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Geht es nach der EU-Kommission sollen Messenger in Europa bald zum Einbau von dem, was man offiziell nicht Hintertüren nennen will, verpflichtet werden: dem "Client Side Scanning".

Foto: DADO RUVIC / REUTERS

Die EU-Kommission in ihrem Lauf hält weder Krieg noch Covid auf. Bereits Ende des Monats soll der offizielle Vorschlag der Kommission für eines der derzeit wohl umstrittensten Gesetzesvorhaben präsentiert werden, wie ORF-Journalist Erich Möchel im FM4-Blog berichtet: die sogenannte Chatkontrolle.

Worum geht es?

Auch wenn der aktuelle Vorschlag noch nicht publik ist, die Grundzüge sind bereits seit dem Vorjahr bekannt, nachdem der deutsche EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piraten/Grüne) interne Dokumente publik gemacht hat. Demnach sollen E-Mail- und Messenger-Anbieter dazu gezwungen werden, die Inhalte in ihren Apps regelmäßig nach "problematischen" Inhalten zu durchsuchen und diese dann automatisiert an Behörden zu melden.

Betroffen wären also vor allem Dienste, die die Kommunikation mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützen. Eine solche sorgt dafür, dass wirklich nur die Teilnehmer die Inhalte sehen, also selbst der Betreiber am Weg nicht mitlesen kann. Die prominentesten Beispiele hierfür sind Signal und Whatsapp, es gibt aber noch viele andere Tools, die das ebenfalls treffen würde. Maildienste führen solche Scans hingegen oft schon heute auf freiwilliger Basis durch.

Argumentation

Wie so oft in solchen Fällen wird die "Chatkontrolle" als eine Maßnahme zur "Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internets" beworben. Datenschützer können damit trotzdem wenig anfangen. Es handle sich hierbei um nicht weniger als eine effektive Aushebelung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch die Hintertür, so die Kritik. Sei ein solches System einmal etabliert, könnte es auch leicht für allerlei andere Suchen nach unerwünschten Inhalten genutzt werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass solche Hintertüren dann auch von Dritten über Fehler in den jeweiligen Apps ausgenutzt werden, um Spionage zu betreiben.

Apple ist damit gescheitert

Wem die Diskussion irgendwie bekannt vorkommt: Pläne für ein ähnliches "Client Side Scanning" hatten Apple im Vorjahr massive Kritik eingebracht. Die Empörung war dabei so stark, dass der iPhone-Hersteller die betreffenden Pläne vorübergehend auf Eis legte.

Selbst Apple-Mitarbeiter äußerten öffentlich ihren Unmut, da sie in solch einer Initiative das Öffnen der sprichwörtlichen Büchse der Pandora sahen – also den ersten Schritt in eine Totalüberwachung der Kommunikation. NSA-Whistleblower Edward Snowden sprach damals gar davon, dass Apple damit "der Privatsphäre den Krieg erklärt" habe.

Aktuelle Lage

Dass die Initiative der EU gerade jetzt neue Fahrt aufnimmt, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie. Verdeutlicht der Ukraine-Krieg doch gerade, wie wichtig eine effektive Verschlüsselung der Kommunikation auch für die physische Sicherheit der Menschen ist – und zwar sowohl aufseiten der Opfer des Kriegs als auch bei denen, die in Russland dem Angriff gegen die Ukraine nicht zustimmen und infolge staatliche Repressalien zu fürchten haben. (apo, 17.3.2022)