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Die CO2-Abscheidungsanlage Orca in Island ist weltweit eine der ersten, die CO2 in größerem Stil aus der Atmosphäre entfernen soll.

Foto: Arni Saeberg/Climeworks AG via AP

Es ist eine der großen Hoffnungen für Regierungen und Unternehmen im Kampf gegen den Klimawandel: CO2-Emissionen nicht nur zu senken, sondern Treibhausgase auch wieder aus der Atmosphäre zu holen. Aber was tun mit dem CO2, sobald es abgetrennt ist?

Eine Möglichkeit ist, CO2 mithilfe von Filtern aus Kraftwerken oder der Luft abzutrennen und dann kilometertief unter der Erde zu speichern. Doch momentan steckt die Technologie vielerorts noch in den Kinderschuhen und ist meist ziemlich teuer. Auch geeignete geologische Lagerstätten müssen sich an vielen Orten erst finden. Laut Studien scheitern bisher mehr als 80 Prozent der geplanten Projekte, CO2 abzutrennen und zu speichern.

Erdöl besser fördern

Wenn überhaupt, dann kommt die CO2-Abscheidungstechnologie heute in der Erdölförderung zum Einsatz, um noch mehr Öl aus dem Boden zu bekommen – was wiederum zu mehr Emissionen beim Verbrennen der fossilen Energie führen kann.

Statt CO2 wieder in der Erde zu speichern, ist eine andere Möglichkeit, daraus neue Produkte herzustellen. CO2 soll damit vom Abfallprodukt wieder zum Rohstoff werden. Damit können zwar meist nicht Emissionen von früher wieder aus der Atmosphäre geholt werden – denn häufig wird das wiederverwendete CO2 nach Nutzung der Produkte, wie etwa Treibstoff, ja wieder in die Atmosphäre freigesetzt –, dafür kann aber vielleicht der Ausstoß von neuen Emissionen reduziert werden und ein "Kohlenstoffkreislauf" entstehen, sagen Experten. Welche Produkte eines Tages vermehrt aus CO2 gemacht werden könnten.

Flugzeugtreibstoffe

Aktuell ist der Flugverkehr für rund 2,8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das klingt nicht sonderlich viel, trotzdem ist es eine der klimaschädlichsten Arten der Fortbewegung. Um grüner zu werden, will die Flugbranche daher bis Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral werden. Doch Elektro- und Wasserstoff-Flieger stehen noch vor einer Reihe an technischen Hürden. Eine Alternative sollen daher synthetische Treibstoffe sein, die aus CO2 und Strom hergestellt werden und – sofern die Energie erneuerbar ist – nur jenes CO2 freisetzen, das bei der Herstellung verwendet wurde.

Illustration: Fatih Aydogdu

Ein Start-up, das aus CO2 wieder Flugzeugtreibstoffe herstellt, ist das US-amerikanische Unternehmen Twelve. Die Maschine, die dafür notwendig ist, ist in etwa so groß wie ein Geschirrspüler. Mithilfe eines Katalysators und erneuerbarer Energie sollen CO2 und Wassermoleküle aufgespaltet und dann ein synthetisches Gas erzeugt werden, das als Basis für synthetische Treibstoffe fungieren soll.

Das Start-up wird bereits von der U.S. Air Force unterstützt. Doch im Moment halten sich die Mengen, die es an synthetischem Treibstoff produziert, noch stark in Grenzen. Künftig wolle man deshalb mehrere Reaktoren zusammenschließen und synthetischen Treibstoff so billig produzieren wie fossile Energien. Allerdings braucht es dafür auch eine ausreichend große Versorgung mit erneuerbarem Strom. Es wird daher laut Experten noch viele Jahre dauern, bis synthetischer Treibstoff auch in größerem Maßstab eingesetzt und somit auch für die Treibhausgasbilanz im Flugverkehr eine Rolle spielen wird.

Lebensmittel

Es ist wohl nicht der erste Bereich, an den man bei der Verwendung von CO2 denkt. Doch CO2 und Nahrungsmittel sind eng miteinander verbunden: Nicht nur, weil die Landwirtschaft in vielen Ländern zu den größten Treibhausgasemittenten gehört und gesunde Böden gleichzeitig auch viel CO2 speichern können, sondern auch, weil immer mehr Start-ups versuchen, aus CO2 im Labor wieder neue Lebensmittel herzustellen.

Eines von ihnen, genannt Arkeon, befindet sich in Wien. In einem speziellen Bioreaktor schwimmen dort Mikroorganismen in einer Salzlösung und ernähren sich in diesem nicht wie normal von Zucker, sondern von CO2 und Wasserstoff, erklärt Gregor Tegl, Geschäftsführer von Arkeon, im STANDARD-Gespräch. Gasfermentation nennt sich dieser Prozess, bei dem Mikroorganismen mit ihrem Stoffwechsel Aminosäuren und in weiterer Folge Proteine erzeugen. "Das ist ähnlich wie beim Bierbrauen", sagt Tegl.

