Auch Mia Farrow hat sich, wie später jüngere Kolleginnen, mit einem mächtigen Mann in der Filmbranche angelegt: Woody Allen.

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In der Serie "Geradegerückt" betrachten wir Geschichten über weibliche Berühmtheiten genauer und fragen, welche Erzählungen sich über diese Frauen durchgesetzt haben – und was daran womöglich falsch ist.

Ausgerechnet mit "Rosemary’s Baby", dem Kult-Horrorfilm aus den späten 1960ern, gelang Mia Farrow der große Durchbruch als Schauspielerin. Rosemary (Mia Farrow) versucht, sich und ihr ungeborenes Baby vor einer satanistischen Sekte zu schützen, doch viel gruseliger als das ist die Darstellung des Frau- und Mutterseins in einer patriarchalen Gesellschaft, die der Film implizit analysiert. Nicht einmal der Teufel ist so grauenvoll zu Frauen und Müttern wie unsere Gesellschaft, und so kann Rosemary letztendlich keinem trauen, am wenigsten ihrem nach Erfolg strebenden Ehemann.

Nicht weniger tragisch wurde Farrows Vertrauen von ihrem ehemaligen Lebensgefährten, dem Filmregisseur Woody Allen, missbraucht. Nach zwölfjähriger Beziehung war 1992 Schluss. Von allen Trennungsgründen traf Farrow das denkbar schlimmste Szenario: Der Partner und die Tochter haben eine Affäre. Ja, die Tochter Soon-Yi Previn ist adoptiert und auch gar nicht die gemeinsame Adoptivtochter, sondern aus ihrer zweiten Ehe mit dem Komponisten André Previn. Außerdem war Soon-Yi schon 21 Jahre alt, als die Affäre aufgeflogen ist. Damit ist das alles schon legitim und okay, zumindest sieht das der damals 56-jährige Allen so. Von dieser Beziehung erfuhr Mia Farrow übrigens, als sie Nacktfotos ihrer Tochter auf dem Schreibtisch ihres damaligen Partners vorfand. Ist für einen Modeljob, meinte der Regisseur damals. Alles normal. So normal, dass Soon-Yi Previn, heute 51 Jahre alt, und der jetzt 86-jährige Woody Allen bis heute noch zusammen und mittlerweile verheiratet sind. Was auch noch immer anhält, sind die Vorwürfe der Boulevardpresse und Promi-Interessierten, aber nicht etwa gegen Allen.

Die "verschmähte Frau"

Die Tortur nahm für Mia Farrow 1992 erst ihren Anfang. Einige Monate nach Bekanntwerden der Affäre erzählte Dylan – die siebenjährige Adoptivtochter von Farrow und Allen – ihrer Babysitterin, Allen habe sie im Intimbereich berührt. Farrow meldete den Vorfall ihrem Arzt, der die Behörden informierte, und diese setzten wiederum Woody Allen in Kenntnis, der daraufhin auf alleiniges Sorgerecht klagte. Das Gutachten eines Kinderarztes lautete, unter Eid: Die kleine Dylan hat sich das a) entweder ausgedacht oder b) von ihrer Mutter einreden lassen. Mit Dylan hat der besagt Arzt nicht gesprochen. Doch der Richter entschied gegen Allen. In der Entscheidung begründete er, sein Versuch, Farrow als "verschmähte Frau" darzustellen, sei ein "unkluger Versuch, die Aufmerksamkeit von seinem Versagen abzulenken, als verantwortungsvoller Elternteil zu handeln". Die verschmähte Frau ist Farrow aber für viele noch immer, auch wenn Dylan Farrow 2014 als erwachsene Frau ihre Vorwürfe gegen Allen erneut bestätigte, vier Jahre später sprach sie das erste Mal öffentlich über den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch ihres Vaters:

CBS Mornings

Woody Allen dementiert bis heute alles, was ihm seine Adoptivtochter vorwirft. Rechtlich wurde er ebenfalls nie dafür belangt. Was seine Karriere angeht, die seine Ex-Partnerin durch die Anschuldigung des Kindesmissbrauchs ruiniert haben soll, sei nur so viel gesagt: Hollywood-Schauspielerinnen und -Schauspieler, unter ihnen auch gefeierte Feministinnen wie Miley Cyrus, Kristen Stewart, Diane Keaton oder Kate Winslet, arbeiten nicht nur noch immer mit Allen zusammen, sondern verteidigen ihn auch. Zu ihnen sei er immer korrekt gewesen und überhaupt, man könne ja nicht wissen, was tatsächlich an der Geschichte dran sei.

