Derzeit verbringt Winkler viel Zeit in seinem Auto und versucht sich durch Reisen abzulenken.

Foto: Youtube/Drachenlord

"Vermindert schuldfähig" lautete die Begründung des Gerichts am Donnerstag im Prozess rund um Rainer Winkler. Das vormals festgelegte Strafmaß wurde damit verringert. Der Mann, der im Netz als "Drachenlord" traurige Berühmtheit erlangte, hatte Berufung gegen die zweijährige Haftstrafe eingelegt und war damit erfolgreich. Das neue Urteil lautet ein Jahr Bewährungsstrafe für den 32-Jährigen, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, teilte der vorsitzende Richter mit.

Serienopfer und Täter

Rainer "Drachenlord" Winkler kennt das Gericht in Nürnberg-Fürth. Vor drei Jahren war er das erste Mal hier, nachdem er einen Jugendlichen, der vor seinem Haus auf ihn wartete, mit Pfefferspray attackiert hatte. Damals gab es eine Bewährungsstrafe, genau wie am Donnerstag, als Winkler erneut ins Landgericht in Nürnberg geladen war. Es handelte sich um einen Folgetermin zum Prozess, der Winkler im Oktober 2021 gemacht wurde.

Gefährliche Körperverletzung warf ihm die Staatsanwältin damals vor und verlangte zwei Jahre Gefängnis für den "Drachenlord". Wie in den Anklagen davor, war auch diesmal der Auslöser eine Auseinandersetzung mit mehreren jungen Männern, die Winkler vor seinem Haus aufgelauert hatten, um ihn zu beschimpfen.

Im Netz als "Drachengame" bezeichnet, zog sich diese Gewaltspirale rund um Voyeurismus und Aggression über Jahre. Winkler nutzte seinen Youtube-Kanal, um provokante Aussagen in den Raum zu stellen oder jene Leute zu beleidigen, die ihm im Netz anonym drohten und beschimpften. Im Buch "Hate Speech" wird Winkler von den Autoren als "inhaltlich fragwürdig, provokant, grenzwertig und teilweise sozial unerträglich" genannt. Der gewaltbereite Mob nahm diese Provokationen gerne auf und belagerte als Antwort regelmäßig das Haus des Mannes. Dieses Wechselspiel schaukelte sich über die Jahre auf, und so kam es immer öfter zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den zwei Parteien.

Der Kampf blieb allerdings zu jeder Zeit ein ungleicher. Der Youtuber sah sich einer wachsenden Schar gewaltbereiter und vor nichts zurückschreckender Jugendlicher gegenüber. Seine Schwester wurde bedroht, sein Grundstück verwüstet und auch das Grab seines Vaters geschändet. Den "Drachenlord" zu bedrohen oder handgreiflich gegen ihn zu werden wurde im Netz von Tausenden gefeiert.

Das Haus in Altschauerberg musste Winkler verkaufen.
Foto: imago images/Harry Koerber

Hass im Netz

Für Außenstehende bleibt es ein Rätsel, wie sich so viele Menschen diesem Hass anschließen konnten. Auf Reddit finden sich heute noch zahlreiche Einträge zu der Thematik, in denen sich User über den "Drachenlord" austauschen und auch persönliche Geschichten dazu erzählen. In einer Gruppe schreibt ein Nutzer ausführlich über seine WG in der Umgebung von Nürnberg, in der es kaum eine Gesprächsrunde oder Party gab, auf der Winkler nicht aufs "Übelste beschimpft" wurde. Über den Youtuber sei ausschließlich "hasserfüllt und angewidert" gesprochen worden, so der Nutzer. "Es war ein regelrechter Kult."

Ein anderer Nutzer schreibt über angebliche Gruppen im Messenger-Dienst Telegram, deren Teilnehmer aktuell dazu aufrufen, "die Augen offen zu halten", um "seine Karre" in Deutschland zu finden. Laut Medienberichten befindet sich Winkler nämlich auf der Flucht. Das Haus im bayrischen Altschauerberg, das von den zahlreichen Angriffen gezeichnet ist, musste er verkaufen. Sein aktueller Wohnort soll geheim gehalten werden – auch vor Gericht –, um weitere Angriffe auf ihn zu vermeiden. Angeblich wohnt er derzeit in erster Linie in seinem Auto, um keine fixe Adresse haben zu müssen.

Nächstes Kapitel

Vom Gericht wurde Winkler schon 2021 nahegelegt, seinen Youtube-Kanal zu schließen und weitere Provokationen zu unterlassen. Damals argumentierte er, die Auftritte im Internet wären sein einziges Einkommen, das er zum Überleben benötigt. Vielleicht finden sich deshalb noch immer Videos von Winkler auf dem Kanal "Drachenlord". Das letzte stammt vom 15. März mit dem Titel "Drache auf Reisen Part 1", in dem er von seiner Fahrt nach Italien erzählt. Dort seien laut Winkler "hoffentlich weniger Hater" als in Nürnberg oder Berlin. Unter dem Video finden sich dann zur Abwechslung auch viele positive Kommentare. "Ich wünsche dir so viel Glück wie der Himmel Sterne hat" oder "Bleib stark und gib nicht auf" ist dort zu lesen. (red, 25.3.2022)