So oder so ähnlich dürfte es vor gut 100 Millionen Jahren im heutigen Nordafrika zugegangen sein: Ein Spinosaurus macht in einem Fluss Jagd auf einen frühen Sägerochen.

Illustration: Davide Bonadonna

Mit einer Länge von bis zu 18 Metern war der Spinosaurus der größte fleischfressende Dinosaurier, der je entdeckt wurde. Damit übertraf er sogar Tyrannosaurus rex um zwei Meter, der ihm zumindest im Film "Jurassic Park III" an Kraft und Größe unterliegt. In echt sind sich die beiden Raubsaurier allerdings nie begegnet, denn Spinosaurus lebte erstens viel früher als T. rex und zweitens auch ganz woanders, nämlich im heutigen Nordafrika und da vermutlich in riesigen Flüssen.

Auch wenn die Dornechse (so die wörtliche Übersetzung von Spinosaurus) nicht zuletzt wegen ihrer rund zwei Meter langen Dornfortsätze am Rücken zu den ikonischen Dinosauriern gehört, so sind etliche ihrer Eigenschaften wissenschaftlich umstritten. Dazu gehören nicht zuletzt die namensgebenden Fortsätze, die vermutlich ein ziemlich mächtiges Segel aufspannten. Wozu dieses diente, ist nach wie vor Gegenstand von Spekulationen.

Aquatisch oder nicht?

Besonders leidenschaftlich wird seit Jahrzehnten über das Verhalten von Spinosaurus diskutiert. Etliche Merkmale seiner Anatomie wiesen darauf hin, dass er nicht auf dem Land gejagt hat, wie erste Darstellungen aus den 1950er-Jahren suggeriert hatten: Der krokodilähnliche Kiefer und die kegelförmigen Zähne der Dornechse ähneln jenen anderer aquatischer Raubtiere, und bei einigen Fossilien waren Bäuche voll mit Fischen gefunden worden.

Ein 2014 beschriebenes Spinosaurus-Exemplar, das der Paläontologe Nizar Ibrahim (University of Portsmouth) in Marokko gefunden hatte, wies noch eindeutigere Merkmale auf, die in Richtung Wasser deuteten: An diesem Individuum konnte man kurze Hinterbeine, paddelartige Füße und einen flossenartigen Schwanz rekonstruieren. Die verhältnismäßig kleinen Nasenlöcher befanden sich in der Mitte des Schädels und könnten es Spinosaurus so wie heutigen Krokodilen ermöglicht haben, auch fast vollkommen unter Wasser tauchend zu atmen.

Umstrittene Frage

Diese recht eindeutigen Hinweise auf eine aquatische Lebensweise blieben dennoch umstritten. Das lag auch daran, dass die nichtavischen Dinosaurier (also jene Dinosaurier, die sich nicht zu Vögeln weiterentwickelt haben) lange als die einzige Gruppe galten, die keine Wasserbewohner aufwiesen. Fachleute argumentierten deshalb, dass die Dornechsen bestenfalls im Wasser wateten, also semiaquatisch waren. Und allein aufgrund der Anatomie der wenigen erhaltenen Skelette ließ sich die Streitfrage nach dem Verhalten der mächtigen Raubsaurier nicht so einfach entscheiden.

Doch wie könnte man das Rätsel lösen? Ein internationales Forscherteam, dem auch Ibrahim angehörte, wählte einen innovativen, aber auch ziemlich aufwendigen Ansatz: Die Fachleute untersuchten die Knochendichte von Spinosaurus und verglichen diese mit der Knochendichte einer Vielzahl anderer Tiere.

"Die Idee für unsere Studie war: Okay, wir können die Daten der Fossilien auf verschiedene Weise interpretieren. Aber was ist mit den allgemeinen physikalischen Gesetzen?", wie Erstautor Matteo Fabbri (Field Museum in Chicago) sagt: "Es gibt bestimmte Gesetze, die auf jeden Organismus auf diesem Planeten anwendbar sind." Und eines dieser Gesetze betrifft die Fähigkeit, im Wasser zu schwimmen. Frühere Studien haben nämlich gezeigt, dass Säugetiere, die an das Wasser angepasst sind, dichte, kompakte Knochen in ihren postkranialen Skeletten haben. Denn dichtere Knochen dienen als Auftriebskontrolle und erleichtern das Untertauchen.

Knochen von 250 Tierarten

Bei der Auswahl der Tiere, die in die Studie aufgenommen wurden, scheute Fabbri mit seinen Kolleginnen und Kollegen keinen Aufwand. "Wir haben Robben, Wale, Elefanten, Mäuse und Kolibris miteinbezogen, Dinosaurier in verschiedenen Größen, ausgestorbene Meeresreptilien wie Mosasaurier sowie Plesiosaurier", sagt der Paläontologe. Insgesamt waren es Knochen von rund 250 heute noch lebenden sowie längst ausgestorbenen Tierarten.

Im ersten Schritt der Studie, die am Mittwoch im Fachblatt "Nature" erschienen ist, versuchte das Team zu klären, ob es tatsächlich eine universelle Korrelation zwischen Knochendichte und Verhalten gibt. Das gelang in erster Linie anhand von heute noch lebenden Tieren, von denen wir mit Sicherheit wissen, ob sie aquatisch sind oder nicht.

Bestätigte Vermutungen

Die Untersuchungen bestätigten die Ausgangshypothese eindeutig: Der Zusammenhang zwischen der Knochendichte und der Futtersuche unter Wasser erwies sich als extrem hoch. Umgekehrt formuliert: "Alle Tiere, die im Wasser und eben nicht nur semiaquatisch leben, haben solche dichten Knochen", resümiert Fabbri seine Erkenntnisse.

Zusammenhänge zwischen Knochenstruktur und Lebensweise: Vögel haben besonders dünne und leichte Knochen, während Wasserbewohner und auch besonders schwere Tiere dichte Knochen besitzen.
Illustration: Fabbri et al., Nature 2022

Durch die Analyse der Knochendichte von verschiedenen Spinosauriden zeigte sich im zweiten Schritt, dass Spinosaurus, aber auch sein naher Verwandter Baryonyx dichte Knochen hatten, was mit ziemlicher Gewissheit darauf schließen lässt, dass beide unter Wasser jagten. Ein anderer verwandter Dinosaurier namens Suchomimus dagegen hatte leichtere Knochen, die das Schwimmen erschwerten. Er dürfte wahrscheinlich nur im Wasser gewatet sein.

Knochen lügen nicht

"Letzteres war eine ziemliche Überraschung", sagt Co-Autor Nizar Ibrahim, "denn Baryonyx und Suchomimus sehen sich ziemlich ähnlich." Das Team stellte jedoch nach weiteren Analysen fest, dass dies nichts Ungewöhnliches war, da ähnliche Muster auch bei anderen Tiergruppen zu beobachten waren.

Für Ibrahim ist das Rätsel um das Verhalten von Spinosaurus jedenfalls gelöst: Die Architektur der Knochen habe bestätigt, dass Spinosaurus ein extrem großes Raubtier gewesen sei, das in Flüssen auf Fischjagd ging und seinen paddelartigen Schwanz für den Antrieb nutzte. Nachsatz: "Knochen lügen nicht." (Klaus Taschwer, 23.3.2022)