Trotz seiner jüdischen Identität wurde John Bunzl Antisemitismus vorgeworfen.

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Der österreichische Politikwissenschafter John Bunzl, der mehr als 40 Jahre lang den Nahen Osten mit intellektueller Schärfe analysiert hat, aber mit seiner Israel-Kritik oft für Kontroversen sorgte, ist im 77. Lebensjahr gestorben. Das gab sein Sohn Matti Bunzl, der Direktor des Wien-Museums, auf Facebook bekannt.

Bunzl wurde 1945 als Sohn einer österreichisch-jüdischen Industriellenfamilie im Exil in London geboren und wuchs nahe der Papierfabrik seiner Familie im niederösterreichischen Pernitz auf. Er maturierte in Wien und studierte Soziologie und Politikwissenschaften in Innsbruck.

Seine Lehrtätigkeit an österreichischen Universitäten begann im Jahr 1978, kurz nachdem mit dem Wahlsieg Menachem Begins Likud-Partei die israelische Politik deutlich nach rechts rückte. Als Experte für israelische und palästinensische Geschichte und Gegenwart profilierte sich Bunzl als scharfer Kritiker der israelischen Besatzungs- und Siedlungspolitik. Nach dem israelischen Einmarsch im Libanon, der im Sommer 1982 im Massaker von Sabra und Schatila durch mit Israel verbündete christliche Milizen mündete, trat er auch öffentlich auf, was ihm von mancher Seite trotz seiner jüdischen Identität den Vorwurf des Antisemitismus einbrachte.

Scharfzüngige Kommentare

Bunzl beschäftigte sich selbst intensiv mit der jüdischen Geschichte in Österreich und der Entwicklung des Antisemitismus. Seine sanfte Persönlichkeit bildete einen Kontrast zu seinen oft scharfzüngigen Kommentaren und seiner konsequenten Auseinandersetzung mit den Gründungsmythen des Staates Israel. Stets setzte er sich dafür ein, dass die Perspektive der Palästinenser und deren Leid durch die Vertreibung auch von jüdischer Seite anerkannt werden. In den letzten Jahren wurde ihm auch der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie ein zentrales Anliegen.

Bunzl war seit 1980 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip), dem er bis zu seinem Lebensende verbunden blieb. Auch ohne Professur an einer heimischen Universität wurde er zu einer der prägenden Persönlichkeiten der internationalen Politikwissenschaften in Österreich. (Eric Frey, 22.3.2022)