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Schwerreiche philanthropische Stiftungen in Österreich? Davon sind wir (noch) weit entfernt. 2020 flossen aus Stiftungsquellen zusammen etwa 70 Millionen Euro in das Gemeinwohl.

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Wer mit dem Verweis auf das etablierte Stiftungswesen in anderen Ländern die Philanthropie in Form von gemeinnützigen Stiftungen in Österreich fördern möchte, wird in aller Regel mit dem Hinweis bedacht, dass das hierzulande wenig bringt, weil einfach keine entsprechende Kultur vorhanden sei. Das mag stimmen. Kultur ist aber auch formbar. Dass der Stiftungssektor seit dem Niedergang durch den Zweiten Weltkrieg zahlenmäßig nur moderat gewachsen ist, hat mehrere Ursachen.

Zum einen konnte oder wollte man die Wiederherstellung der Vermögen nicht bewerkstelligen. Auch waren Stifterinnen oder das entsprechende Vermögen schlicht und ergreifend nicht mehr vorhanden. Zum anderen hat auch der Aufbau und Ausbau des sozialpartnerschaftlich geprägten Wohlfahrtsstaats entsprechendes philanthropisches Engagement nicht mehr aufkommen lassen. Bereiche wie Gesundheit oder Bildung sowie viele soziale Dienstleistungen wurden zusehends als Aufgabe des Staates verstanden.

Dazu kommt, dass die beiden politischen Lager über Jahrzehnte dieses Thema regelmäßig vernachlässigt haben. Während die einen den steuerfinanzierten Wohlfahrtsstaat propagierten, haben die anderen mit Verweis auf die hohe Steuerlast eine Debatte über bürgerschaftliches Engagement vermieden; ganz im Gegensatz übrigens zu Deutschland, wo sich seit den 1990ern der gemeinnützige Stiftungssektor durch entsprechende Unterstützung der Politik verdoppelt hat.

Vermögens- und Erbschaftsfragen

In dieser Zeit wurde hierzulande die Privatstiftung etabliert. Sie diente dem Zusammenhalt von Vermögen sowie Unternehmen in Familienhänden und sollte Österreich für ausländisches Kapital attraktiver machen. Beides wurde erreicht. Das gemeinnützige Stiften war in dieser Diskussion kein Thema. Die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuern in Österreich im Jahr 2008 war dem Prinzip des Stiftens ebenfalls nicht zuträglich. Während in vielen anderen westlichen Ländern die Übertragung von Vermögen im Erbweg oft Auslöser für die Gründung von gemeinnützigen Stiftungen ist, verlaufen bei uns die Debatten dazu regelmäßig im Sand.

Dabei ist es interessant, dass Privatspenden und Freiwilligenarbeit durchwegs geschätzt sind in Österreich, das dem analoge Engagement wohlhabender Menschen aber deutlich weniger. Das Misstrauen überwiegt. Dass Stifterinnen selbst entscheiden (wollen), wofür sie sich engagieren, ist schon verdächtig; diese freie Entscheidung dann aber auch noch mit Steuerentlastung zu belohnen fand lange bei keiner Partei Eingang in die politische Programmatik.

Der letzte Versuch, dem hierzulande wenig gebräuchlichen Begriff der Philanthropie und dem Stiftungswesen in Österreich mehr Leben einzuhauchen, stammt von 2015. Die große Koalition hat im Rahmen des Gemeinnützigkeitspakets das Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz und damit in Verbindung das Einkommenssteuerrecht novelliert. Damit sollte sich die Zahl der gemeinnützigen Stiftungen innerhalb von 15 Jahren verfünffachen, die entsprechenden privaten Fördermittel für (zivil)gesellschaftliche Anliegen überproportional stark steigen und mit rund 1,2 Milliarden Euro an die Größenordnung des Stiftungslands Schweiz herangeführt werden. Kaum etwas davon zeichnet sich heute ab.

Bestandsaufnahme

Während in Deutschland gründungswillige Stifter auch von öffentlichen Einrichtungen ausgiebig beraten werden, zittert man sich hierzulande durch den Gründungsprozess.

2021 unternahmen wir an der WU wieder einmal eine Bestandsaufnahme des österreichischen Stiftungssektors. Von den etwas über 3500 Stiftungen in Österreich können aktuell rund 750 als gemeinnützige Stiftungen qualifiziert werden. Diese setzen sich aus rein gemeinnützigen Privatstiftungen sowie Stiftungen nach Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz sowie nach neuen Landes-Stiftungs- und Fondsgesetzen und den 35 Sparkassen-Privatstiftungen zusammen. Generell lässt sich damit ein leichter Anstieg bei der Anzahl philanthropischer Stiftungen im Vergleich zu 2015 konstatieren.

Bei den Neugründungen der letzten Jahre wurden auffällig viele selbst von gemeinnützigen Organisationen wie Sozialorganisationen, Forschungseinrichtungen und Universitäten errichtet. Sie alle sind im Rahmen ihrer Stiftungen selbst auf der Suche nach privaten Spenden und Zustiftungen. Eine Analyse der Stiftungszwecke bringt hervor, dass die 284 gemeinnützigen Privatstiftungen überwiegend der Förderung und Unterstützung im Bereich soziale Dienstleistungen (42 Prozent) gewidmet sind, gefolgt von Bildung und Forschung (34 Prozent), der Förderung von Kultur bzw. dem Erhalt von Kulturgütern (26 Prozent) sowie dem Gesundheitsbereich (14 Prozent).

Bei den Stiftungen nach Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz lässt sich festhalten, dass sich beinahe die Hälfte in irgendeiner Form der Förderung der Wissenschaft zum Beispiel in Form von Forschung oder Stipendien verschrieben haben, während bei den Stiftungen nach Landes-Stiftungs- und Fondsgesetzen die Unterstützung einkommensschwacher Gruppen oder der Versorgung mit unterstützenden Dienstleistungen einen Schwerpunkt in den Stiftungszwecken darstellt.

Mangelnde Wertschätzung

Damit ist der gemeinnützige Stiftungssektor in Österreich im internationalen Vergleich relativ klein, sowohl hinsichtlich der Anzahl an Stiftungen als auch im Volumen der zur Verfügung gestellten Fördermittel. So schätzte der Fundraising-Verband Austria in seinem Spendenbericht 2020, dass Stiftungen in Österreich das Gemeinwohl mit rund 70 Millionen Euro unterstützen – eine Größenordnung, für die sich in Deutschland oder der Schweiz bereits einzelne gemeinnützige Stiftungen finden lassen, die jeweils mehr Jahresbudget vorweisen können als hierzulande in Summe.

Jedenfalls ist man in Österreich noch weit entfernt vom international gängigen Bild einer vermögenden Stiftung, die von Einzelpersonen oder Familien gegründet wird und sich zielgerichtet der Bearbeitung gesellschaftlicher Herausforderungen widmet. Die geringe Wertschätzung dieser Form gesellschaftlichen Engagements von Privatpersonen macht das Stiften wenig attraktiv und lässt es nicht vor den Vorhang treten. Trotz allem gibt es sie, die engagierten Stifterinnen und Stifter. (Reinhard Millner, 22.3.2022)