Dirigent Vladimir Jurowski geißelt Putins Krieg – und fordert mit Blick auf Russlands Künstler trotzdem eine differenzierte Betrachtungsweise.

Foto: epa/Robert Ghement

Der russische Dirigent Vladimir Jurowski verurteilt den Angriff Russlands auf die Ukraine und warnt vor einem Pauschalboykott von Künstlern des Landes. Der skrupellose Krieg, den das totalitäre Regime unter Präsident Wladimir Putin gegen die souveräne Ukraine entfesselt habe, lasse sich in keiner Weise rechtfertigen, schrieb der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München in einem offenen Brief, den den Angaben zufolge mehr als 100 Künstler unterzeichnet haben.

"Wir erheben unsere Stimmen ausdrücklich gegen die willkürliche Ausgrenzung russischer und belarussischer Personen allein aufgrund ihrer Nationalität", heißt es in dem Brief, den etwa auch die Dirigenten Sir Simon Rattle und Franz Welser-Möst oder der Pianist Alexander Melnikov unterschrieben haben. "Nicht alle Russen und Belarussen und schon gar nicht alle Kulturschaffenden dieser beiden Nationen unterstützen diese schreckliche Invasion." Eine pauschale Verurteilung ohne direkte Beweise für ein Mitwirken sei ungerecht und einer Gesellschaft unwürdig, die sich um die Beseitigung aller Formen von Diskriminierung bemühe. Außerdem dienten solche Boykott-Maßnahmen dazu, gefährliche Propagandanarrative Putins zu nähren.

Jurowski führte die schwierige Lage russischer Künstler an: "Nicht jeder fühlt sich imstande klar auszusagen, weil eine solche Aussage unter Umständen der Person selbst oder ihren Angehörigen, Freunden und Arbeitskollegen in Russland oder Belarus erheblichen Schaden zufügen könnte." Viele fühlten sich wie Geiseln im eigenen Land. Vor dem Einmarsch in der Ukraine habe Putin jede Opposition zum Schweigen gebracht und die Bevölkerung einer Gehirnwäsche unterzogen.

Gleichzeitig befürwortete Jurowski Sanktionen und diplomatischen Druck gegen Russland. "Das Bombardieren und Angreifen von zivilen Objekten wie Krankenhäusern, Schulen, Theatern, Universitäten, Bibliotheken oder Kirchen sind Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die ausnahmslos und unmissverständlich verurteilt werden müssen", heißt es in dem Schreiben. Das Leid der von diesem Angriffskrieg Betroffenen sei unermesslich. (APA, 23.3.2022)