Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko (links) bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 11. März in Moskau.

Foto: imago / SNA / Mikhail Klimentyev

Ganz ohne Belarus ging es von Anfang an nicht: Bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine hatte die russische Armee auch im benachbarten Belarus Truppen zusammengezogen – offiziell für gemeinsame Manöver. Als dann die großangelegte Invasion begann, drangen russische Soldaten auch aus Belarus in die Ukraine vor.

Die geografischen Gründe lagen auf der Hand: Belarus, das im Osten an Russland und im Süden an die Ukraine grenzt, war für den Kreml vor allem durch die relative Nähe zu Kiew als Aufmarschgebiet attraktiv. Weniger als 100 Kilometer sind es von der belarussischen Grenze bis zur ukrainischen Hauptstadt – eine wesentlich kürzere Strecke als von jedem Punkt in Russland aus. Auch russische Kampfflugzeuge und Raketen starten in Belarus zu Angriffen auf die Ukraine.

Unpopulärer Krieg

Seither wird immer wieder über eine direkte Beteiligung am Krieg an der Seite Russlands spekuliert. Die Situation erwies sich in den vergangenen vier Wochen aber als komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint. Zwar gilt der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko, der sein Land seit 1994 autoritär regiert, als verlässlicher Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dennoch spricht für Minsk und Moskau offenbar einiges dagegen, belarussische Truppen direkt in das Kriegsgeschehen zu involvieren.

Zum einen ist Lukaschenkos Armee laut Fachleuten wenig kampferprobt. Ein Kriegseintritt wäre demnach mit hohen militärischen Risiken verbunden und wohl nicht nur innerhalb der Truppe unpopulär, sondern auch in der Bevölkerung. An dieser Stelle kommt freilich die schwer einzuschätzende Stimmungslage im Land zum Tragen. Lukaschenko, der noch 2019 zaghafte Versuche zur Annäherung an den Westen unternommen hatte, reklamierte bei der – international nicht anerkannten – Präsidentschaftswahl im August 2020 mehr als 80 Prozent der Stimmen für sich. Die anschließenden wochenlangen Massenproteste ließ er brutal niederschlagen.

Proteste auf Eis

Bald sprachen die meisten Beobachter von einer sich neuerlich ausbreitenden Apathie im Land. Gleichzeitig sah sich Lukaschenko durch Sanktionen des Westens wieder vermehrt in die Arme Putins getrieben. Großes Interesse an einem Kriegseintritt dürfte Lukaschenko dennoch keines haben, zumal das die Proteste im Land erneut befeuern könnte. Schon wurde wieder von Kundgebungen und Verhaftungen berichtet. Zuletzt machten belarussische Bahnarbeiter von sich reden, die die Schienen Richtung Ukraine unterbrochen haben sollen, um so den Nachschub für die russischen Truppen zu blockieren.

Andererseits hat Belarus jüngst mehrere ukrainische Diplomaten ausgewiesen und sein diplomatisches Personal aus der Ukraine abgezogen – eine klare Bestätigung der Parteinahme für Moskau. Putins Einfluss auf Lukaschenko ist vermutlich so groß, dass dieser auch den Einsatz eigener Soldaten wohl nicht so einfach verweigern könnte. Doch dann dürfte der Westen auch die bereits gegen Belarus verhängten Sanktionen noch verschärfen. Und Putin würde neben der ukrainischen Bevölkerung auch die belarussische weiter von sich wegstoßen – statt sie in seine angeblich brüderliche Umarmung zu zwingen. (Gerald Schubert, 25.3.2022)