Wenn Chirurgen Patientinnen operierten, kam es im Vergleich zu Chirurginnen zu deutlich schlechteren Behandlungsergebnissen – führten Frauen Eingriffe bei Männern durch, gab es keinen Unterschied.

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Werden Frauen von männlichen Chirurgen operiert, haben sie nach dem Eingriff ein um bis zu 15 Prozent höheres Risiko für Komplikationen als Frauen, die von Chirurginnen behandelt wurden. Auf dieses Ergebnis einer großangelegten kanadischen Studie verweist jetzt die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH).

Der durchaus bedenkliche Gendereffekt in der Chirurgie wurde im Dezember in der Fachzeitschrift "JAMA Surgery" publiziert. "Die Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die Geschlechterfrage in der 'Männerdomäne Chirurgie'. Denn in Deutschland liegt der Frauenanteil in der Chirurgie noch immer bei unter einem Viertel", schreibt die deutsche Fachgesellschaft.

Fachabteilungen untersucht

Um zu untersuchen, welche Auswirkungen das Geschlecht von Behandelnden und Behandelten auf das Operationsergebnis hat, analysierten die kanadischen Forscherinnen und Forscher – vor allem von verschiedenen chirurgisch orientierten Fachabteilungen in Toronto (Chirurgie, Orthopädie, Plastische Chirurgie, Viszeralchirurgie) – die Behandlungsdaten von 1.320.108 erwachsenen Patienten. Diese hatten sich zwischen 2007 und 2019 geplanten oder dringlichen chirurgischen Eingriffen unterzogen.

Auf der Seite der Ärzte waren 2.937 Chirurginnen und Chirurgen. "Von den 1.320.108 Patientinnen und Patienten bzw. 2.937 Chirurgen und Chirurginnen waren (bei dem Eingriff, Anm.) 602.560 Patienten und Patientinnen geschlechtskonkordant mit dem Chirurgen, während in 717.548 Fällen Diskordanz gegeben war. Bei 189.390 Patientinnen und Patienten (14,9 Prozent) gab es zumindest eine Komplikation", schreiben die Wissenschafter.

Höhere Komplikationsraten

Das Hauptergebnis: Geschlechterunterschiede zwischen Kranken und Chirurgen bedeuteten jeweils höhere Komplikationsraten nach dem Eingriff. So stieg die Rate schlechterer Behandlungsergebnisse insgesamt um sieben Prozent. Ebenso um sieben Prozent erhöht war die Mortalität der Kranken. Es gab auch um neun Prozent mehr direkte Komplikationen. Nur bei den notwendigen Wiederaufnahmen im Spital blieben die Nachteile mit plus zwei Prozent de facto gleich.

Am negativsten war die Situation, wenn Chirurgen Patientinnen operierten. Die Wissenschafter: "Während diese Korrelationen über alle Untergruppen gegeben waren, beeinflusste besonders das Geschlecht der Patienten diesen Zusammenhang." Die Behandlungsergebnisse waren deutlich schlechter, wenn Chirurgen Patientinnen operierten (im Vergleich zu Chirurginnen/Patientinnen), und zwar mit einer Häufigkeit von plus 15 Prozent, was statistisch signifikant war. Führten Chirurginnen die Eingriffe an Männern durch, gab es hier keinen Unterschied.

Bei Herzinfarkten ähnlich

"In der Konstellation 'männlicher Operateur, weiblicher Patient' traten der Analyse zufolge deutlich häufiger postoperative Komplikationen bis hin zum Tod der Patientin auf", stellt Natascha Nüssler, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV), fest. Die Studie empfahl abschließend weitere Untersuchungen, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen.

Dass sich ein Geschlechterunterschied zwischen Arzt und Patient vor allem negativ auf die Gesundheit der weiblichen Behandelten auswirken kann, sei auch aus anderen Fächern bekannt. "Auch nach einem Herzinfarkt haben Patientinnen, die von einem Arzt behandelt werden, ein höheres Risiko zu versterben als männliche Patienten, die von einer Ärztin behandelt werden", sagt die Expertin. Eine mögliche Erklärung sei, dass männliche Ärzte die Schwere von Symptomen ihrer Patientinnen eher unterschätzten oder Frauen Hemmungen hätten, gegenüber einem männlichen Arzt Schmerzen zu offenbaren.

Gemischte Ärzteteams

Ein Weg, diese gesundheitsgefährdenden Gendereffekte zu reduzieren, seien gemischtgeschlechtliche Ärzteteams. "Dafür müsste der Frauenanteil in der Chirurgie jedoch deutlich steigen", sagte die Allgemeinchirurgin. In Deutschland sind nur 22 Prozent der chirurgisch Tätigen Frauen. (APA/red, 21.3.2022)