Eine Aufnahme aus dem September 2020.

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

"Selbst Salvini applaudiert Selenskyj", titelte die "FAZ", nachdem der ukrainische Präsident vor dem italienischen Parlament gesprochen hatte. In Kanada sorgte Wolodymyr Selenskyjs Ansprache vor dem voll besetzten Unterhaus für Standing Ovations. In Israel wurde der ukrainische Präsident kritisiert, weil er einen Vergleich zwischen dem Ukraine-Krieg und dem Holocaust zog. Schon Anfang März sprach er vor dem EU-Parlament – "Sieben Minuten, die in Erinnerung bleiben werden", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" darüber. Auch vor dem US-Kongress und dem deutschen Bundestag hielt er Reden.

Nun schreibt der deutsche "Spiegel" auch über Österreich – allerdings deswegen, weil sich hier Parteien gegen einen Auftritt Selesnkyjs aussprachen. "Nicht neutral genug", titelt das Medium. In Österreich kritisieren die anderen Parteien die Sozialdemokraten und die Freiheitlichen heftig für deren Entscheidung.

SPÖ und Sobotka verweisen aufeinander

Was war passiert? Die Neos wollten sich in die Liste der Staaten, die den Präsidenten der Ukraine empfangen, einreihen. Ein entsprechender Vorschlag war in der Präsidiale des Nationalrats allerdings von SPÖ und FPÖ abgelehnt worden. Neos-Vizeklubobmann Nikolaus Scherak attestierte gegenüber der APA den beiden Parteien "falsch verstandene Neutralität".

Laut der "Tiroler Tageszeitung" verweist die SPÖ – neben Neutralitätsbedenken – auch darauf, dass der Ball bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) liege, dieser müsse eine Einladung aussprechen. Sollte er dies tun, werde die SPÖ nicht dagegen sein, hieß es.

Nur: Sobotka stellt das Einvernehmen der Fraktionen als Bedingung für eine solche Einladung. "Wenn das Einvernehmen zwischen den Fraktionen hergestellt ist, wird man eine Lösung finden. Ich war und bin jedenfalls dazu bereit, das zu ermöglichen", sagte Sobotka am Mittwoch zur APA.

Grüne und pinke Kritik

Vom grünen Abgeordneten David Stögmüller heißt es dazu nun in Richtung der SPÖ, "als Feigenblatt die Neutralität zu benützen ist einfach auch nur peinlich". Der Neos-Abgeordnete Yannick Shetty twittert: "Warum wollen SPÖ und FPÖ Präsident Selenskyj nicht im österreichischen Nationalrat sprechen lassen? Man braucht nur auf die Putin-Politik der letzten Jahrzehnte schauen, um die Antwort darauf zu finden."

Am Mittwoch dann meldete sich die SPÖ via Aussendung zu Wort: "Die Behauptung der Neos, die SPÖ habe eine Rede des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im österreichischen Nationalrat abgelehnt, ist falsch", heißt es da vom stellvertretenden Klubvorsitzenden Jörg Leichtfried, es habe eine "kurze politische Diskussion zum Thema ohne Abstimmung oder Beschluss" gegeben, hält er fest. " Aber ja, in dieser Diskussion habe die SPÖ darauf hingewiesen, dass Österreichs neutraler Status berücksichtigt werden müsse. Klar sei aber: "Österreich verurteilt den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine durch das Putin-Regime aufs Schärfste, denn Österreich ist niemals neutral gegenüber der Verletzung von Völkerrecht und Menschenrechten."

Als Reaktion darauf hieß es wenig später es von Scherak: "Nachdem jetzt fast alle Parteien für eine Rede Selenskis im Parlament sind, schlagen wir eine Sondersitzung nächste Woche vor, in deren Rahmen die Rede stattfinden kann."

Vergangene Besuche

Tatsächlich war der russische Präsident Wladimir Putin bereits mehrmals zu Gast in Österreich: Schon 2001 empfing der damalige Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) Putin in der Hofburg, 2014 – nach der Annexion der Krim – trafen sich Fischer, der damalige Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Putin, was allerdings auch Sebastian Kurz (ÖVP), damals Außenminister, verteidigte. 2018 kam Putin noch einmal nach Wien, diesmal auf Einladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Und dass Putin im selben Jahr auf der Hochzeit der damaligen Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) tanzte, ist hinreichend bekannt.

Doch auch Selenskyj war bereits in Österreich zu Gast, im Herbst 2020. Er kam auf Einladung von Bundespräsident Van der Bellen, traf aber auch Kurz und Sobotka. "Den Krieg zu beenden und die ukrainischen Territorien zurückzubekommen – das hat für mich höchste Priorität. Das sind keine romantischen Versprechungen", sagte er damals der "Wiener Zeitung" über die bereits seit Jahren andauernden Angriffe Russlands im Donbass. Und: Die Beziehungen zwischen der Ukraine und Österreich seien gute, die Bilder von Kneissls Hochzeit schon wieder vergessen. (elas, red, 23.3.2022)