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20 Babys warten derzeit in der Ukraine auf ihre Eltern, die aus dem Ausland kommen – und sie wegen des Krieges noch nicht abgeholt haben.

Foto: Reuters / GLEB GARANICH

Seit Kriegsbeginn wurden in der Ukraine 50 Babys im Rahmen von Leihmutterschaften geboren. Biotexcom ist die größte Leihmutterschaftsklinik des Landes, deren Kund:innen vorwiegend aus dem Ausland kommen. Maria Holumbovska, Sprecherin von Biotexcom, über die Lage der derzeit schwangeren Leihmütter und die Neugeborenen, deren Eltern sie noch nicht aus der kriegsgebeutelten Ukraine geholt haben.

STANDARD: Wie viele Frauen sind aktuell für ein anderes Paar schwanger?

Holumbovska: Wir haben derzeit ungefähr 100 hochschwangere Leihmütter. Für die deutschsprachige Abteilung sind derzeit 70 Leihmütter schwanger, das sind aber Schwangere in verschiedenen Stadien der Schwangerschaft.

STANDARD: Woher kommen die Eltern, die bei Ihnen eine Leihmutterschaft beauftragen?

Holumbovska: Die meisten kommen aus Deutschland, rund 80 Prozent.

STANDARD: Wo sind die schwangeren Frauen jetzt? Sind diese gemeinsam untergebracht?

Holumbovska: Das ist sehr unterschiedlich. Die meisten bleiben in der Ukraine, oder sie sind schon in den Entbindungskliniken in Kiew, wenn sie hochschwanger sind. Dort könnten sie in den Kellern die Kinder zur Welt bringen. Einige befinden sich auch in Kiew in den gemieteten Wohnungen, manche Leihmütter wollen nicht, dass Bekannte oder Nachbarn mitbekommen, dass sie Leihmütter sind, und verstecken sich während der Schwangerschaft.

Maria Holumbovska ist Sprecherin bei Biotexcom: "Bisher haben alle Eltern ihr Baby abgeholt."
Foto: privat

Und schließlich befinden sich auch die Leihmütter in unserer Zentrale in Kropywnyzkyj, wo wir auch eine Entbindungsklinik und Wohnungen haben. Dahin laden wir jetzt die meisten Leihmütter ein, weil das jetzt der sicherste Ort ist. Da ist es ruhig, natürlich gibt es dort auch Sirenenalarm, aber keine Explosionen oder Kämpfe. Frauen, die noch in einem frühen Stadium der Schwangerschaft sind, können auch bei sich zu Hause sein und in ihren Städten bleiben und dann zu uns in die Zentrale kommen.

STANDARD: Was tun die Paare jetzt, für die in diesen Wochen des Krieges eine Ihrer Leihmütter ein Kind für sie gebärt?

Holumbovska: Seit Kriegsbeginn sind 50 Babys geboren, momentan haben wir 17 Babys, die wir in einem Schutzkeller, und drei Babys, die wir in Kropywnyzkyj betreuen. Viele Paare sind jetzt verzweifelt. Am Beginn des Krieges haben uns viele ihre Hilfe angeboten und gefragt, was wir brauchen. Wir versuchen jetzt zu informieren, dass das betroffene Paar schon vor der Geburt die Botschaft kontaktiert und dass es sich erstmal um die Dokumente kümmert. Generell wird derzeit die Bürokratie vereinfacht, sodass alles Nötige unmittelbar vor und nach der Geburt erledigt werden kann. Dann kann das Paar kurz vor der Geburt anreisen und dann gleich wieder mit dem Kind wegfahren. Womöglich können auch die jeweiligen Botschaften eine sichere An- und Rückreise mit dem Kind organisieren.

STANDARD: Was passiert, wenn jetzt Eltern das Kind nicht holen kommen?

Holumbovska: Die Babys werden weiterhin betreut. Doch bisher haben alle Eltern ihr Babys abgeholt, oder sie schicken bevollmächtigte Personen, die das in ihrem Namen machen können. Aber das muss durch die Botschaft genehmigt werden; und das wird für Paare aus Ländern schwierig, in denen streng mit Leihmutterschaft umgegangen wird.

