Barisic: "Wir bei Rapid bleiben moralisch sauber und korrekt".

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In Hütteldorf ist der Optimismus eingekehrt. Auch weil man gelernt hat, mit Enttäuschungen umzugehen und Ruhe zu bewahren. Ein Sieg im Wiener Derby gegen die Austria (Sonntag, 17 Uhr im STANDARD-Ticker) würde die Lage und Laune weiter verbessern.

STANDARD: Yusuf Demir ist 18, Bernhard Zimmermann, Martin Moormann und Moritz Oswald sind 20, Torhüter Niklas Hedl und Emanuel Aiwu 21. Teamspieler Marco Grüll ist auch erst 23. Hat Rapid den Umbruch vorgezogen oder bereits vollzogen?

Barisic: Vorgezogen auf alle Fälle, vollzogen würde ich nicht sagen. Das würde ja bedeuten, dass wir schon fertig sind. Wir haben noch so viele gute Spieler in unserem Nachwuchs beziehungsweise auf unserem Radar, das ist ein wiederkehrender Prozess. Wir leben unsere Philosophie, auf die Jugend zu setzen. Die ist vom Präsidium, von mir und auch von unseren Fans gewünscht.

STANDARD: War es eine Notwendigkeit? Und ist diese Beschleunigung auch eine Folge von Corona gewesen?

Barisic: Nein, wir haben uns bewusst dafür entschieden. Corona hat alles radikalisiert, man wollte und musste nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen ein vermindertes Risiko eingehen. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, die Jungen sofort einzubauen, sie schneller ins kalte Wasser zu werfen.

STANDARD: Ist Rapid nun offiziell ein Ausbildungsverein?

Barisic: Wenn man schaut, wie viele Österreicher oder in Österreich tätig gewesene Fußballer jetzt in tollen Ligen spielen, kann man von einer Ausbildungsliga sprechen. Nicht nur vom Ausbildungsverein Rapid. Ich denke speziell an Salzburg, die versorgen Weltklubs. Darauf kann man generell stolz sein.

STANDARD: Birgt diese radikale Verjüngung auch Gefahren?

Barisic: Ja, und zwar die Gefahr möglicher Misserfolge, verbunden mit negativen Emotionen, mit Enttäuschungen. Das sind viele Risiken. Aber wir haben uns gemeinsam bewusst für diesen Weg entschieden, der auch Rückschläge beinhaltet.

STANDARD: Mittlerweile gibt es kaum noch Spielerverträge ohne Ausstiegsklauseln. Macht das Sorgen? Die Planungssicherheit fehlt?

Barisic: Sorgen mache ich mir sowieso. Weil die Schnelllebigkeit im heutigen Fußball eine andere ist als vor zehn, 20 oder 30 Jahren. Ich kann nicht damit rechnen, dass ein Spieler zehn Jahre bleibt. Das sind Ausnahmen. Okay, von Real Madrid geht man nicht weg. Für unsere Talentiertesten ist Rapid nicht die letzte Station. Wir bieten ihnen gewisse Möglichkeiten, wir sind ein toller Klub, bei dem man erfolgreich Fußball spielen darf. Sie sollen Rapid im Idealfall als Sprungbrett für eine Weltkarriere nützen, das ist unser Ziel. Im Übrigen versuchen wir, Ausstiegsklauseln zu vermeiden.

STANDARD: Ist der Einfluss der Berater und Manager mittlerweile so groß, dass man ihnen als Verein, als Sportgeschäftsführer ausgeliefert ist?

Barisic: Das ist ein sensibles Thema, die Fragestellung ist ziemlich radikal, nicht in einfachen Worten zu beschreiben. Es gehört immer der Spieler dazu. Er sucht sich den Berater aus, er hat Wünsche, der Berater soll sie erfüllen. Ich würde das nicht immer auf die Manager schieben. Es gibt keine einheitlichen Regeln. Viele Menschen fühlen sich bemüßigt, Berater zu spielen. Es gibt wenige Berufszweige, wo du keine Ausbildung brauchst. Es glauben einige, als Berater agieren zu müssen. Das kann mühsam sein.

