Die Formel 1 in Saudi-Arabien.

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Erst am 12. März sorgte die Kunde aus Saudi-Arabien von 81 Hinrichtungen an nur einem Tag für Entsetzen. Dass die Verurteilten nach Angaben des saudischen Innenministeriums Verbindungen zu Terrororganisationen gehabt hätten, ließ nicht einmal Stefano Domenicali als Rechtfertigung gelten. "Die Nachrichten sind natürlich ziemlich alarmierend", sagte der italienische Geschäftsführer der Formel 1 vor dem zweiten Grand Prix von Saudi-Arabien in Jeddah. Er glaube fest daran, dass der Sport die Menschenrechte ins Zentrum stellen sollte, "wie auch das Land, in das wir gehen".

Nicht alles, was hinkt

Dass er Floskeln von sich gibt, weiß der ehemalige Teamchef von Ferrari selbst. Schließlich wird auch in China gerast oder in Katar. Der Deal mit Russland wurde nach dem Überfall auf die Ukraine unter dem Druck harter Sanktionen gekündigt, das letzte in Sotschi geplante Rennen wurde aus dem Programm genommen, das für 2023 vereinbarte Gastspiel in Wladimir Putins Heimatstadt Sankt Petersburg storniert. Kritiker der Formel 1 verweisen eher undifferenziert gerne auf das militärische Engagement der Saudis im Jemen und die humanitäre Katastrophe, die allerdings auch die bekämpften Huthi mitverantworten. Diesbezüglich verunsichern die Formel 1 eher Attacken der Huthi in Saudi-Arabien selbst, darunter gegen eine Anlage des staatlichen Ölkonzerns Aramco nahe Jeddah.

Das seit kurzem zweitwertvollste Unternehmen der Welt ist einer der größten Geldgeber der Formel 1. Bei Aston Martin tritt der Energiekonzern als Titelsponsor auf.

Mit einem Reformprogramm namens "Vision 2030" will sich Saudi-Arabien vom Öl unabhängiger machen und investiert deshalb auch in den Sport. Die Formel 1 kassiert angeblich für zehn Jahre 900 Millionen Dollar Antrittsprämie. Human Rights Watch kritisiert Engagements wie dieses auch als Sportswashing. Saudi-Arabien habe in der Vergangenheit immer wieder prominente Persönlichkeiten und internationale Großveranstaltungen genutzt, um von seinen Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Der Formel 1 soll jedenfalls auch die Motorrad-WM nach Jeddah folgen. Prinz Abdulaziz Bin Turki Al-Faisal, der Sportminister des Landes, stellte den Bau einer eigenen Rennstrecke in Aussicht. Damit hätte er den Motorsport bald ziemlich komplett am Start. Neben der Formel 1 stehen bereits die Formel E, die Rallye Dakar sowie die neue Auto-Rennserie Extreme E im saudischen Geldregen.

Vision mit Golf

Unter "Vision 2030" läuft auch der Ausbau der Golfinfrastruktur im Königreich, das zudem über den Kronprinz Mohammed bin Salman unterstehenden Public Investment Fund (PIF) eine weltweite Super Golf League alimentiert, in der sich in zwölf Turnieren die besten Profis messen sollen.

Der prinzliche Sportminister weist den Vorwurf des Sportswashings routinemäßig zurück. Das Königreich wolle sich lediglich zu einer besseren Gesellschaft entwickeln, sagt Prinz Abdulaziz Bin Turki Al-Faisal. "Wir sind nicht perfekt, aber das ist niemand. Wir bewegen uns in die richtige Richtung." Sportereignisse wie der Grand Prix am Sonntag seinen auf dem Weg der Öffnung wichtig.

In diese Kerbe schlagen auch Sportfunktionäre gerne, die den Sport als sonst unpolitisch verkaufen. "Der Fakt, dass wir vor Ort sind, richtet das Scheinwerferlicht auf Themen, die sonst an anderer Stelle in den Nachrichten auftauchen würden", sagte auch Formel-1-Geschäftsführer Domenicali.

Rekordweltmeister Lewis Hamilton drängt seine Fahrerkollegen ganz in diesem Sinn, ihre Reichweite bei Fans zu nutzen, um auf Missstände hinzuweisen. "Es muss unsere Priorität sein, gemeinsam Druck für einen lang anhaltenden Wandel zu machen", sagt der Brite, ehe er seinen Mercedes in Jeddah anwarf.

Sein Kollege Sebastian Vettel, der sich gerne unmissverständlich äußert, erspart sich vermutlich einen Gewissenskonflikt. Der Deutsche konnte auch gestern keinen negativen Corona-Test für die Reise nach Saudi-Arabien vorlegen. (sid, red, 24.3.2022)