Die Winter werden kürzer, die Pollensaison wird länger: Für Allergikerinnen und Allergiker bedeutet das eine immer stärker werdende Belastung.

Foto: imago images/Zuma Wire/Robin Loznak

So manche werden die FFP2-Maske wohl unabhängig von politischen Entscheidungen und breiten Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen weiter bis in den Sommer tragen. Allerdings nicht, um sich vor dem Virus zu schützen – bzw. nicht nur. Allergikerinnen und Allergiker hätten die Maske schon vergangenes Frühjahr auch gegen fliegende Pollen schätzen gelernt, berichtet die Lungenfachärztin Robab Breyer-Kohansal.

Sie ist Forschungsleiterin am Ludwig-Boltzmann-Institut für Lungengesundheit und führt mit der LEAD-Studie die bisher größte epidemiologische Beobachtungsstudie Österreichs zur Lungengesundheit durch. Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer zwischen sechs und 80 Jahren werden alle vier Jahre unter anderem mittels Hautallergietest untersucht, um die Anfälligkeit für Allergien im Verlauf beobachten zu können.

Ein Drittel mit Risiko

Bei ebendiesem Hautallergietest, dem sogenannten Skin-Prick-Test, werden Allergenlösungen mit einem oberflächlichen Anritzen auf die Haut aufgetragen. Reagiert der oder die Untersuchte auf eines oder mehrere der Allergene, spricht man von einer Sensibilisierung. Eine Allergie ist es erst dann, wenn zur Sensibilisierung auch Symptome wie Schnupfen oder juckende und geschwollene Augen kommen. "Nicht alle, die sensibilisiert sind, haben eine Allergie, aber aus einer Sensibilisierung kann sich im Laufe des Lebens eine Allergie entwickeln", warnt Breyer-Kohansal. Das hat mit der Immunantwort zu tun: "Bei Allergien reagiert der Körper auf einen Umweltstoff, in diesem Fall ein Allergen, mit einer überschießenden, nicht angemessenen Reaktion des Immunsystems", erklärt die Expertin. Wie viele in Österreich von Allergien betroffen sind, wusste man lange Zeit nicht.

Auch internationale Zahlen sind nicht sehr aufschlussreich. Man liest von 20 bis 70 Prozent aller Menschen, bei denen ein Hautallergietest positiv ist. Die LEAD-Studie liefert erstmals genaue Zahlen zum Allergiegeschehen in Österreich: Knapp 1500 Kinder und Jugendliche und 10.000 Erwachsene wurden untersucht. 37 Prozent hatten einen positiven Hautallergietest, Männer häufiger als Frauen. Die meisten reagieren nicht nur auf ein Allergen, im Schnitt sind es drei unterschiedliche Allergene, die häufigsten dabei Milben und Gräser.

Vier Jahre später ist die Anzahl derer mit positivem Test weiter gestiegen – vor allem bei Kindern und jungen Menschen. "Eine wahrscheinliche Ursache für diesen Anstieg ist der Klimawandel. Die Temperaturen steigen, unsere Winter werden kürzer, und Umweltschadstoffe in der Luft erhöhen die Pollenproduktion allergieauslösender Pflanzen", analysiert Breyer-Kohansal. Sie und ihr Team werden diesen Zusammenhang mithilfe von Umweltdaten noch weiter untersuchen.

Pollenbelastung steigt

Ein Blick auf internationale Forschungen unterstreicht ihre Theorie: Weltweit messen Wissenschafterinnen und Wissenschafter seit Jahren eine zunehmende Pollenkonzentration in der Luft. In Nordamerika ist sie seit 1990 um 21 Prozent gestiegen, wie die Forschung eines Teams der University of Utah unlängst zeigte. Die Pollensaison beginnt damit heute 20 Tage früher als noch vor 20 Jahren.

Für den weiteren Krankheitsverlauf von Allergikern und Allergikerinnen ist das entscheidend, denn sehr oft besteht das Risiko einer chronischen Lungenerkrankung wie Asthma. "Nicht alle, die allergisch sind, haben Atemwegsprobleme. Aber sehr viele der Personen mit Atemwegsproblemen haben sie auf Basis einer Allergie", stellt Breyer-Kohansal klar. Zu den typischen Symptomen gehören anfallsartiger Husten, Atemnot und ein pfeifendes Geräusch beim Ausatmen.

Asthma gut behandelbar

Allergiebedingter Schnupfen klingt harmlos, kann aber in die Lunge übergehen, wie die Fachfrau erklärt: "Wenn man sich abends mit einer verstopften, rinnenden Nase hinlegt, kommt es zum Abtropfen in die Atemwege. Diese reagieren, indem sie sich verengen. Wir nennen das den Etagenwechsel." Dieser Schnupfen hat bei fehlender Behandlung negative Auswirkungen auf die Prognose und den Schweregrad von allergischem Asthma.

Die Lungenfachärztin beschreibt das Gefühl von Betroffenen so: "Man atmet ein. Beim Ausatmen verengen sich dann die Atemwege. Man kann also nicht mehr die gesamte Luft ausatmen. Wenn das ein paar Mal hintereinander passiert, fühlt man sich wie ein Luftballon und hat das Gefühl, man kann nicht mehr einatmen. Es entsteht ein Engegefühl in der Brust."

Bis dato ist eine Immuntherapie die einzige Möglichkeit, den Ursprung des Problems zu beheben. Mit Spritzen, Tropfen oder Tabletten wird der Körper über drei bis fünf Jahre hinweg immer wieder mit dem Allergen in Berührung gebracht. Das wirkt ähnlich wie eine Impfung, sodass der Körper irgendwann mit der überschießenden Immunantwort aufhört.

Darüber hinaus, so Breyer-Kohansal, könne man auch die Symptome von Asthma sehr gut behandeln. Viele würden das Risiko einer asthmatischen Erkrankung allerdings unterschätzen und Heuschnupfen auf die leichte Schulter nehmen. Sie rät deshalb zu einem Allergietest, "denn man braucht in der Medizin zuerst die Diagnose, um etwas dagegen tun zu können". (Magdalena Pötsch, 19.3.2022)