Die größte Hochschule im deutschsprachigen Raum sucht eine neue Leitung.

Foto: Imago/ Karl Schöfmann

Die Universität Wien sucht seit Ende des Jahres einen neuen Rektor oder eine neue Rektorin. Heinz Engl legt sein Amt bereits um ein Jahr früher als vorgesehen im September 2022 nieder. Seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger soll bis zum Sommer gewählt werden. Im Berufungsprozess kam es Ende vergangener Woche zu einer überraschenden Absage.

Gemäß dem Universitätsgesetz erfolgt der Ablauf der Rektorenbestellung im Wechselspiel zwischen einer Findungskommission (die aus Universitätsrat und Senat besetzt wird), dem Uni-Senat und dem Universitätsrat. Zunächst nominiert die Findungskommission einen Dreiervorschlag. Im nächsten Schritt ist der Senat am Zug, der seinerseits einen Dreiervorschlag erstellt, wobei er auch weitere Kandidaten aufnehmen kann. Aus diesem Dreiervorschlag des Senats wählt dann der Universitätsrat den neuen Rektor oder die neue Rektorin.

Was bisher geschah

Am 26. November 2021 wurde die Funktion des Rektors ausgeschrieben. Bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist am 10. Jänner haben sich 17 Kandidatinnen und Kandidaten beworben. Ende Februar hat die Findungskommission unter dem Vorsitz der Unirat-Vorsitzenden Eva Nowotny einstimmig einen Dreiervorschlag gewählt: die Bildungspsychologin und aktuelle Dekanin der Fakultät für Psychologie an der Universität Wien, Barbara Schober, den amtierenden Rektor der Universität Klagenfurt und Vizepräsidenten der Universitätenkonferenz, Oliver Vitouch, sowie den deutschen Neuroendokrinologen und wissenschaftlichen Geschäftsführer am Helmholtz-Zentrum München, Matthias Tschöp.

Der Senat hat diese drei sowie drei weitere Personen zu Hearings eingeladen, die im Verlauf der vergangenen Woche stattgefunden haben. Neben Schober, Vitouch und Tschöp waren der aktuelle Dekan der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien, Gerhard F. Ecker, der Dekan der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Sebastian Schütze, sowie die stellvertretende Vorständin des Instituts für Physiologische Chemie an der Universität Wien, Veronika Somoza, eingeladen.

Überraschende Absage

Am Donnerstagabend erreichte den Senat jedoch ein überraschendes Schreiben: Der einzige internationale Kandidat, Matthias Tschöp, gab bekannt, nicht länger für die Position zur Verfügung zu stehen. Sein Hearing wäre Freitagvormittag geplant gewesen. Die verbleibenden fünf Kandidaten und Kandidatinnen haben allesamt sehr ausgeprägte Bezüge zur Universität Wien: Schober, Ecker, Schütze und Somoza sind aktuell an der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis, Vitouch hat an der Universität Wien studiert und promoviert und war bis zu seiner Berufung an die Universität Klagenfurt 2003 als außerordentlicher Universitätsprofessor an der Universität Wien tätig. Somoza ist zudem seit 2019 Direktorin des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie und Professorin an der Technischen Universität München. Ihre Tätigkeit an der Universität Wien diene nur noch der Betreuung ihrer dortigen Doktoratsstudierenden, wie sie gegenüber dem STANDARD betont.

"Natürlich kam die Absage überraschend", sagt Eva Nowotny, Vorsitzende des Universitätsrats der Universität Wien und Vorsitzende der Findungskommission im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir haben in der Findungskommission schon ein sehr ausführliches Orientierungsgespräch mit Herrn Tschöp geführt." Dabei seien gewisse Fragen Thema gewesen, "die Herrn Tschöp offensichtlich schon bewegt haben". Nowotny betont, dass Matthias Tschöp ein "international hoch angesehener, gut vernetzter Wissenschafter" sei. Doch die "Übernahme des Rektorats einer großen Hauptstadtuniversität mit 90.000 Studierenden mit der ganzen Breite, mit der die Universität Wien aufgestellt ist, wäre für ihn eine vollkommen neue Erfahrung gewesen".

Keine rein wissenschaftliche Aufgabe

In etlichen Gesprächen, die Nowotny im Rahmen der jetzigen Rektorensuche mit Kandidatinnen und Kandidaten geführt habe, habe sich gezeigt, dass "Personen, die sehr in der Wissenschaft geerdet sind, diesen Übergang in eine Funktion der Wissenschaftspolitik und Wissenschaftsverwaltung nicht leichtfällt". Die Universität Wien umfasse schließlich 150.000 Personen, sie sei der zweitgrößte Arbeitgeber in Wien. "Da geht es für den Rektor nicht nur um wissenschaftliche Qualifikation. Dazu kommt eine ganz wichtige Managementaufgabe", sagt Nowotny. "Ich könnte mir vorstellen, dass das eine Überlegung war, die bei Herrn Tschöp eine Rolle gespielt hat." Tschöp selbst war bis zum Erscheinen des Artikels für den STANDARD nicht zu erreichen.

Wie erklärt sich die Vorsitzende des Universitätsrates, dass sich keine internationalen Bewerberinnen oder Bewerber für die finale Runde der Rektorensuche durchsetzen konnten? Nowotny sagt dazu: "Wir haben sehr wenig bis gar keine Bewerbungen aus dem Ausland bekommen – mit Ausnahme von Herrn Tschöp." Insofern stimme es nicht, dass sich internationale Kandidaten nicht durchsetzen konnten – sie hätten sich schlicht nicht beworben. "Wir haben sehr breit gesucht", sagt Nowotny, dabei seien Ausschreibungen in großen internationalen Medien und spezialisierten Wissenschaftszeitungen erschienen. Zudem sei eine auf Wissenschaft spezialisierte Personalagentur involviert gewesen. "Wir haben eine Reihe von Gesprächen geführt, aber es hat sich dann niemand beworben", sagt Nowotny. Mitgrund dafür könnte ihrer Meinung nach sein, dass aktuell auch einige Universitäten in Deutschland auf Rektorensuche sind. Zudem sei auch das Anforderungsprofil sehr spezifisch, das sowohl eine hohe wissenschaftliche Qualifikation umfasst wie auch politische Managementfähigkeiten.

Dreiervorschlag am Donnerstag

Trotz der Absage des einzigen internationalen Kandidaten wird der Senat diesen Donnerstag seinen Dreiervorschlag wählen, wie Senatsvorsitzender Michael Viktor Schwarz dem STANDARD am Montagnachmittag bestätigt. Diese Dreierliste geht dann zunächst in den Gleichbehandlungsausschuss und anschließend an den Universitätsrat, der Ende April die finale Entscheidung über den künftigen Rektor oder die künftige Rektorin trifft.

"Alle Persönlichkeiten, die jetzt noch zur Wahl stehen, sind sehr unterschiedlich, aber hochqualifiziert. Wir werden sicherlich einen guten Rektor oder eine Rektorin für die Universität Wien finden, der oder die sie auch in die Zukunft führen kann", gibt sich Nowotny zuversichtlich. (trat, 21.3.2022)