Und so konnten Mia Farrow und ihre Tochter Dylan nicht einmal von der #MeToo-Bewegung aufgefangen werden, die 2017 wie eine Tsunamiwelle auf die Filmindustrie knallte und schließlich bis heute den öffentlichen Diskurs über sexuelle Gewalt an Frauen dominiert. Denn selbst von den oben genannten Kolleginnen, die sich lautstark für #MeToo einsetzten, konnten sie mit keiner Solidarität rechnen. Mehr tragisch als komisch, dass Ronan Farrow, Journalist und Mia Farrows und Woody Allens leiblicher Sohn, 2018 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde, weil er investigativ über die Vorwürfe gegen Filmproduzenten Harvey Weinstein berichtete.

Bei sexualisierter Gewalt ist es noch immer gang und gäbe, dass betroffene Frauen und Mädchen a priori der Lüge bezichtigt werden. So ist es Farrow, deren gesamtes Sein und Karriere darauf reduziert wird, angeblich nach Rache gegen Woody Allen zu lechzen. Dabei ist sie eine erfolgreiche Schauspielerin, mit zahlreichen Auszeichnungen und Nominierungen wie dem Golden Globe oder den Bafta-Awards. Ihre Schauspielkarriere musste sie sich mehr oder weniger erkämpfen, mit 21 Jahren heiratete sie den Sänger Frank Sinatra, doch der war mit ihren beruflichen Plänen nicht einverstanden. Die erfolgreiche Seifenoper "Peyton Place" verließ Farrow sehr bald auf Drängen Sinatras. Mia sollte Ehefrau und Lady sein, kein ungewöhnliches Ultimatum im Jahr 1966. Dreißig Jahre später schien es den Radiomoderator Howard Stern in seiner Talkshow weniger zu interessieren, wie sie es aus so einer Ehe trotzdem als Schauspielerin schaffen konnte, als er Mia Farrow interviewte. Aus irgendeinem Grund ist die US-amerikanische Klatschpresse versessen auf die Jungfräulichkeit von Promis, so wurde auch hier eine talentierte Frau befragt, wie ihre erste Nacht mit einem Mann war.

The Howard Stern Show

Wie dem auch sei, Farrow entschied sich damals dennoch für den Job und gegen das Leben als "die Frau von Frank Sinatra". So endete die Ehe nach nur zwei Jahren. Gleich danach folgte dann ihre erste Hauptrolle im Psycho-Horrrorfilm "Rosemary’s Baby", in dem sie laut Kritikerinnen und Kritikern brillierte. Wieder ist es so ein tragisch-ironischer Zufall, dass gerade dieser Film, unter der Regie von Roman Polanski, ihr zum Durchbruch verhalf. Polanski wurde 1977 verhaftet, nachdem er beschuldigt worden war, ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt zu haben, seit 1978 ist er auf der Flucht vor einer Gefängnisstrafe und lebt in Europa.

Der Spießroutenlauf geht für Farrow noch immer weiter. Sie soll nicht nur die manipulative Ex-Freundin von Woody Allen sein – nachdem drei ihrer 14 Kinder (leiblich plus adoptiert) verstorben sind, muss sich Farrow mit perfiden Gerüchten, sie hätte möglicherweise mit dem Tod ihrer Kinder etwas zu tun, herumschlagen.

Da hilft nicht einmal, dass sie das "Time"-Magazin im Jahr 2008 zur einflussreichsten Person ernannte, weil sie sich als Unicef-Botschafterin humanitär umfangreich in verschiedensten Ländern Afrikas einsetzt. Wer sich einmal mit einem angesehenen Mann aus der Filmbranche, oder aus irgendeiner Branche, anlegt, geht auf Eierschalen. Da ist es auch wenig hilfreich, wenn sich die eigenen Kinder gegen einen stellen. Denn zwei ihrer Adoptivkinder, Soon Yi Previn und Moses Farrow, behaupteten, Mia sei bei Ungehorsam gegen ihre Kinder mit harten Strafen und Schlägen vorgegangen. Das sehen viele als Beweis dafür, dass Mia Farrow bei allem die Unwahrheit sagt und nur Rache gegen Woody Allen im Sinn hatte. Denn für so manche ist es nicht vorstellbar, nicht immer ein guter Elternteil zu sein und in manchen Aspekten zu versagen und trotzdem sein Kind in Schutz nehmen zu wollen, wenn dieses erzählt, es sei vom Partner sexuell misshandelt worden.

Ein Spoiler, für diejenigen, die "Rosemary’s Baby" noch nicht gesehen haben: Rosemary gelingt es nicht, aus den Fängen der satanistischen Sekte zu entkommen. Im Film ergibt sie sich symbolisch, so wie viele reale Mütter damals und heute, ihrem Schicksal als Frau und Mutter. Das Schicksal, für immer unter der ständigen Aufsicht anderer zu stehen, jeden Schritt rechtfertigen zu müssen, seine Autonomie abzugeben. Mia Farrow traf es zum Glück nicht so hart wie Rosemary, und sie konnte sich immerhin aus der Rolle der verbitterten, rachsüchtigen Ex langsam befreien. (Vanja Nikolic, 25.3.2022)