STANDARD: Ist die Moral im Fußball abgeschafft?

Barisic: Wir bei Rapid bleiben moralisch sauber und korrekt, das ist wichtig. Reden wir über den Weltfußball. Wie sich der Markt vor Corona entwickelt hat, das war versaut. Eine Zeit lang hat uns Corona zum Durchatmen gezwungen. Aber nun häuft sich die Meinung, dass Corona vorbeigeht und dann alles wieder so sein wird wie davor. Das ist gefährlich.

STANDARD: Apropos Moral. Taxi Fountas hatte wenig Interesse gezeigt, seinen Vertrag zu erfüllen.

Barisic: Mich nervte, dauernd darauf angesprochen zu werden. Dieses Beispiel macht nicht Schule. Ob ich über sein Verhalten enttäuscht bin oder nicht, ist egal. Da muss ich meine Gefühle im Zaum halten.

STANDARD: Kommen wir zur aktuellen Situation. Rapid wirkt gefestigt, gewinnt wichtige Spiele, auf Platz zwei fehlt nur ein Punkt. Es ist ein Aufschwung spürbar. Welchen Anteil hat Trainer Ferdinand Feldhofer?

Barisic: Feldhofer und sein Betreuerstab haben einen großen Anteil. Das Wichtigste war, dass wir in heiklen Phasen Ruhe bewahrt, an die eigenen Stärken geglaubt haben. Das ist etwas Wertvolles. Selbst wenn wir es nicht geschafft hätten, in die Meistergruppe zu kommen, wäre es mit Rapid wunderbar weitergegangen. Natürlich mit dem Absacker Qualifikationsgruppe. Wir wissen, was wir tun. Es ist sehr viel Pionierarbeit. Feldhofer hat immer klar kommuniziert, er ist eine Bereicherung.

STANDARD: Da man fix davon ausgehen muss, dass Salzburg Meister wird, ist Rapid dann 14 Jahre ohne Titel. Wie lange hält das der Verein aus?

Barisic: Ich halte diese Frage für etwas provokant.

STANDARD: Warum?

Barisic: Natürlich wollen wir Titel. Salzburg hat aber 150 Millionen Euro Budget, wir haben 30. Das ist eine Differenz zwischen dem Ersten und dem Zweiten, die gibt es weltweit nirgendwo. Man kann Pokale nicht versprechen, da wäre ich ein Scharlatan. Was ich versprechen kann, ist, dass unsere Fans gerne ins Stadion kommen, unsere Burschen anfeuern, sich mit unseren Anliegen, mit der Mannschaft identifizieren. Auch wenn wir verlieren, sollen sie das Gefühl haben, dass man alles gegeben hat, über die Grenzen gegangen ist. Das will ich. Aber natürlich waren wir nach dem Scheitern im Cup an Hartberg enttäuscht, das war nicht einfach, das konnte man nicht sofort vom Tisch wischen.

STANDARD: Ist Demir vielleicht ein gutes Beispiel dafür, dass man sich nicht zu früh verändern soll?

Barisic: Ich will nicht sagen, dass er ein gutes oder schlechtes Beispiel ist. Klopft Barcelona an, muss man die Tür aufmachen. Es hat nicht viel gefehlt, und Yusuf wäre dortgeblieben. Man weiß oft nicht, was richtig oder falsch ist. Jetzt schaut er, dass er ein fixer Bestandteil der Kampfmannschaft von Rapid wird. Das ist gar nicht so einfach.

STANDARD: Ist es ein Ziel, die Talente länger zu halten?

Barisic: Ja. Wir kennen aber die Märkte, jeder Spieler hat seinen Preis. Unser Geschäftsmodell ist ja auch, Transfererlöse zu erzielen. Davon leben wir.

STANDARD: Warum gewinnt Rapid gegen die Austria?

Barisic: Weil es an der Zeit ist. (Christian Hackl, 19.3.2022)

Zoran Barisic (51) ist seit 2019 Geschäftsführer Sport bei Rapid.