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Stella Moris vor der Hochzeit vor dem Gefängnis.

Foto: REUTERS/Peter Nicholls

Prominentenhochzeit unter besonderen Vorzeichen: Im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh haben sich am Mittwochnachmittag Wikileaks-Gründer Julian Assange und seine Anwältin Stella Moris das Ja-Wort gegeben. Außer den beiden Söhnen des Paares durften nur zwei engste Angehörige der Zeremonie durch einen Gefängnisbeamten beiwohnen. Dass die Justizbehörde nach wochenlangem Hin und Her befreundete Journalisten des Paares ausgeschlossen hatte, veranlasste Moris zu bitteren Kritik: "Sie fürchten sich davor, dass die Öffentlichkeit Julian als Mensch sieht."

Vor dem gewaltigen Gefängniskomplex im Osten der britischen Hauptstadt, dessen Mittelpunkt der Hochsicherheitstrakt Belmarsh ist, erschien die Braut (38) in einem eleganten hellgrauen Kleid samt Schleier. Gabriel (4) und Max (3) trugen ebenso bunte Kilts wie ihr 50-jähriger Vater – Assanges australische Eltern stammen von schottischen Einwanderern ab. Die Kleider hatten die Modedesign-Ikone Vivienne Westwood, eine der bekanntesten Unterstützerinnen des Aktivisten, und deren österreichischer Mann Andreas Kronthaler geschneidert.

Aufruf zum Crowdfunding

Im Gefängnis durften lediglich Moris' Mutter und Schwester sowie Assanges Vater und Bruder dabei sein. Nach der Zeremonie feierte die Hochzeitsgesellschaft im strahlenden März-Sonnenschein vor dem Gefängnis mit einem gewaltigen Kuchen und einer Rede der Braut, in der es um die rechtliche Lage des Bräutigams ging. Gäste waren aufgefordert, zum Crowdfunding für die nächsten rechtlichen Schritte gegen die unmittelbar bevorstehende Auslieferung des depressiven und suizidgefährdeten Aktivisten in die USA beizutragen.

Das Londoner Bezirksgericht hatte eben jene Auslieferung vor Jahresfrist verweigert. Neben Assanges fragilem Gesundheitszustand spielte dabei die Schilderung der harschen Haftbedingungen in US-Gefängnissen eine entscheidende Rolle. Dem Appellationsgericht legte Washington im Herbst "feierliche" Versprechungen vor: keine Einzelhaft; keine der berüchtigten "speziellen Behandlungsmethoden" (SAMs) à la Guantánamo Bay; kein Hochsicherheitsknast. Sollte Assange wegen Computerhackings und Spionage verurteilt werden, dürfe er die Haftstrafe in seiner australischen Heimat absitzen.

"Von Grund auf unseriös"

Diese Versprechungen der US-Vertreter wurden von Amnesty International als "von Grund auf unseriös" bezeichnet. Dies hinderte den Supreme Court vergangene Woche nicht daran, Assanges Berufung rundheraus abzulehnen – jüngstes Beispiel dafür, dass die britische Justiz den lästigen Aktivisten ohne viel Federlesens endlich loshaben will. Immerhin beschäftigt Assange die Londoner Gerichte seit 2010, als zunächst Schweden seine Auslieferung wegen angeblicher Sexualdelikte forderte.

Zwei Jahre Hausarrest, sieben Jahre Asyl in der Londoner Botschaft Ecuadors sowie knapp drei Jahre Straf- und Auslieferungshaft später muss Assange noch immer auf seine Freiheit verzichten. Den vielfältigen Appellen für seine Freilassung haben sich nicht nur Prominente und Politiker aus aller Welt, darunter der Vizepremier und der Oppositionsführer Australiens, angeschlossen, sondern sogar die Schwedinnen, deren Beschwerden zum ursprünglichen Verfahren geführt hatten. Dass englischem Recht zufolge letztlich die Innenministerin über Auslieferungen entscheidet, gibt Assanges Anhängern wenig Grund zur Hoffnung: Die Amtsinhaberin Priti Patel gilt als Hardlinerin und Rechts-außen in der konservativen Regierung von Premier Boris Johnson.

Kriegsverbrechen aufgedeckt

Wikileaks hatte 2010 und 2011, teilweise in Zusammenarbeit mit Medien wie 2New York Times", "Guardian" und "Spiegel", US-Geheimdokumente veröffentlicht. Die Enthüllungen brachten schlimmste Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten in Afghanistan und Irak ans Licht; viele Delikte bleiben bis heute ungeahndet. An der unerbittlichen strafrechtlichen Verfolgung durch Washington hat auch der zweifache Präsidentenwechsel über Barack Obama und Donald Trump zu Joe Biden nichts geändert: Wikileaks gilt dort als "feindseliger nichtstaatlicher Geheimdienst".

Moris wollte sich am Mittwoch erkennbar nicht unterkriegen lassen. Wie schon in einem Vorabartikel für den "Guardian" verlieh sie auch vor Ort ihrer Hoffnung Ausdruck: "Diese Ungerechtigkeit sollte bald enden, sodass wir unsere Ehe außerhalb von Belmarsh führen können." (Sebastian Borger aus London, 23.3.2022)