STANDARD: Wenn Frauen aus der Ukraine flüchten und dort das Baby bekommen, dann sind sie rechtlich ihre Mütter, so wäre etwa die rechtliche Lage in Polen oder auch in Österreich. Daher gehen wohl viele Leihmütter zur Geburt wieder zurück in die Ukraine – ist das nicht sehr gefährlich?

Holumbovska: Natürlich ist das gefährlich. Wir haben eine Empfehlung an unsere schwangeren Frauen rausgegeben, dass sie nur hierbleiben sollen, wenn sie einen sicheren Ort haben. Wir gehen aber davon aus, dass der Krieg nicht so lange dauen wird und dass die Frauen dann in die Ukraine zurückkönnen, um hier zu gebären. Wenn der Krieg noch länger dauert, dann wird unser Jurist weitere Entscheidungen treffen. Womöglich müssen wir dann Evakuierungen in benachbarte Staaten organisieren, die die Leihmutterschaft erlauben oder zumindest liberaler damit umgehen. Zum Beispiel Irland oder Großbritannien.

STANDARD: Sie meinten, manche Leihmütter wollen ihre Schwangerschaft vor ihrem Umfeld verbergen. Ist Leihmutterschaft in der Ukraine ein Tabu, obwohl sie legal ist?

Holumbovska: Eigentlich nicht. Es gibt wie überall Menschen, die das verurteilen. Manche behaupten, man würde quasi Kinder verkaufen. Doch das Kind ist genetisch nicht das der Leihmutter, und kinderlosen Paaren wird geholfen. In der Ukraine ist das eine normale Sache. In Deutschland oder Österreich nicht.

STANDARD: Ja, in Österreich gibt es viele kritische Stimmen, die – wie Sie erwähnt haben – von Kinderhandel sprechen.

Holumbovska: Es ist kein Kinderhandel, weil ja die Leihmütter nicht ihr eigenes Kind zur Welt bringen – für Eltern, die keine andere Möglichkeit haben, ein Kind zu bekommen, als durch eine Leihmutterschaft oder Adoption. Adoption funktioniert oft nicht oder es dauert sehr lange. Es ist auch nicht so, dass gesunde Frauen zu uns kommen, nur weil sie ihre Figur nicht ruinieren wollen. Sondern wir nehmen nur Frauen, die aus verschiedenen medizinischen Gründen kein Kind bekommen können.

STANDARD: Das heißt, bei Ihnen sind nur Eltern, die aus medizinischen Gründen keine Möglichkeit haben, selbst ein Kind zu bekommen?

Holumbovska: Ja, in der Ukraine ist das so. In anderen Ländern, etwa in den USA, nicht. Aber wir verlangen medizinische Atteste, und die Paare müssen heterosexuell und verheiratet sein.

STANDARD: Homosexuelle Paare bekommen bei Ihnen keine Leihmutter?

Holumbovska: Nein, nur ein heterosexuelles verheiratetes Paar, das aus medizinischen Gründen kein Kind bekommen kann.

STANDARD: Es heißt immer wieder, dass Leihmütter ihr Honorar nur erhalten, wenn sie das Baby gesund zur Welt bringen. Stimmt das?

Holumbovska: Nein, sie bekommen die Summe aufgeteilt in verschiedenen Raten. Zum Beispiel nach der 16. und dann wieder nach der 27. Schwangerschaftswoche. Aber es stimmt, dass sie nach der Geburt, und nachdem sie die Unterlagen unterschrieben haben, den größten Anteil bekommen.

STANDARD: Wie viel bekommen die Leihmütter?

Holumbovska: Bis zu 20.000 Euro. Es ist unterschiedlich. Wenn etwa eine Frau schon eine Schwangerschaft bei uns hatte, kann sie eine höhere Summe bekommen als andere. (Beate Hausbichler, 28.3.2022)