Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl

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Wien – Die Corona-Pandemie hat Frauen in beruflicher und familiärer Hinsicht wieder in frühere, überwunden geglaubte Rollen zurückgeworfen. Das kritisierte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl am Dienstag und forderte, Frauen eine bessere Integration ins Arbeitsleben zu ermöglichen, auch durch leistbare Kinderbetreuung mit geeigneten Öffnungszeiten. Dafür werde "mehr Geld in die Hand zu nehmen" sein, sagte sie mit Blick auf die neue Bund-Länder-Vereinbarung zur Kinderbetreuung.

Zu viele Stolpersteine

Während der Covid-19-Krise hätten Frauen eine größere Mehrbelastung zu tragen gehabt, auch im Vergleich zu Männern, das habe man in der Beratung bemerkt, sagte Anderl in einem Pressegespräch. Frauen hätten noch immer Schwierigkeiten bei der Ein- bzw. Wiedereingliederung ins Berufsleben, es gebe für sie zu viele Stolpersteine. Frauen seien häufig bis zur Selbstaufgabe gefordert, um den Anforderungen gerecht zu werden. Familienarbeit sei oft noch immer keine partnerschaftliche Sache.

Um sich im Arbeitsleben wieder integrieren zu können, sei eine leistbare Kinderbetreuung mit langen Öffnungszeiten erforderlich, um einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu können. Frauen sollten nicht wegen fehlender Kinderbetreuung gezwungen sein, Teilzeitjobs anzunehmen, so Anderl: "Das diskutieren wir schon seit Jahrzehnten. Die Pandemie hat es geschafft, dass wir wieder mehrere Schritte zurückgegangen sind."

Für geeignete Öffnungszeiten sei "mehr Geld in die Hand zu nehmen", inhaltlich verwies sie auf die Diskussion über eine neue 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Kinderbetreuung, die nötig ist, weil die bisherige nach vier Jahren im August auslaufen wird. "Der Betreuungsschlüssel muss österreichweit gleich sein", betonte die AK-Präsidentin.

Rückschritte und rückständig

Frauen ohne Kinder würden bei Anstellungen bevorzugt, selbst wenn die Qualifizierung nicht die gleiche sei. "Wir hatten vor der Pandemie geglaubt, in die richtige Richtung gelenkt zu haben, und sind wieder in alte Rollenbilder zurückgefallen." Denn auch im Nachgang der Corona-Krise hätten Frauen noch große Probleme, kritisierte die AK-Chefin.

Laut der Geschäftsführerin des Arbeitsmarktservice (AMS) Wien, Petra Draxl, haben Frauen Probleme, eine Betreuung oder eine Schule zu finden, die den Anforderungen entspricht, damit sie einer Arbeit nachgehen können. "Die Kinder- und Bildungsarbeit steckt noch immer im 20. Jahrhundert", so Draxl.

Anderl fordert Lohntransparenz in Betrieben

Von den aktuell 65.000 Frauen, die in Wien arbeitslos oder in Schulung sind, haben laut Draxl 45.000 einen Migrationshintergrund, der betrifft vor allem Serbien, Syrien und die Türkei. Auf diese Frauen müsse besonders geschaut werden. Ein großer Teil von ihnen habe maximal die Pflichtschule absolviert, andererseits gebe es unter diesen 45.000 auch 5.000 mit einer akademischen Ausbildung.

Für eine Verkleinerung der unterschiedlichen Bezahlung nach Geschlecht machte sich Monika Nigl stark, die Leiterin des Beratungszentrums für Beruf und Weiterbildung im waff, dem Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds. Sie bezifferte den Gender-Pay-Gap – für sie auch ein "Motherhood-Pay-Gap" – für Wien mit 13,7 Prozent, in Vorarlberg seien es sogar rund 27 Prozent.

AK-Chefin Anderl verlangte, dass in den Betrieben eine transparente Einkommenssituation geschaffen wird – die Einkommensberichte seien zu wenig, damit Beschäftigte vergleichen könnten. Zudem sollten "die heutigen Männer, die ihre Vaterrolle ja aktiv übernehmen wollen", unterstützt werden. (APA, 22.3.2022)