Die Bäume rund um die Prater-Hauptallee in Wien tragen noch kaum Blätter, der Boden ist matschig-braun, und es weht eine kalte Brise. Einziger Farbtupfer in der sonst recht tristen Szenerie: eine neonpinke Scheibe, die in einem sanften Bogen durch die kahle Vegetation fliegt und genau dort landet, wo sie es soll.

Johannes Petz hat sie geworfen. Er ist Präsident des österreichischen Discgolfverbands und gibt auch Kurse in dem Sport, bei dem man eine Frisbeescheibe mit möglichst wenigen Würfen in einen Korb befördert. "Ich habe den Long Distance Driver mit breitem Rand gewählt. Es ist meine schnellste Scheibe. Aber für Anfänger empfehle ich den Putter", sagt Petz und reicht mir das runde Hartplastik. Wir stehen am Abwurfpunkt, Tee genannt, der zweiten Bahn des Prater-Disc-Golf-Parcours. Ich solle sie "niedrig spielen", könne mir aber aussuchen, ob ich die Scheibe rund um die Bäume herum oder zwischen sie hindurch navigiere, gibt der Fachmann letzte Tipps, bevor ich an der Reihe bin und versuche, die fremd klingenden Fachbegriffe zu verarbeiten und mich an die zuvor erlernten Grundtechniken zu erinnern.

Im Aufwind: Discgolf. Dabei geht es darum, eine Scheibe mit möglichst wenigen Würfen in Metallkörbe zu befördern.
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Technik-Crashkurs

Beim Discgolf gibt es drei Basiswurftechniken: Backhand, Side-Arm und Putt. Beim Rückhandwurf, Backhand, holt man mit dem rechten Arm nach links hinten aus, dreht den Oberkörper schwungvoll in die Gegenrichtung und lässt die Scheibe mit etwas Drall los, sobald sie in Richtung Korb zeigt. So fliegt sie in einer leichten Linkskurve zum Ziel. Zumindest theoretisch. Im Gegensatz zum gekonnten Wurf des Experten wackelt meine Scheibe etwas träge durch die Luft, um nur ein paar Sekunden später, wenige Meter vor mir auf dem Boden zu landen. Besser klappt es mit dem Vorhandwurf, Side-Arm. Der rechte Unterarm wird horizontal abgewinkelt, die Scheibe schwungvoll quasi aus der Hüfte geschossen. Richtig ausgeführt, beschreibt die Flugbahn eine leichte Rechtskurve. Hat man sich in die unmittelbare Nähe des Ziels vorgearbeitet, kommt die dritte Wurfart zur Anwendung: Beim Putten gibt es nicht die eine richtige Technik. Man "schupft" die Scheibe ganz so, wie es einem individuell beliebt, in den Korb.

Wer am wenigsten Würfe benötigt, gewinnt. An der Reihe ist immer die Person, deren Scheibe am weitesten vom jeweiligen Zielkorb entfernt ist. Bei der Partie mit Discgolf-Profi Johannes Petz bin das, wenig überraschend, meistens ich. Nach sechs Würfen rasseln endlich die Eisenketten, die an einem Ring aufgehängt sind, und die Scheibe fällt in den darunter angebrachten Metallkorb. Petz hat dafür nur drei Würfe benötigt, was genau der Par-Vorgabe für Bahn zwei entspricht. Eine realistische Chance, das Spiel zu gewinnen, habe ich als Anfänger nicht, aber darum geht es heute auch gar nicht.

Discgolf wird zwar auch professionell gespielt, es ist aber auch ideal für all jene, die ihre Freizeit an der frischen Luft verbringen wollen, denen aber nach zahlreichen Lockdowns seit Pandemiebeginn der schnöde Spaziergang zu eintönig geworden ist. Eine Partie Discgolf bietet zusätzliche Unterhaltung, während man als Gruppe mit Freunden oder Familie durch die Natur schlendert. Die konditionellen Voraussetzungen sind gering, ebenso der Aufwand, was die Ausrüstung anbelangt.