Illustration: Fatih Aydogdu

Das CO2 für diesen Prozess beziehe das Unternehmen aus verschiedenen Industrien, wie etwa Brauereien oder Bioethanol-Anlagen. Dort wird das CO2 gefiltert, noch bevor es in die Atmosphäre gelangt, was logistisch leichter und effizienter sei. Indem die Industrien das CO2 an andere Unternehmen weitergeben, die es wieder "upcyceln", können die Industrien umweltfreundlicher und nachhaltiger werden, sagt Tegl. Den für die Gasfermentation notwendigen Wasserstoff wiederum erzeuge Arkeon direkt am Standort aus erneuerbarem Strom.

Die Proteine, die Arkeon aus CO2 im Bioreaktor herstellt, könnten dann Teil von Getränken, wie etwa veganen Proteinshakes und von unterschiedlichen pflanzlichen Lebensmitteln, wie veganen Ei-Ersatzprodukten oder Meeresfrüchte-Ersatzprodukten werden, sagt Tegl. Zudem sei es möglich, unterschiedliche Geschmäcker und Texturen von Lebensmitteln zu produzieren. Der Vorteil laut Tegl: Die Lebensmittel aus dem Labor sollen unabhängig von industrieller Landwirtschaft sein und weniger Energie verbrauchen. Wie schnell und gut sie sich durchsetzen, wird sich allerdings erst in den nächsten Jahren zeigen.

Kleidungsstücke

Die Kleidungsindustrie ist nicht unbedingt für ihre Nachhaltigkeit bekannt. Ganz im Gegenteil: In den vergangenen Jahren war die Branche immer wieder von schlechten Arbeitsbedingungen und Umweltskandalen gezeichnet. Einige Start-ups versuchen deshalb, der Branche zu einem nachhaltigeren Image zu verhelfen, indem bei der Herstellung der Kleidung CO2 wiederverwendet wird.

So sammelt beispielsweise das US-amerikanische Start-up Lanza Tech Kohlenmonoxid aus einer chinesischen Stahlfabrik, noch bevor es verbrannt wird und CO2-Emissionen in die Atmosphäre ausstößt. Das Gas wird dann in einem Bioreaktor eingeschlossen, wo es – ähnlich wie bei Arkeon – von Bakterien verstoffwechselt wird, wodurch am Ende Ethanol entsteht. Dieses Ethanol kann dann verwendet werden, um fossile Energien in Polyester zu ersetzen.

Illustration: Fatih Aydogdu

Geht es nach Lanza Tech, soll dieser CO2-basierter Polyester schon bald vermehrt in Textilien unterschiedlicher Kleidungshersteller eingesetzt werden, was CO2-Emissionen reduzieren soll. Ein Problem besteht allerdings noch darin, dass die Polyester-Kleidungsstücke wohl doppelt so viel kosten dürften wie jene, die aus Erdöl oder Erdgas gefertigt sind.

Von der Herstellung von Polyester-Kleidung aus CO2 ist es auch nicht mehr weit, Plastikflaschen oder andere Kunststoffe daraus zu machen. Forschenden am deutschen Fraunhofer-Institut ist es beispielsweise bereits gelungen, aus CO2 Methanol und Ameisensäure herzustellen, die dann in einem Bioreaktor von Mikroorganismen zu Bausteine für Kunststoffe verarbeitet werden. Bis es zu einer industriellen Anwendung kommt, dürfte es laut den Forschenden allerdings noch rund zehn Jahre dauern.

Diamanten

Statt Diamanten unter zum Teil menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen abzubauen, können sie auch im Labor erzeugt werden. In den vergangenen Jahren hat die Produktion von Labordiamanten gewaltig angezogen. Doch da bei der Herstellung oft noch Kohlestrom eingesetzt wird, sind auch Labordiamanten nicht immer nachhaltig.

Illustration: Fatih Aydogdu

Das US-Start-up Aether will das ändern und Labordiamanten nicht nur mit erneuerbarem Strom, sondern auch mit CO2 herstellen, das es aus der Atmosphäre abtrennt. Mit jedem Karat sollen dadurch 20 Tonnen an CO2 abgetrennt werden – also knapp dreimal so viel, wie eine Österreicherin oder ein Österreicher durchschnittlich im Jahr verursacht.

Allerdings ist die Produktion weiterhin energieintensiv, weshalb das Unternehmen auch Atomstrom nutzt. In diesem Jahr will Aether tausende Karat an Diamanten produzieren, die in etwa so teuer sind wie natürliche Diamanten. Ob sie dann auch für Kundinnen und Kunden denselben Wert haben, um die große Investition in das Luxusprodukt zu rechtfertigen, wird sich wohl erst zeigen. (Jakob Pallinger, 27.3.2022)