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Ein Blick auf die Förderanlage Climax 1 des Unternehmens Royal Helium im kanadischen Lone Tree, Saskatchewan.

Foto: Reuters / Royal Helium / Brian Zinchuk

Wenn das Leben prächtig läuft, atmen wir es auf Partys ein und sprechen für ein paar Sekunden wie Mickey Mouse. Wenn es weniger gut läuft, begegnen wir ihm im Krankenhaus. Und wenn es weltpolitisch turbulent zugeht, bangt nicht nur die Forschung um Nachschub. Helium besitzt Fähigkeiten wie kein anderes Element. Das macht es unentbehrlich für Wissenschaft, Medizin und Industrie.

Farblos, geruchslos, nicht giftig oder explosiv, aber vor allem, und das ist seine Superkraft: Selbst bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt verfestigt es sich nicht. Etwa ein Viertel des weltweit geförderten Heliums wird zur Kühlung von supraleitenden Elektromagneten eingesetzt, die in Geräten wie Magnetresonanztomografen (MRT) oder Kernspinresonanzspektrometern (NMR) stecken. Tendenz steigend.

Unverzichtbar für die Forschung

"Supraleitend bleibt diese Spule aber nur bei sehr tiefen Temperaturen. Nur dann weist sie keinen elektrischen Widerstand auf", erklärt Paul Schanda vom Institute of Science and Technology Austria. Für seine Untersuchungen biologischer Prozesse auf molekularer Ebene ist der Strukturbiologe auf Helium angewiesen. Allein in den USA hängen geschätzte 400 Forschungsgruppen von dem ultrakalten Edelgas ab.

Trotzdem macht die Forschung nur einen kleinen Teil des Marktes aus. Ihre Kaufkraft und damit ihr Einfluss auf den Markt ist gering. Die einzige Gewissheit, derer sie sich in den letzten Jahren sicher sein konnte, war ein kontinuierlicher Preisanstieg – in den vergangenen zehn Jahren auf beinahe das Doppelte. An kanadischen Universitäten spitzte sich die Sorge um die Heliumversorgung zuletzt im Herbst zu, sodass die Regierung von Saskatchewan, einer Provinz in Zentralkanada, den Helium Action Plan ankündigte.

Entstehung in der Erdkruste

Ziel sei es, bis 2030 einen Weltmarktanteil von zehn Prozent zu erreichen. Derzeit liegt er bei etwa einem Prozent. Helium ist eine endliche Ressource. Es dauert Jahrmillionen, bis es durch radioaktiven Zerfall in der Erdkruste entsteht. Bereits bei minus 269 Grad Celsius wird es gasförmig. Weil es leichter ist als Luft, flüchtet es durch die Atmosphäre und verabschiedet sich auf Nimmerwiedersehen ins Weltall.

Damit ist das Edelgas nicht einmal theoretisch erneuerbar. Der größte Teil diffundiert durch die Erdoberfläche und verschwindet. Nur ein kleiner Rest bleibt in natürlich versiegelten Erdgaslagern gefangen. Und nur wenige dieser Lagerstätten enthalten ausreichende Konzentrationen für eine lukrative Förderung von Helium.

Intransparenter Markt

Bislang herrscht kein Konsens darüber, wie sich der globale Heliummarkt entwickelt und wie lange die Reserven reichen werden. Schon vor über zehn Jahren warnte der US-Physiker Robert Richardson, der für seine Forschung einen Nobelpreis erhielt, dass es in dreißig Jahren kein Helium mehr geben werde. Die EU hingegen strich Helium 2020 von ihrer Liste der gefährdeten Rohstoffe.

Die Fragilität des Systems demonstrierte schließlich die Blockade von Katar 2017, dem zweitgrößte Heliumproduzenten hinter den USA, als es zu globalen Lieferengpässen kam. Jetzt mehren sich Stimmen, die besagen, dass der bislang größte Engpass unmittelbar bevorstehe. Trotz der Intransparenz des Marktes gibt es Anhaltspunkte für die Ursachen: Von 1925 bis 1995 sammelten die USA als strategische Reserve eine Milliarde Kubikmeter Helium an. 1996 beschloss der Kongress schließlich den Verkauf, und das teils deutlich unter dem Marktwert.

Leistbare Preise in Gefahr

Teilweise stammten 35 Prozent der Weltversorgung aus dieser Heliumanlage in Texas, was den Markt stabil hielt. Nach mehrmaligen Verzögerungen soll der kommerzielle Verkauf nun im September endgültig stoppen. Auch Sicherheitsvorfälle führten zuletzt im Juli dazu, dass der Betrieb abrupt eingestellt wurde. Bis andere Länder diese Lücke schließen, wird einige Zeit vergehen. Zudem verzögerte eine Explosion in der neu errichteten Anlage Amur des russischen Erdgasförderungsriesen Gazprom die dortige Heliumförderung. Und auch die aktuelle politische Situation in der Ukraine verschärft die angespannte Lage zusätzlich.

Für die Forschung ist der gesicherte Zugang zu der Ressource zu gut kalkulierbaren und leistbaren Preisen jedoch essenziell. Schanda untersucht mit seinem Team vor allem Proteinen, die im Körper lebenswichtige Aufgaben übernehmen, wie auch Mitochondrien, die in der Zelle für die Energieversorgung verantwortlich sind. Ins Innere dieser komplexen Maschinerie blickt er mithilfe der Kernspinresonanzspektroskopie.

Verluste minimieren

Dabei verdampft immer ein Teil des kühlenden Heliums. In Zahlen: Das Gerät fasst etwa 130 Liter flüssiges Helium. Alle 150 Tage müssen laut Hersteller rund 90 Liter nachgefüllt werden. Um das gasförmige Helium nicht ans Weltall zu verlieren, fängt Schanda es in einem Ballon auf und komprimiert es in Gasflaschen. Die Technische Universität Wien verflüssigt es dann wieder. So wurden im vergangenen Jahr über 100.000 Liter Helium an verschiedene österreichische Universitäten rückgeführt.

"Auf diese Weise recycelt, kostet flüssiges Helium nur etwa ein Fünftel", sagt Schanda. Zumindest mittelfristig können Institute die Schwankungen des Marktes dadurch abfedern. Aber auch technisch tut sich etwas: Ein MRT fasst je nach Modell etwa 1000 Liter flüssiges Helium. Während der Schwund in älteren Geräten etwa 500 Liter pro Jahr betrug, geht in neuen Modellen durch geschlossene Kreisläufe nahezu nichts verloren. Dennoch, mehr würde das Helium dadurch freilich nicht. Man verschiebe lediglich das Problem, sagt Schanda. (Anja Böck, 28.3.2022)