Der Unternehmer Siegfried Wolf, ein Oldtimer-Fan, soll eine Finanzbeamtin bestochen haben – es gilt die Unschuldsvermutung.

Foto: Toppress/Schöndorfer

Die Autobahnraststätte Guntramsdorf südlich von Wien spielt in der Steuercausa Siegfried Wolf eine nicht unbedeutende Rolle: Dort haben einander der Unternehmer und die Chefin jenes niederösterreichischen Finanzamts getroffen, das für seine Steuerangelegenheiten zuständig war. Die Frau hatte sich diese Causa sogar in ihre Vorstandszuständigkeit geholt. Wolf hatte damals, im Juni 2018, bereits eine Reduktion seiner Steuernachzahlung von rund elf auf sieben Millionen Euro eingeräumt bekommen, nun wollte er sich auch noch die Zinsen in der Höhe von rund 700.000 Euro dafür ersparen. Das hat er zwar nicht durchgesetzt, aber dafür wurde ihm ungefähr derselbe Betrag an weiteren Steuern nachgelassen.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verdächtigt ihn in dem Zusammenhang, die genannte Finanzbeamtin bestochen zu haben. Und zwar, indem er mitgeholfen habe, dass sie ihren Wunschposten als Chefin eines anderen Finanzamts ergatterte. Hier kommt die Autobahnraststätte ins Spiel: Dort soll die Frau dem Unternehmer ihren Karrierewunsch offenbart haben. Selbigen leitete Wolf umgehend an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid, der auch Kabinettschef war, weiter. "Ich sagte ihr, es wird überlegt, und sie soll ihr Thema erledigen!!", schrieb Wolf an Schmid. Außerdem solle "Edi draufbleiben", also Sektionschef Eduard Müller. Die Genannten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

"Nochmal thanks!!!!!!!!"

Am 16. Juli 2018 informierte die Finanzbeamtin dann Wolf – man kannte einander auch vom Golfspielen – darüber, dass am nächsten Tag ihr Hearing stattfinden werde. Wolf zeigte sich höchst interessiert und konnte der Beamtin am Tag nach dem Hearing schon gute Nachricht überbringen: "höre gerade – Hearing ist top!! gelaufen". Davor hatte er sich bei Schmid danach erkundigt. "Nochmal thanks!!!!!!!!", antwortete die Beamtin, "scheine dem Herrn Bundesminister als Vorständin vorgeschlagen (worden) zu sein". So kam es dann auch, wie man heute weiß.

Wie die Postenvergabe umgesetzt worden sein soll, erschließt sich aus der Aussage einer hochrangigen Finanzbeamtin. Sie war damals Vorsitzende der Begutachtungskommission, die über die Besetzung unabhängig zu entscheiden hatte. "Knapp vor der Sitzung, ich weiß nicht wie lange davor, hat mich Dipl.-Kfm. Müller kontaktiert und hat mir gesagt, dass Thomas Schmid" die erwähnte Finanzamtschefin für den Job "haben will".

"Seit diesem Zeitpunkt hatte ich Bauchweh"

Sie habe ihn auf die Unabhängigkeit der Kommission hingewiesen, Müller habe "nochmals" Schmids Wunsch wiederholt. Auf Anfrage des STANDARD äußerte sich Müller mit Verweis auf die Amtsverschwiegenheit zu der Sache nicht. Weiteren Druck oder Interventionen hätte es laut Beamtin nicht gegeben. Allerdings: "Seit diesem Zeitpunkt hatte ich Bauchweh. Hätte ich eine Möglichkeit gesehen, wäre ich aus der Kommission ausgeschieden", sagte die Beamtin in ihrer Zeugeneinvernahme vor den Ermittlern.

Dabei hätte die Bewerberin die Intervention gar nicht notwendig gehabt, sei sie doch besser gewesen als ihre Mitbewerberin für diesen Job und habe "viele Jahre" ihr Finanzamt "anstandslos geführt". Warum die Frau überhaupt wechseln wollte, hat sie damit doch weder Karriere- noch Gehaltssprung gemacht? Das erklärte sich die Zeugin damit, dass das neue Finanzamt mehr Prestige habe als jenes, von dem sich die Beamtin verabschieden wollte.

Hätte "keine Chance gehabt"

Ob sie gewusst habe, dass die Finanzamtschefin Wolfs Unterstützung für das Bewerbungsverfahren in Anspruch nahm, während sie mit seiner Steuersache befasst war? Diese Frage verneinte die Zeugin. Hätte sie das Ausmaß der Kontakte der beiden gekannt und von der Unterstützung Wolfs bei den Karriereplänen der Beamtin gewusst, hätte diese "für die Besetzung der Stelle keine Chance gehabt". Außerdem hätte sie Anzeige erstattet und sich um Ermittlungen bemüht, nicht zuletzt, weil sich die Beamtin "im Steuerakt Wolf für befangen erklären" müssen hätte.

Für Wolf und die Finanzamtschefin lief im Sommer 2018 aber alles nach Plan: Ende Juli wurde ihm mit ihrer Unterschrift die Nachsicht gewährt, im September trat sie ihren neuen Job an. Lang sollte die Ruhe aber nicht dauern: Ein paar Monate später fielen einem internen Prüfer aus dem Finanzministerium Ungereimtheiten rund um den Nachsichtsbescheid auf, selbiger wurde gekippt, weil er "aus unserer Sicht einfach falsch war". All das, was im Hintergrund passiert sein soll, "haben wir damals nicht gewusst", sagte der Prüfer aus. Und: "Es ist ein schlimmes Sittenbild für die Finanzverwaltung." (Renate Graber, Fabian Schmid, 21.3.2022)