Herkömmliche Frisbee für Anfänger

Als optimale Grundausstattung für Einsteiger empfiehlt Petz ein Set aus drei unterschiedlichen Scheiben, die je nach Entfernung zum Korb eingesetzt werden: Putter für kurze, Midrange für mittlere und Driver für große Distanzen. "Doch für Anfänger tut’s auch ein herkömmliches Frisbee", sagt Petz. Frisbee ist übrigens ein Markenname, der stellvertretend für eine ganze Produktgattung gebraucht wird, so wie Tixo oder Uhu. Diesen zu verwenden sei laut dem Experten jedoch kein Fauxpas, wenngleich die Profis ihre Geräte "Scheiben" nennen würden. Anfänger können sich im Prater auch vis-à-vis der ersten Bahn beim Tennistreff Oswald gegen eine Leihgebühr Scheiben ausborgen.

Für eine Partie Discgolf gibt es praktische Apps wie etwa UDisc, mit denen man durch den Parcours navigieren, Punkte zählen und Würfe messen kann. Alternativ empfiehlt es sich, an der ersten Bahn ein Foto von der Tafel, auf der das gesamte Areal mit allen Körben aufgezeichnet ist, zu machen. So behält man die Orientierung.

Brodie Smith ist professioneller Discgolfspieler und zeigt sein Können auf YouTube.
Brodie Smith

Kaum Ausrüstung nötig

Ansonsten braucht es kaum Ausrüstung – maximal Kopfbedeckung und Trinkflasche an heißen Tagen oder warme beziehungsweise wasserdichte Kleidung bei Schlechtwetter. Prinzipiell kann man Discgolf das ganze Jahr über spielen. Bloß zu viel Wind sei ungünstig, erklärt Johannes Petz. Doch die Partie mit dem Profi zeigt, dass sich Fans auch davon nicht abhalten lassen. Wir sind trotz kalter Brise nicht die Einzigen auf dem Parcours. "Wenn ich in Ruhe trainieren will, komme ich meistens während der Woche her. Am Wochenende ist mir zu viel los", sagt Petz.

Der Prater-Disc-Golf-Parcours ist ganzjährig und kostenlos benutzbar. 2011 hat die Stadt auf der Höhe der Südosttangente sieben Körbe errichtet. 2017 und 2018 wurde der Parcours voll ausgebaut und umfasst seither 18 Bahnen. Diese werden intensiv genutzt. Im Jahr 2021 wurden allein von der App UDisc über 10.000 Partien im Prater registriert. "Man kann davon ausgehen, dass es insgesamt fünfmal so viele sind", merkt Petz an. In Wien gibt es einen weiteren kostenlos benutzbaren Parcours mit neun Bahnen im Volkspark am Laaer Berg. Im Arenbergpark im dritten Bezirk steht außerdem ein Korb fürs Putt-Training. Für die 18 Bahnen im Prater benötigt Johannes Petz circa eine bis anderthalb Stunden. Anfänger sollten ihm zufolge mehr als zwei Stunden dafür einplanen und Gruppen maximal vier bis fünf Personen umfassen. Sonst würde die Partie sehr lange dauern, und man hielte andere Spieler womöglich auf. Wer Staus an den einzelnen Bahnen entgehen möchte, kann auch auf sogenannten Pay-to-Play-Parcours, etwa in Ybbs oder Eisenstadt, gegen Entgelt spielen.

Erste Schritte

Doch für die allererste Partie tut’s auch ein kostenloser Platz. Damit man sich die Wurftechniken nicht falsch einlernt, empfiehlt sich ein Einführungskurs bei einem Übungsleiter oder einer Übungsleiterin. Kontakte zu denen bekommt man über Vereine oder den österreichischen Discgolf-Verband. Für zwei Stunden Einzelunterricht muss man mit circa 100 Euro rechnen.

Scott Stokely

Zahlreiche Tutorials gibt es auch auf Youtube, etwa vom Profispieler Scott Stokely, der in seinen Videos Tipps und Tricks für die richtige Technik gibt. Übung macht auch beim Discgolf den Meister, und Fortschritte sind schnell zu sehen. Bei der Partie im Prater gelingen meine Würfe mit jedem Versuch besser, es fällt leichter, die richtige Technik anzuwenden, und von meinem Begleiter gibt es immer öfter freudiges Lob. Dass ich hin und wieder trotzdem nur einige wenige Meter weit komme und nicht wirklich in Richtung des Zielkorbs treffe, schiebe ich jetzt einfach mal auf den Wind. (Michael Steingruber, 21.3.2022)