine markante Kurskorrektur gewesen. Hatte der Vatikan sich bezüglich des Kriegs in der Ukraine zunächst noch zurückgehalten, um die vom Vatikan angebotene Vermittlerrolle in dem Konflikt nicht zu beeinträchtigen, redet der Pontifex in Rom nun Klartext: "Ströme von Blut und Tränen fließen in der Ukraine. Es handelt sich nicht um eine Militäroperation, sondern um einen Krieg, der Tod, Zerstörung und Elend mit sich bringt", betont das katholische Kirchenoberhaupt. (Dominik Straub aus Rom, 17.3.2022)